Anna Schimrigk: ‚Wir möchten mit «BFF» auf alternative Familienmodelle aufmerksam machen‘
Zusammen mit Nina Rathke hat Hauptdarstellerin Schimrigk die ZDF-Serie geschrieben, die verschiedene Familienplanungen beleuchtet. Im Interview sprach die Schauspielerin auch über eine persönliche Erfahrung.
Wovon handelt die Serie «BFF – Best Family Forever» und was macht die Geschichte Ihrer Meinung nach so besonders?
In der ZDFneo-Serie geht es um das aktuelle Thema Co-Parenting. «BFF – Best Family Forever» erzählt die Geschichte der besten Freundinnen Lena und Nikita. Nikita ist am Boden zerstört, als sie erfährt, dass sie keine Kinder bekommen kann, während Lena feststellt, dass sie ungewollt schwanger ist. Katastrophe! Aber Lena kommt die rettende Idee, das Kind gemeinsam mit Nikita als Co-Parent großzuziehen.
Wir haben mit BFF eine Serie entwickelt, die eine positive Frauenfreundschaft mir viel Humor in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Es ist doch Schade, dass das Genre „Female Buddy Series“ in Deutschland noch so unterrepräsentiert ist! BFF glänzt außerdem mit einer eigenwilligen Tonalität zwischen weird, funny und herzerwärmend, einem tollen Ensemble und einer sehr ästhetischen Bildgestaltung!
Die Serie behandelt Themen wie Co-Parenting und alternative Familienmodelle, die zunehmend an Relevanz gewinnen. Welche Botschaft möchten Sie dem Publikum damit vermitteln?
Wir möchten mit «BFF» auf alternative Familienmodelle aufmerksam machen, ohne die heteronormative Kleinfamilie abschaffen zu wollen. Co-Parenting ermöglicht unterschiedlichsten, in der Familienplanung ansonsten vielleicht benachteiligten Gruppen, ihren Kinderwunsch zu realisieren: Seien es alleinstehende Frauen und Männer, queere Paare oder zeugungsunfähige hetero Pärchen. Familie und die Vorstellung, was Familie ausmacht, verändern sich, genauso wie unsere Gesellschaft.
In «BFF» geht es um das Spannungsfeld zwischen Freundschaft, Karriere und Familienplanung. Welche Herausforderungen mussten Lena und Nikita meistern, und inwiefern spiegeln sie die Realität vieler Frauen wider?
Viele Frauen wünschen sich Kinder, finden aber nicht den richtigen Partner, haben wie Nikita keine ausreichenden finanziellen Mittel oder gesundheitliche Einschränkungen. Andere befürchten wie Lena, die kurz vor ihrem Staatsexamen steht, als sie von ihrer Schwangerschaft erfährt, ihr Studium mit Kind nicht beenden zu können. Ich selbst habe als Frau in Deutschland leider immer noch das Gefühl, mich zwischen Karriere und Familie entscheiden zu müssen. Die Lücke im Lebenslauf, die spätestens mit dem Mutterschutz und als Schauspielerin mit Sichtbarkeit des Bauches beginnt, ist für mich und viele andere Frauen eine reale Bedrohung. Zudem kommt, dass Kinder zu bekommen und großzuziehen für sich allein ein Fulltimejob ist, der aber von der Gesellschaft weder als ein solcher wahrgenommen noch wertgeschätzt wird. Fakt ist, dass Mutterschaft in Deutschland immer noch Altersarmut bedeutet.
Sie sind nicht nur Hauptdarstellerin, sondern auch Co-Autorin der Serie. Was hat Sie und Nina Rathke inspiriert, diese Geschichte zu erzählen, und wie entstand die Idee, Freundschaft und Mutterschaft in diesem Kontext zu vereinen?
Vor einigen Jahren wurden Nina und ich von einer Freundin gefragt, ob wir mit ihr gemeinsam ein Kind adoptieren wollen. Diese Frage lieferte die Idee zu unserer Prämisse. Wir wollten schon länger eine starke und zugleich ambivalente Frauenfreundschaft erzählen. Die Idee für Co-Parenting bot den nötigen Motor für unsere Figuren. Denn schließlich ist Kinderkriegen eines der größten Abenteuer und ein feministisches Thema, das uns gesamtgesellschaftlich betrifft.
Ihre Figur Lena steht für ein freies, unabhängiges Leben, während ihre beste Freundin Nikita einen anderen Lebensweg bevorzugt. Wie war es, in die Rolle von Lena zu schlüpfen, und welche Facetten der Figur waren für Sie besonders spannend?
Meiner Meinung nach sind beide Frauenfiguren, natürlich auf unterschiedliche Arten, auf der Suche nach einem freien, unabhängigen Leben. Das Spannende an Lena und Nikita ist, dass sie immer wieder scheitert. Meistens an sich selbst. Das macht sie für mich zu lustigen Charakteren. Lenas Unnahbarkeit, die ein Ausdruck ihrer Stärke zu sein scheint, ist letztendlich auch die Angst davor, verlassen zu werden. Die Momente, in denen man hinter diese Fassade schauen kann, waren für mich besonders spannend zu spielen. Auch das Changieren zwischen Comedy und Drama war für mich als Schauspielerin eine schöne Herausforderung.
«BFF» ist nicht nur eine Comedy-Serie, sondern auch ein Projekt, das gesellschaftliche Normen hinterfragt. Was war Ihnen und dem Kreativteam bei der Darstellung von Freundschaft und Familie besonders wichtig?
Nina und ich wollen als Schreibkollektiv OderDoch politische Themen mit weiblichen Hauptrollen unterhaltsam und möglichst niedrigschwellig erzählen. Wir stehen als Gesellschaft vor etlichen Herausforderungen, sei es das Erstarken der Rechten und dadurch die Gefährdung unserer Demokratie oder Problemen wie kollektiver Einsamkeit. Mit «BFF» haben wir bewusst eine Utopie entworfen, in der keine gesellschaftliche Ausgrenzung existiert. Wir möchten keine homophoben, sexistischen oder rassistischen Narrative reproduzieren, nur um die Welt möglichst realistisch darzustellen. Wir wollen mit BFF bewusst nicht die Realität, sondern eher eine Wunschvorstellung davon abbilden und den Zuschauenden so ein empowerndes Gefühl vermitteln. Gleichberechtigung, Toleranz, Gemeinschaft – we can do it!
Die Serie wurde von Ihnen und Nina Rathke gemeinsam mit Johannes Rothe entwickelt. Wie war die Zusammenarbeit mit Nina und Johannes, und was bringt jeder von Ihnen als Autorin bzw. Autor in das Projekt ein?
Nina und ich sind beste Freundinnen und arbeiten auch schon sehr lange zusammen. Dabei finden wir meistens die gleichen Dinge, Situationen oder Dialoge witzig und können wahrscheinlich wirklich mittlerweile die Sätze der jeweils anderen beenden. Wir sind die richtige Mischung aus kühlem Kopf, Struktur, Emotion und einer Scheiß-auf-alle-Regeln-Attitude.
Johannes ist der einzige Autor im Team, der selbst Kinder hat. Neben seiner Expertise als Autor und seinem tollen Humor hat er also auch seine persönlichen Erfahrungen mit in den Writers Room und die Bücher 5 und 8 eingebracht. Auch konnte er Nina und mir notfalls mit den nötigen Details helfen, uns besser in die Elternrolle hineinzuversetzen.
In der Serie geht es um den Umgang mit der unerwarteten Schwangerschaft einer Freundin und den nicht erfüllten Kinderwunsch der anderen. Wie wurden diese emotionalen und sozialen Herausforderungen in den Drehbüchern dargestellt, um sowohl Komik als auch Tiefe zu erreichen?
Uns war von Anfang an wichtig, unsere dramatische Grundprämisse und die Konflikte der Figuren ernst zu nehmen, authentisch und unterhaltsam zu erzählen und den Raum für echte Emotionalität zu schaffen. Diese Emotionen sind bei uns die Basis für die wirklich lustigen Situationen. Zumindest ist diese Mischung aus Komik und Drama die Art, wie Nina und ich auf das Leben schauen. Wir sehen in tragischen Situationen oft absurde Komik und umgekehrt und haben versucht, Situationen und Figuren zu schreiben, die diese Ambivalenz mitbringen.
Co-Parenting ist in Deutschland noch ein relativ neues Konzept. Wie sehen Sie die gesellschaftliche Entwicklung in Bezug auf alternative Familienmodelle, und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die aktuelle Regierung schnell Lösungsansätze für die rechtliche Lage von gleichgeschlechtlichen Eltern und Regenbogenfamilien findet! Länder wie die Niederlande und Schweden kann man sich dabei gut zum Vorbild nehmen. Mit dem Erstarken der Rechten sehe ich unter anderem die Gefahr einer rückschrittlichen Entwicklung zurück zu überholten Rollenbildern und Zwang zu konservativen Familienmodellen und Weltansicht. Diese Aussichten sind extrem beunruhigend!
Was war für Sie das Schwierigste daran, die Doppelfunktion als Hauptdarstellerin und Headautorin der Serie zu erfüllen, und welche Vorteile brachte es für Ihre Interpretation von Lena?
Das Schwierigste daran war wahrscheinlich, die Entscheidungsträger:Innen davon zu überzeugen, dass ich sowohl die Rolle der Headautorin als auch die der Hauptdarstellerin erfüllen kann. Natürlich hatte ich auch selbst Respekt vor dieser Doppelfunktion, bin aber zum Glück ziemlich stur, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe. Die beiden Funktionen haben sich jedenfalls ganz wunderbar ergänzt. Weil ich die Thematiken recherchiert, die Serie mit entwickelt und die Bücher mitgeschrieben habe, konnte ich mich als Schauspielerin viel länger auf die Rolle Lena vorbereiten, als es ansonsten in Deutschland üblich ist. Weit vor Drehstart kannte ich meine Texte, Figurenbögen und die Farbe des Humors in-und auswendig.
In «BFF – Best Family Forever» begegnen Lena und Nikita verschiedenen Herausforderungen bei der Gestaltung ihres gemeinsamen Lebensentwurfs. Gab es spezifische Szenen oder Momente in der Serie, die Sie persönlich besonders berührt haben?
Als Schauspielerin hat mich die Geburt am meisten berührt und auch gefordert. Ich wollte sie möglichst realistisch darstellen, habe zu dem Zweck ein eintägiges Praktikum im Kreissaal gemacht, Interviews mit befreundeten Eltern geführt, mir Fachwissen angelesen und Geburtsvlogs auf Youtube geschaut. Diese Recherche hat mir nochmal mehr gezeigt, wie beeindruckend der weibliche Körper eigentlich ist und wieviel Kraft man als Frau besitzt. Im Prinzip sind wir Superheldinnen. So eine Geburt muss eine Grenzerfahrung sein und etwas sehr Bewegendes. Es ist ein Einschnitt im eigenen Leben, nach dem nichts mehr so ist, wie es vorher war. Bei den Dreharbeiten für Folge 8 konnte ich zumindest im Ansatz die Tragweite eines solchen Ereignisses nachempfinden – das war toll!
Kann ich mir vorstellen. Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
«BFF» ist in der ZDFmediathek abrufbar. Anna Schimirgh ist auch im Stuttgart-«Tatort» zu sehen, der am 19. Januar 2025 im Ersten läuft.