Ines Marie Westernströer: ‚Tartuffe ist ein Heuchler, Hochstapler und Menschenfänger‘

Die Schauspielerin ist nicht nur am Wiener Burgtheater engagiert worden, sondern übernimmt am Sonntag auch eine Rolle im «Tatort». Im Gespräch erzählt Westernströer von der Bedeutung von „Tartuffe“.

Mit „Tartuffe“ spielen Sie eine Rolle in einem Klassiker der Theaterliteratur. Was bedeutet es für Sie, in einer solchen Produktion mitzuwirken, und wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Mir bedeutet es viel. Die Produktion ist mein Einstand am Wiener Burgtheater und die erste Begegnung mit den neuen Kollegen, der Regisseurin Barbara Frey und diesem fantastischen Text. Das macht große Freude. Zur Vorbereitung habe ich mich intensiv mit dem Stück beschäftigt, mit meiner Figur, dem Autor...

Molières Werke sind oft eine Mischung aus Gesellschaftskritik und Komödie. Wie gelingt es Ihnen, diese Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit in Ihrer Rolle zu finden?
Ich bin der Überzeugung, dass Humor nur dann entstehen kann, wenn eine Figur mit größter Ernsthaftigkeit in einen Konflikt gerät und zu kämpfen beginnt. Der Witz entsteht durch die Situation. Jedenfalls suchen wir nach dieser Art von Humor. Je verzweifelter eine Figur sich abmüht, umso komischer kann es werden...

„Tartuffe“ ist auch heute noch sehr aktuell, wenn es um Themen wie Manipulation und Glauben geht. Inwiefern sehen Sie Parallelen zwischen den Themen des Stücks und unserer heutigen Gesellschaft?
Das Stück hat eine große Aktualität. Tartuffe ist ein Heuchler, Hochstapler und Menschenfänger, das Stück handelt von Lüge und Manipulation. Das ist, wenn man sich in der Welt umschaut, erschreckend gegenwärtig. Wir erleben ja gerade, wie Lügner zu Präsidenten werden...

Können Sie uns etwas über die besondere Atmosphäre und das Setting dieser Inszenierung erzählen? Wie unterscheidet sich Ihre Version von anderen Interpretationen des Stückes?
Häufig werden Molierès Komödien grell und laut inszeniert, ausgestellte Figuren, plakative Gags. Wir suchen in unserer Arbeit nach einem skurrilen, sehr feinen Humor und nach den Abgründen in dieser Familie. Es wird also vielleicht unheimlicher und düsterer, als man es von einer Komödie erwarten würde.

In «Tatort: Das Ende der Nacht» spielen Sie in einem spannenden Krimi mit. Was reizt Sie daran, in einem so düsteren und spannungsgeladenen Genre zu arbeiten?
In diesem Tatort gerät meine Figur Pia in eine existenzielle Situation. Das war schauspielerisch eine besonders schöne Herausforderung, weit entfernt von routinierter Polizeiarbeit.

Der «Tatort» ist eine der bekanntesten Krimireihen im deutschen Fernsehen. Wie haben Sie es empfunden, Teil dieses Phänomens zu sein und gab es besondere Herausforderungen für Ihre Rolle in dieser Serie?
Das ist ein wirklich spannendes Phänomen. «Tatort» zu schauen ist für viele Menschen ein festes Ritual und gehört dazu wie das Zähneputzen am Abend. Es ist ein gemeinschaftliches Ereignis. Alle schauen ihn gleichzeitig an und am Tag darauf kann man sich mit den Kolleg*innen bei der Arbeit darüber austauschen. Und es gibt in fast jeder Region in Deutschland ein eigenes Team. Man erfährt also etwas über die jeweiligen Städte, erkennt Ort wieder. Bestes Beispiel natürlich die Wurstbude am Rhein, beim Kölner Tatort...

Wie gehen Sie als Schauspielerin und Zuschauerin mit der Spannung und den Wendungen in einem so nervenaufreibenden Krimi um?
Das ist etwas, was man während den Dreharbeiten nicht so stark wahrnimmt. Da zählt für uns die jeweilige Szene und die Logik der Figuren. Die Spannung des Ganzen entsteht im besten Fall am Ende im Schnitt. In „Das Ende der Nacht“ ist es auf jeden Fall geglückt. Der Film ist wirklich wahnsinnig spannend geworden.

Können Sie uns mehr über Ihre Figur in „Das Ende der Nacht“ erzählen? Was macht Ihre Rolle Besonders?
Pia ist gewissenhaft, loyal, eine Polizistin, die ihren Beruf mit großer Leidenschaft verfolgt, ihm alles unterordnet. Diese Leidenschaft kippt manchmal ins Obsessive, dann vergisst sie alles andere, essen, schlafen, ... Sie hat etwas Heimatloses, Verlorenes, das ich sehr mag.

Gibt es ein bestimmtes Element oder eine Szene in diesem «Tatort», die Ihnen während der Dreharbeiten besonders in Erinnerung geblieben ist?
Es gibt eine Szene, in der Adam und Pia mitten in der Nacht in der Saarbrücker Innenstadt in einem Brunnen tanzen. Diese Szene soll eine hochsommerliche, ausgelassene Atmosphäre haben. In Wirklichkeit war es aber in dieser Nacht kalt und regnerisch und Daniel und ich waren nach dem langen Dreh ziemlich müde... Es ist wirklich erstaunlich, dass man davon im Film nichts mitbekommt.

Sie haben in verschiedenen Genres gearbeitet - vom klassischen Theater bis zur modernen Fernsehserie. Was reizt Sie besonders an der Vielseitigkeit als Schauspielerin und welches Genre gefällt Ihnen am besten?
Ich langweile mich schnell und mag es, mich in meinem Beruf herauszufordern. Die Vielseitigkeit hält mich wach.

Wie versetzen Sie sich in Ihre Figuren? Gibt es eine bestimmte Methode, mit der Sie sich in eine neue Rolle hineinversetzen, sei es auf der Bühne oder vor der Kamera?
Ich arbeite intuitiv und nicht nach einer bestimmten Methode. Manchmal schaue ich mir Filme an oder lese Bücher, um eine Figur für mich anzureichern. Vieles passiert aber bei der Auseinandersetzung mit dem Stück oder dem Drehbuch.

Viele Schauspielerinnen und Schauspieler berichten von Momenten der Herausforderung oder des Zweifels. Gab es solche Momente in Ihrer Karriere und wie sind Sie damit umgegangen?
Zweifeln gehört dazu. Ich glaube, das wird auch nie aufhören. Aber man kann das ja auch positiv sehen und als Motor benutzen. Alles nochmal hinterfragen, wach bleiben, weiter suchen …

Wie fühlt es sich an, dass an einem Tag an dem 26. Januar zwei Werke bei denen Sie beteiligt sind, ihre Premiere feiern und Sie „Tartuffe“ sogar live performen müssen? Wie geht man mit der Nervosität um?
Was den «Tatort» angeht, bin ich nicht besonders aufgeregt. Der ist ja im Kasten, ich habe das Ergebnis schon gesehen, bin zufrieden damit und ändern kann ich sowieso nichts mehr. Im Theater bin ich immer nervös, vor jeder Premiere. Diesmal kommt dazu, dass es ein Neuanfang ist, hier in Wien, auf den ich mich auch enorm freue. Am Ende geht es immer darum, im Moment zu sein und mit den Kolleg*innen ins Spiel zu kommen. Dann entsteht etwas.

Was kommt nach der Doppelpremiere im Januar 2025 auf Sie zu? Welche Projekte oder Rollen möchten Sie in Zukunft noch angehen?
Im Theater bin ich bei dem Regisseur Antú Romero Nunes dabei, der am Burgtheater das Stück 'Herr Puntila und sein Knecht Matti' inszenieren wird. Ja und dann kommt auch schon der nächste Saarbrücker-«Tatort»-Dreh. Es wird also nicht langweilig...

Danke für das Gespräch!
23.01.2025 12:10 Uhr  •  Laura Hollfelder Kurz-URL: qmde.de/158057