Torsten Lenkeit: ‚Jede gute Komödie muss in erster Linie eine Tragödie sein‘
Der Autor von «Einspruch, Schatz!» spricht im Quotenmeter-Interview über die Entstehung der Reihe und warum «Ich heirate eine Familie» eine Vorlage war.
Herr Lenkeit, wie sind Sie auf die Idee für «Einspruch, Schatz!» gekommen, und was hat Sie dazu inspiriert, diese Geschichte zu erzählen?
Ich bin ein großer Fan der Kult-Serie «Ich heirate eine Familie» von Curth Flatow mit Thekla Carola Wied und Peter Weck in den Hauptrollen. Ich war damals vierzehn Jahre alt, als die Serie erschien und sofort verliebt in all die tollen Figuren und den flotten Ton. Zu der Zeit träumte ich noch davon, selbst Schauspieler zu werden und schrieb sogar an Herrn Flatow. Ich machte ihm den Vorschlag, er könne mich doch als neuen Freund von Julia Biedermann in die Serie reinschreiben (was natürlich nicht gelang). Vielleicht waren das meine ersten Schritte, als Autor und Dramaturg zu denken, wie man eine Serie weiterentwickeln kann. Gimmick am Rande: Immerhin habe ich es damals noch zu einer Komparsenrolle bei den Dreharbeiten der Serie gebracht. In jedem Fall hat mich die Idee nicht mehr losgelassen und ich habe überlegt, wie man dieses Patchworkkonstrukt ins Heute transportieren kann. Und so spielt ChrisTine Urspruch nun quasi die Rolle von Peter Weck. Mit dem Unterschied, dass sie zwar den Mann und eine Beziehung mit ihm toll findet, aber sich nicht so sicher ist, ob sie ihn (und damit seine Familie) vom Fleck weg heiraten muss. Da haben sich die Familienmodelle und das Frauenbild in den letzten vierzig Jahren ja durchaus verändert und weiterentwickelt.
Im neuen Film geht es um Machtmissbrauch bei rechtlicher Betreuung. Warum haben Sie sich für dieses ernste Thema entschieden?
In der Recherche für neue „Fälle“ bin ich über mehrere Artikel und Reportagen gestolpert, die über diese Ungerechtigkeit berichtet haben. Die Vorstellung, dass es möglich ist, dass ein rechtlicher Betreuer so eine Macht über das Hab und Gut und die Selbstbestimmung eines anderen Menschen bekommen kann, wenn man keine Vorkehrungen, in Form einer Vorsorgevollmacht, getroffen hat, fand ich überaus erschreckend. Natürlich sind das Einzelfälle und die meisten rechtlichen Betreuer werden ihrer Arbeit gewissenhaft nachgehen, aber dass es eben die Möglichkeit gibt, wenn kriminelle Energie vorhanden ist, sich selbst zu bereichern und das nur sehr schwer nachzuweisen ist, ist auf jeden Fall ein gewisses „Leck“ im System. Aber genauso schwer ist es, sich aus dieser Betreuung wieder heraus zu kämpfen, wenn man sie nicht mehr braucht. Diesen David gegen Goliath Kampf zu erzählen, zwischen Macht und Ohnmacht, fand ich spannend zu erzählen.
Die Mischung aus Humor und ernsten Themen ist ein Markenzeichen der Reihe. Wie gelingt es Ihnen, diese Balance zu finden?
Jede gute Komödie muss in erster Linie eine Tragödie sein. Ich versuche immer, wenn eine Szene besonders dramatisch ist, mit den Dialogen und der Aktion der Darsteller „dagegen zu steuern“. Ich liebe es, wenn die Situation zwar furchtbar ist und man fast weinen will, der Figur Dialoge in den Mund zu legen, über die ich zumindest, lachen kann. Wenn Szenen, aus dem Stand heraus, immer wieder kippen, das macht mir Spaß. Da nehme ich mir englische Sozialdramen oder französische Komödien zum Vorbild.
Eva Schatz ist eine starke, unabhängige Figur. Was macht sie für Sie als Drehbuchautor so besonders?
Besonders ist natürlich, dass ich die Rolle ChrisTine Urspruch auf den Leib schreibe. Dennoch würden die Filme auch mit Veronika Ferres funktionieren, von wenigen Dialogsätzen, die ChrisTines Größe betreffen, mal abgesehen. Mir war es wichtig zu zeigen, dass der Größenunterschied zwischen Eva und Hanno überhaupt keine Rolle spielt. Sie verlieben sich ineinander – Punkt. Das ist kein dramaturgisches, behauptetes Konstrukt, sondern spielt sich im wahren Leben doch auch ständig so ab. Wir können nicht steuern, in wen wir uns verlieben und wir machen unsere Unterschiedlichkeit in einer Beziehung auch nicht ständig zum Thema. Es ist ja eher das Umfeld, das hin und wieder darauf reagiert oder Fragen stellt. So eine Konstellation allerdings am Freitagabend in der ARD-Primetime zu sehen, kommt eher selten vor und ist daher wohl auch besonders. Bei Christoph Pellander (Reaktionsleiter Degeto) rannten wir mit der Idee jedoch offene Türen ein und die Bereitschaft war groß, diese Reihe miteinander anzugehen. Was die Rolle vielleicht auch noch besonders macht, ist, dass Eva Schatz sich in den Wechseljahren befindet. Auch das habe ich noch nicht allzu oft im deutschen Fernsehen gesehen, außer bei Doris Dörries „Klimawechsel“. So ist Eva eine Figur, die als Anwältin wieder Kontrolle in das Leben ihrer Mandanten bringt, aber allzu oft die Kontrolle über ihr eigenes (Gefühls-)leben verliert.
Welche Entwicklung durchläuft Eva in diesem dritten Film, besonders in ihrer Beziehung zu Hanno?
Ähnlich wie Ursula Förster, Evas Mandantin, die ihr Haus verliert, wird Eva, durch einen Waschmaschinenunfall in ihrer Wohnung, vorübergehend in Hannos Haus „gespült“. Das findet vor allem Hannos Tochter Lili nicht berauschend und sie sucht nach Wegen, die Beziehung ihres Vaters zu torpedieren. Das setzt auf der einen Seite Hanno unter Druck, auf der anderen Seite wird Eva klar, wie ihre Zukunft mit Hanno aussehen könnte, sollte sie je bei ihm einziehen.
Jochen Busse spielt Evas Vater und sorgt für viele humorvolle Momente. Schreiben Sie bestimmte Rollen direkt für bestimmte Schauspieler?
Ich habe oft schon beim Schreiben bestimmte Schauspieler im Kopf und hoffe dann, dass die Besetzung auch klappt. Jochen Busse war meine absolute Wunschbesetzung für Werner Schatz. Es macht das Schreiben einer Figur oft einfacher, wenn man den Sprachduktus oder eine bestimmte Fähigkeit oder Besonderheit eines Schauspielers kennt. Dann bekommt die Rolle sofort ein anderes Eigenleben und eine Dynamik. Bei der ersten Leseprobe wurde Jochen Busse gefragt, ob er Fragen zur Rolle habe, daraufhin meinte er: Nee, welche denn? Steht doch schon alles da (im Buch).
Gab es während des Schreibprozesses oder Drehs eine Szene, die Ihnen besonders am Herzen lag?
Im Grunde alle Szenen, in denen Ursula Förster auftaucht, die ganz wunderbar von Steffi Kühnert verkörpert wird. Auch sie hatte ich beim Schreiben schon im Kopf. Diese Figur zu spielen, die aus der Psychiatrie kommt und feststellen muss, dass sie alles verloren hat, war nicht einfach. Aber Steffi hat sich mit so viel menschlicher Wärme und Tiefe durch die Rolle gekämpft, dass ich ihr jede Minute gebannt gefolgt bin. Zwischen Lachen und Weinen.
Der erste Film war ein großer Quotenerfolg. Wie groß war der Druck, eine ebenso erfolgreiche Fortsetzung zu schreiben?
Erfolg oder eine gute Quote ist ja ein Buch mit sieben Siegeln. Niemand weiß, wie man sie erreicht und sie lässt sich nicht wirklich planen. Von daher hat es wenig Sinn, sich selbst im Vorfeld verrückt zu machen. Man versucht eine Geschichte so gut wie möglich zu schreiben und dann muss sie noch so gut wie möglich umgesetzt werden. That´s all!
Gibt es bereits Pläne für weitere Filme mit Eva Schatz? Und wenn ja, können Sie uns einen kleinen Ausblick geben?
Womit wir wieder bei der Quote wären…wenn genug Menschen einschalten, steht weiteren Turbulenzen, rund um Eva Schatz, wahrscheinlich nichts im Wege…
Dann hoffen wir auf rege Zuschauerbeteiligung!
Das Erste strahlt «Einspruch, Schatz!» am Freitag, den 21. März, um 20.15 Uhr aus.