100 Millionen Dollar hat Netflix für einen Totalausfall investiert.

Im Januar 2024 hob ein Film bei Netflix ab, der eigentlich alles hatte, was es für einen rasanten Streaming-Hit braucht: Einen Star wie Kevin Hart, einen routinierten Regisseur wie F. Gary Gray, eine Starbesetzung rund um Gugu Mbatha-Raw, Sam Worthington und Jean Reno, einen Raub in 10.000 Metern Höhe – und ein Produktionsbudget von satten 100 Millionen Dollar. Doch was am Reißbrett noch nach Blockbuster klang, entpuppte sich bei Veröffentlichung als kreative Bruchlandung. «Lift» – ein Film, der nicht nur beim Publikum, sondern auch bei der Kritik hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlug.
Die Handlung von «Lift» ist ein Mix aus altbekannten Heist-Motiven und einem fast schon hanebüchenen Plot, der sich um ein internationales Diebesteam dreht. Angeführt von Cyrus Whitaker (Kevin Hart), plant die Truppe, 500 Millionen Dollar in Gold aus einem Flugzeug zu stehlen – während des Flugs. Die Mission: Den dubiosen Banker Lars Jorgenson (Jean Reno), der mit einer Hackergruppe namens Leviathan einen Börsencrash auslösen will, zu stoppen. Unterstützung bekommt die Truppe dabei von Interpol-Agentin Abby (Gugu Mbatha-Raw), die praktischerweise eine Ex-Affäre von Cyrus ist.
Das Drehbuch von Daniel Kunka wirkt dabei wie eine Collage aus Versatzstücken erfolgreicherer Vorbilder: ein bisschen «Ocean’s Eleven», ein bisschen «Mission: Impossible» und eine Prise «Fast & Furious» – allerdings ohne die Raffinesse, den Humor oder die kreative Handschrift dieser Vorbilder. Stattdessen regiert blanker Aktionismus: Plot-Twists, die keine sind, Dialoge auf Schulaufführungsniveau und Charaktere, deren Tiefe mit einem Pappaufsteller konkurrieren könnte.
Kevin Hart wollte mit *„Lift“* offenbar zeigen, dass er auch in Actionrollen bestehen kann. Doch seine Figur Cyrus bleibt blass, unlustig und emotional unterkühlt. Der Versuch, Hart als charmanten Mastermind à la George Clooney zu inszenieren, scheitert kläglich – nicht zuletzt, weil das Drehbuch ihm weder pointierte Zeilen noch echte Momente bietet. Auch die restliche Besetzung wird unterfordert. Gugu Mbatha-Raw darf zwar ein paar tough klingende Befehle geben, bleibt aber über weite Strecken reine Stichwortgeberin. Jean Reno als Schurke Jorgenson spielt seine Rolle mit einer Mischung aus gelangweilter Routine und unfreiwilliger Komik – eine Karikatur eines Bond-Bösewichts.
Dass «Lift» mit einem Budget von 100 Millionen Dollar produziert wurde, sieht man dem Film nur punktuell an. Zwar gibt es einige solide CGI-Aufnahmen des Flugzeugs in Aktion, doch viele der Sets wirken überraschend generisch. Selbst die große Actionsequenz im Jet wirkt hektisch geschnitten und frei von jeglicher Spannung. Statt eines nervenaufreibenden Thrillers bekommt man ein visuell lauwarmes Produkt, das zwar technisch okay, aber komplett austauschbar ist.
Die Probleme von «Lift» beginnen schon beim Skript. Regisseur F. Gary Gray, der mit Filmen wie «The Italian Job» oder «Straight Outta Compton» bewiesen hat, dass er es besser kann, scheint hier lediglich das Pflichtprogramm abzuspulen. Die Handlung wirkt wie aus einem KI-Generator für Heist-Filme, die Charaktere sind Schablonen, und der Humor zündet nie. Ein Grund für die kreative Leere könnte auch in der Entstehungsgeschichte liegen: Das Projekt wurde 2021 während der Hochphase von Netflix’ Produktionsrausch gekauft – eine Zeit, in der der Streamingdienst viele Projekte auf einmal grünlichtete, ohne immer auf Qualität zu achten.
Kevin Hart dürfte den Flop locker verkraftet haben – mit seinem Produktionsstudio Hartbeat und einer Vielzahl geplanter Comedy-Formate bleibt er eine feste Größe im Netflix-Kosmos. F. Gary Gray hingegen hat sich seitdem eher bedeckt gehalten, neue Projekte wurden bislang nicht angekündigt. Für Jean Reno war der Streifen ein weiterer Tiefpunkt einer Karriere, die seit Jahren von B-Movie-Auftritten dominiert wird. Gugu Mbatha-Raw hingegen hat mit der Marvel-Serie «Loki» wieder mehr Kritikerliebe erfahren.
Netflix konnte sich trotz der schlechten Kritiken zunächst noch mit hohen Abrufzahlen schmücken: Zwischen Januar und Juni 2024 war «Lift» der zweitmeistgesehene Film auf der Plattform – hinter «Damsel». Doch die bloßen Klickzahlen trügen: Der Streamingdienst wird sich künftig gut überlegen müssen, ob Quantität weiter über Qualität gestellt wird.