Claire Walding: ‚Trump eine polarisierende Persönlichkeit‘

Am Tag der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten strahlt Das Erste eine ausführliche Dokumentation aus. Autorin und Regisseurin Walding erklärt im Interview die Persönlichkeit Donald Trump.

Donald Trump ist ein polarisierender Charakter. Wie sind Sie als Regisseurin mit der Herausforderung umgegangen, die Komplexität seiner Persönlichkeit und seiner Politik im Film zu vermitteln, ohne den Zuschauer in eine bestimmte Richtung zu drängen?
Das Ziel der Dokumentation besteht zum Teil darin, verstehen zu können, was Donald Trump motiviert, was ihn antreibt, seine Psychologie. Daher blicken wir auf seine Kindheit und Erziehung zurück, um Menschen und Ereignisse zu entdecken, die seinen Charakter und seine Einstellung zum Leben geprägt haben. Und es ist eine außergewöhnliche Geschichte, denn Trump ist kein gewöhnlicher Mann. Von seinen gefühlskalten und strengen Eltern bis hin zu seinen Erfahrungen mit Gewalt und Schikanen an einer New Yorker Militärakademie. Und dann zu seiner Karriere als Geschäftsmann, der seine Erfolge stets lautstark verkündet, auch wenn die Fakten bei genauem Hinsehen oft nicht ganz stimmen. Schließlich seine Neuerfindung als Frontmann einer TV-Reality-Show, die ihn zu einer popkulturellen Marke machte. All diese Faktoren nähren sein Selbstbewusstsein, aber auch sein unruhiges und ständiges Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung. Dies wiederum beeinflusst seine politische Entwicklung, die ihren endgültigen Ausdruck in seiner Kandidatur für das US-Präsidentenamt fand. Ohne die erwähnten Hintergründe ist es schwer zu verstehen, was Trump antreibt. Wir wollen das Zuschauerpublikum nicht in eine bestimmte Richtung drängen, sondern ihnen eine Perspektive aufzeigen, aus der sie sich ihr eigenes Urteil bilden können.

Sie haben als Regisseurin bereits an mehreren politischen Dokumentarfilmen gearbeitet, was motiviert Sie, sich auf diese Weise politisch zu engagieren, was ist Ihr Ziel und was wollen Sie beim Zuschauer erreichen?
Ich interessiere mich, ganz altmodisch ausgedrückt, für das Wesen von Menschen und dafür, wie Charakter und Herkunft das Handeln von Personen beeinflussen, welches im Falle von Politiker:innen sowohl durch den Wunsch, Gutes zu tun oder etwas zu bewirken, als auch durch den Durst nach Macht motiviert sein kann. Auf diese Weise beeinflussen Politiker:innen unser aller Leben. Daher halte ich es für hilfreich zu verstehen, „woher sie kommen“. Dieses Projekt soll darüber hinaus einen Beitrag leisten, zu verstehen, wie andere auf die porträtierte Person reagieren – ob sie ihr mit Respekt, Abneigung, Verständnis oder Mitgefühl entgegentreten.

Welche politischen und gesellschaftlichen Themen haben Sie in Ihrem Film als besonders relevant für das Verständnis von Trump als Präsident erachtet?
Donald Trump wurde in dem Glauben erzogen, dass Erfolg und Gewinnermentalität die einzig gangbare Option im Leben sind. Und wie wir aus seiner Reaktion auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 wissen, ist eine Niederlage für ihn ein Fremdwort. So untersuchen wir beispielsweise, wie sich dies in seinem Politikstil, seiner Beziehung zu autoritären Führern und der Kritik an seinen, wie er es sieht, schwächeren Verbündeten niederschlägt. Wir untersuchen auch, wie sich dies auf seine Haltung zu innenpolitischen Themen wie illegale Migration und Fragen von Multikulturalität in den USA auswirkt. Und wie seine politischen Instinkte bei den Wählern ankommen, die ihn vor gut vier Jahren wahrscheinlich für eine zweite Amtszeit gewählt hätten, wäre ihm nicht die Covid-Pandemie in die Quere gekommen.

Gab es während der Produktion des Films Situationen, in denen Sie befürchteten, dass die politische Haltung des Films missverstanden oder als parteiisch wahrgenommen werden könnte?
Wie man weiß, ist Trump eine polarisierende Persönlichkeit. Daher ist es fast unvermeidlich, dass seine Bewunderer sagen werden, wir seien zu kritisch. Zu unserer Verteidigung möchte ich jedoch anführen, dass wir uns nicht nur vorgenommen haben, Trump zu porträtieren, sondern wir zeigen auch auf, wie er „begreift“, was für die Wähler:innen in den USA wichtig ist, wie er Stimmungen einfängt – und schließlich, wie er mit einem großen Teil der Wählerschaft übereinstimmt, die der liberalen Elite des sogenannten politischen Establishments misstraut.

In Dokumentarfilmen und Biografien über politische Persönlichkeiten geht es oft um die Frage von Macht und Verantwortung. Welche Lehren können wir Ihrer Meinung nach aus der Amtszeit von Donald Trump ziehen, insbesondere in Bezug auf die Macht als Präsident?
Demokratien sind vulnerabel. Wir sollten sie nicht als selbstverständlich betrachten. Es bedarf robuster Leitplanken, um zu verhindern, dass sich eine Person, eine Gruppe, eine Partei unkontrollierte Macht aneignet.

Wenn Sie ein Fazit über Donald Trump ziehen müssten, wie würden Sie seine Rolle in der Geschichte der USA bewerten und wie haben Sie versucht, dies in Ihrem Film zu vermitteln?
Um ein Modewort zu bemühen, das immer öfter im politischen Kontext auftritt, würde ich sagen, Trump tritt disruptiv auf. Manchmal ist das gesund, um das politische Milieu neu zu beleben, aber es kann auch schädlich sein. Was in den nächsten vier Jahren passiert, werden zukünftige Historiker und Analysten beurteilen müssen: ob Trump die US-Verfassung beschädigt oder die amerikanische Demokratie auf dem Speer seiner „Make America Great Again“-Agenda aufgespießt hat.

Wie werden sich Ihrer Meinung nach die USA oder sogar die Welt durch Trumps neue Amtszeit verändern?
Anders als in seiner ersten Präsidentschaft wird Trump in seiner zweiten Amtszeit nur von Loyalisten umgeben sein. Und diejenigen, die ihn herausfordern, die ihn kritisieren, werden höchstwahrscheinlich fallen gelassen. Das ist Trumps Vision einer starken Führung, die seiner Meinung nach in seiner ersten Amtszeit vereitelt wurde. Dieses Mal hat er größere Chancen, seine protektionistische, nationalistische Agenda umzusetzen. Zahllose Medienbeiträge werden versuchen, vorherzusagen, was das für die Menschen innerhalb und außerhalb der USA bedeutet. Wie in vorangegangenen Projekten, ist es unsere Absicht, einen Beitrag zum Verständnis Donald Trumps zu liefern, zu verstehen wie er tickt, um etwas klüger als zuvor auf die kommenden Ereignisse rund um seine Person reagieren zu können.

Wie haben die Meinungen und Erfahrungen der Gäste, wie z.B. des SPD-Politikers und ehemaligen Bundesaußenministers Sigmar Gabriel oder des Diplomaten und Nationalen Sicherheitsberaters während der ersten Präsidentschaft Donald Trumps, John Bolten, die Dokumentation beeinflusst, haben Sie durch die anderen Stimmen auch Neues erfahren oder ein anderes Bild von Donald Trump bekommen?
Sigmar Gabriel und John Bolton bekräftigten beide das Bild eines von Launen bestimmten Mannes, der sich um sein eigenes Selbstbild sorgte und mitunter Probleme, mit denen er konfrontiert war, insbesondere geopolitische, nicht wirklich erfasste. Aber dennoch gewinnen wir durch die Gespräche mit anderen Interviewpartner:innen eine Perspektive, die uns hilft zu verstehen, warum ein Mann, der zuvor vor allem als Gesicht einer Reality-Show bekannt war, im Guten wie im Schlechten etwas im amerikanischen Volk angesprochen hat. Etwas, mit dem sie sich die Leute identifizieren können. Vielleicht etwas, das das liberale Establishment, die Washingtoner Elite, wie Trump es gerne formuliert, auf eigene Gefahr ignoriert hat, indem es zuließ, dass ein Populist zum Anführer der freien Welt aufgestiegen ist – nicht nur einmal, sondern zweimal.

Was waren Ihre ersten Eindrücke und Gedanken, als Trump zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde, und wie waren diese Eindrücke und Gedanken beim zweiten Mal, hat sich im Vergleich zum ersten Mal etwas geändert, und wenn ja, was?
Als Trump zum ersten Mal gewählt wurde, war ich überrascht. Aber ich sah es zum Teil auch als Ergebnis einer schwachen Opposition, als eine Ablehnung des Establishments und einer Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die viele Bürgerinnen und Bürger in den USA politisch und emotional nicht erreichen konnte. Wie andere auch, denke ich, dass Trump womöglich selbst überrascht war, Präsident zu sein, ein wenig unsicher und bereit, anderen zuzuhören, auch wenn er mit ihnen nicht einer Meinung war. Dieses Mal, denke ich, ist er wütender, selbstbewusster und entschlossener denn je, den USA seine MAGA-Agenda aufzuzwingen.

Trumps Ziele sind in mancher Hinsicht mit denen der AfD vergleichbar, z.B. in den Bereichen Nationalismus, Migration, EU-Kritik und Populismus, wie stehen Sie deshalb zur AfD, was ist Ihre Meinung zu dieser Partei und im Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen, glauben Sie, dass die AfD, wenn sie gewählt wird, ähnliche Auswirkungen auf Deutschland haben wird wie Trump auf die USA?
Da ich als Britin im Vereinigten Königreich lebe und in Deutschland momentan Wahlkampfzeit ist, sollte man dieser durchaus empfindliche Situation mit Rücksicht begegnen. Daher ziehe ich es vor, hierzu keine Kommentare abzugeben.

Politische Inhalte stoßen oft auf sehr viel Kritik und Hass, haben sie Angst davor, wenn sie solche Werke veröffentlichen oder produzieren? Wie gehen sie mit dem Hass und der Kritik um?
Natürlich bin ich mir bewusst, dass wir bei einer Dokumentation über Donald Trump mit Kritik und Ablehnung konfrontiert werden können. Das bereitet mir gewisse Sorgen. Gerechtfertigte Kritik am Inhalt und an der Präsentation des Projekts ist vollkommen in Ordnung. Aber wenn es sich schlicht um bösartige Kritik, um Voreingenommenheit oder um offensichtliche Unwahrheiten handelt, werde ich versuchen, mich davon zu distanzieren – mich von dem medialen Getöse lösen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Donald Trump – Schicksalsjahre eines Präsidenten» läuft am Montag, den 20. Januar 2025, um 20.15 Uhr im Ersten. Die Doku-Serie ist bereits seit Freitag, den 17. Januar 2025, in der ARD Mediathek abrufbar.
20.01.2025 00:01 Uhr  •  Laura Hollfelder Kurz-URL: qmde.de/158071