«Paartherapie»-Produzentinnen: ‚Die Produktion ist sehr aufwendig‘

Kathrin Lindemann und Nele Pasch von Picture Punks haben erst vor Kurzem die zweite Staffel von «Die Paartherapie» veröffentlicht. Im Quotenmeter-Gespräch erzählen die Produzentinnen, was dieses Format so besonders macht.

Die zweite Staffel von «Paartherapie» startet am 11. November 2024 in der ARD Mediathek. Was dürfen die Zuschauer diesmal erwarten?
Nele Pasch:
Die Zuschauerinnen und Zuschauer dürfen wieder viele echte Emotionen erwarten und vier Paare, die sich trauen, alles auf den Tisch zu legen. Denn nur dann funktioniert eine Paartherapie, wenn man nichts verschweigt. Außerdem können die Zuschauenden viel für ihre eigene Beziehung mitnehmen. Wir haben auch in der zweiten Staffel wieder versucht, vier sehr unterschiedliche Paare zu zeigen, die alle an verschiedenen Punkten ihrer Beziehung stehen. In dieser Staffel haben wir noch mehr in den Doku-Dreh der Paare zuhause investiert. Wir waren noch länger bei ihnen und haben, wie wir finden, noch mehr echte Momente ihrer Beziehung zeigen können. Es ist nämlich gar nicht so leicht, Menschen und ihr Zusammenleben zu zeigen. Das fordert viel Geduld und viel Vertrauen untereinander. Erst dann fühlen sich die Menschen irgendwann so wohl, dass sie ganz „normal“ miteinander umgehen und wir ihre echte Beziehung und ihren Umgang miteinander zeigen können.

Die Produktion liegt erneut in den Händen von Picture Punks. Was zeichnet die Herangehensweise dieses jungen Teams besonders aus?
Kathrin Lindemann: Ich weiß gar nicht, ob unser Alter dabei eine Rolle spielt. Klar sind wir von Netflix und Co. geprägt und auch von US-Serien, aber am Ende ist es, glaube ich, die Herangehensweise an das Ganze, die uns auszeichnet. Wir selbst konnten keine Filme mehr sehen, wo es offensichtlich ist, dass der Protagonist gerade etwas extra für die Kamera tut. Das wirkt oft nicht authentisch und ich fühle so einfach nicht mit. Bei der Paartherapie fühlen sich die Zuschauenden den Paaren so nah, dass sie teilweise nicht glauben können, dass es „echte“ Menschen sind und keine Schauspieler. Daher kommt auch die Sogwirkung der Serie. Was die Leute so anzieht, sind diese „echten“ Emotionen und Menschen. Das klingt so easy, aber wir investieren für sowas oft Wochen. Damit dann auch dramaturgisch wirklich etwas passiert, ist die Auswahl der Protagonistinnen und Protagonisten für uns essenziell. Eigentlich nehmen wir Elemente aus der Machart von Kino-Dokus und ergänzen sie mit Erzählebenen, die man eher aus US-Serien kennt. Wir erzählen die Geschichten immer auf mehreren Erzählebenen und haben entsprechend mehrere rote Fäden, die sich durch die Folgen ziehen. Damit schaffen wir eine Dramaturgie. Außerdem sind für uns auch Cliffhanger, die nicht nur am Ende jeder Folge platziert sind, wahnsinnig wichtig. Auf die Art erzählen wir die meisten unserer Projekte.



Eric Hegmann ist erneut als Paartherapeut im Einsatz. Was macht ihn für dieses Format so ideal?
Nele Pasch:
Eric Hegmann arbeitet seit ca. 20 Jahren mit Paaren. Er hat deshalb viel Erfahrung mit verschiedensten Paar-Konstellationen. Flapsig könnte man sagen: „Ihn haut einfach nichts um!“ Gefühlt hat Eric Hegmann einen ständigen Ruhepuls von 60 - egal, was passiert. Wir brauchten jemanden, der vier bis sechs Stunden einem Paar gegenübersitzen kann, das er nicht kennt und es schafft, ihm in der Intensivsitzung zu helfen. Und dabei darf er nicht zu kompliziert sprechen, damit ihn nicht nur das Paar versteht, sondern auch die Zuschauerinnen und Zuschauer. Denn am Ende war es für uns wichtig, dass wir einen Therapeuten finden, der mit allen auf Augenhöhe spricht. Und wirklich auf das Problem der Paare eingeht und versucht, ihnen individuell zu helfen und nicht eine Show fürs Fernsehen durchzieht. Denn uns war immer wichtig: Wir wollen eine reine Dokumentation machen.

Die Paare werden in langen Einzelsitzungen begleitet, anstatt in kürzeren Intervallen. Was steckt hinter dieser Entscheidung?
Kathrin Lindemann:
Wir haben darüber sehr lange intern, aber auch mit Eric diskutiert. Am Ende haben wir uns für eine lange Einzelsitzung entschieden, weil wir damit tiefer in die Emotionen kommen und die Paare so intensiv an ihrer Beziehung arbeiten können. Bei Einzelsitzungen starten wir jedes Mal wieder bei null. Die Ergebnisse der Intensivsitzungen sind sehr gut, auch bei Paaren, die nur zur Beziehungspflege kommen. Die wollen wir auch in unserer Sendung zeigen, weil es uns auch darum geht, Paartherapie von ihrem Stigma zu lösen. Wir wollten immer zeigen, dass jede Beziehung davon profitieren kann. Aber klar, das Konzept ist nicht in Stein gemeißelt. Vielleicht entscheiden wir uns auch irgendwann mal um und zeigen Paare über einen längeren Zeitraum in Einzelsitzungen. Bei unseren Dokumentationen ist immer alles offen und wir schauen am Ende gemeinsam, was uns den „echtesten“ Einblick in Menschen und ihre Emotionen gibt. Bisher sind wir aber sehr zufrieden mit den Intensivsitzungen.

Die beteiligten Paare kommen aus ganz Deutschland. Warum hat man sich bewusst für diese Vielfalt entschieden?
Nele Pasch:
Der Wohnort der Paare ist ehrlicherweise egal. Wir schauen uns immer die Menschen an und ihr Problem. Beides muss einfach zu 100 Prozent authentisch sein. Die Vielfalt der Beziehungsprobleme ist uns aber sehr wichtig. Die Menschen auf der Couch sollen sich im besten Falle mit jemanden identifizieren können und denken: „Ja genau, das gleiche Problem habe ich oder haben wir auch!“ Uns war wichtig, dass wir eine Art Handbuch der Liebe machen, wo jede und jeder etwas für sich und die eigene Beziehung mitnehmen kann. Das ist auch der Charme an der Paartherapie, wir bekommen immer wieder Rückmeldungen, dass Paare sich die Folgen gemeinsam anschauen. Wie ein kleines Paar-Erlebnis.

Wie aufwendig ist die Produktion einer Staffel? Wie lassen sich die einzelnen Phasen beschreiben?
Kathrin Lindemann:
Die Produktion ist sehr aufwendig. Wir brauchen fast ein Jahr bis zur fertigen «Paartherapie». Alles beginnt immer mit den Paaren. Wir bauen über Monate eine Beziehung zu ihnen auf, denn einfach so teilt niemand seine Beziehungsprobleme. Das sind oft sehr intensive und intime Gespräche. Dass wir für die ARD produzieren, hilft uns dabei auch sehr. Da ist sehr viel Vertrauen in die Institution.

Danach starten wir mit unserem Team in die Planung der Drehphase. Die ist hier sehr detailliert, weil wir vor allem in der Sitzung nur einen Shot haben. Sobald die Kameras laufen, greifen wir nicht ein und alles muss funktionieren. Das geht los mit dem Ton: Wenn ein Mikro ausfällt, hat jeder im Raum noch zwei weitere. Alles wird in unserer Planung drauf ausgerichtet, dass wir immer einen doppelten oder dreifachen Boden haben. Aber gleichzeitig muss es auch immer so dezent sein, dass es sich für die Paare nicht zu sehr nach „Fernsehen“ anfühlt. Sonst können sie die Kameras nicht vergessen und sich nicht öffnen. Das ist ein ständiger Balanceakt, den die einzelnen Gewerke mit uns führen.

Bevor wir drehen, reduzieren wir unser Team dann auf die nötigsten Menschen, die es braucht. Weil jedes Geräusch, das außerhalb des Therapieraumes gemacht wird, die Paare rausbringt. Wir sehen das immer direkt auf dem Bildschirm, dann schauen sie sich um und ihnen wird wieder bewusst: Ach ja, ich werde ja gefilmt. Und ab da dauert es wieder, bis sie sich auf die Paartherapie komplett einlassen können. Jede Bewegung von uns ist deshalb minutiös geplant. Wie ein kleiner Tanz.

Insgesamt drehen wir über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bei den Paaren zu Hause und die Therapiesitzungen. Und danach kommt die monatelange Schnitt- und Postproduktions-Phase.

In Staffel zwei hat kein Paar aufgegeben, während in Staffel eins Scheitern zu sehen war. Wie wichtig ist Drama für den Erfolg des Formats?
Nele Pasch: Uns ist wichtig, dass die Paare sich auf die Therapie einlassen. Dass sie bereit sind, sich zu öffnen und an ihrer Beziehung zu arbeiten. Welche emotionale Reise sie da auf sich nehmen, das haben wir nicht in der Hand. Natürlich wählen wir Paare aus, die mit einem Problem kommen oder konkrete Themen haben, an denen sie arbeiten möchten. Das ist für die Dramaturgie wichtig, damit unsere Zuschauerinnen und Zuschauer mitfiebern können: Schaffen sie es? Oder nicht? Was jedoch konkret dann in der Sitzung passiert, das steuern wir nicht und da haben wir keinen Einfluss drauf. Uns geht es in erster Linie nicht um Drama oder Scheitern. Aber natürlich kann es passieren, dass die Partnerinnen und Partner während der Arbeit mit dem Therapeuten merken, dass sie eigentlich nicht mehr bereit sind, an der Beziehung festzuhalten und manche Verletzungen zu tief sind. Deshalb ist unsere Message auch: Es lohnt sich, auch früh an der Beziehung zu arbeiten und nicht so lange zu warten, bis es zu spät ist.

Mit einer Laufzeit von nur drei bis vier Stunden ist «Paartherapie» schnell weggeschaut. Sind schon weitere Staffeln geplant?
Kathrin Lindemann:
Wir würden uns freuen, eine weitere Staffel zu produzieren. Aber das hängt von Entscheidungen im Sender und innerhalb der ARD ab.

Parallel zur Serie gibt es einen Audio-Podcast mit Eric Hegmann. Wie unterscheidet sich dieser vom TV-Format?
Kathrin Lindemann:
Der Podcast wird vom NDR selbst produziert, nicht von unserer Produktionsfirma. Aber wir sind sehr froh, dass es ihn gibt, weil er eine schöne Ergänzung ist. Wir haben die Paartherapie von vornherein als Film- und Podcastprojekt geplant.

Die TV-Ausstrahlung der zweiten Staffel im NDR erfolgte am 20. November zu später Stunde. Wie bewerten Sie solche ungewöhnlichen Sendezeiten?
Nele Pasch:
Wir haben unsere Doku-Serie in erster Linie für die ARD Mediathek produziert. Wir haben die Dramaturgie genau für diese Plattform und die entsprechende Zielgruppe entwickelt – zu der wir auch selbst gehören. So erzählen wir in sechs Folgen horizontal, das heißt, dass wir die Geschichten miteinander verweben und wir nicht ein Paar pro Folge erzählen. Das lädt zum Binge Watchen ein und ist optimal für die ARD Mediathek, jedoch nicht für das lineare Fernsehen. Von daher ist die Sendezeit im NDR Fernsehen für uns nicht von großer Bedeutung.

Danke für das Gespräch!

«Die Paartherapie» in der ARD Mediathek abrufbar.
19.01.2025 13:03 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/157822