Die Kritiker: «Mutterglück»

Story:
Joachim Tietze ist überglücklich. Mit der aus Ex-Jugoslawien stammenden Ana und deren kleinem Sohn Nikolas hat der junge Bauer aus dem Hamburger Umland endlich sein privates Glück gefunden. Die beiden heiraten auf Wunsch Anas in Abwesenheit von Freunden und Angehörigen und leben abgeschieden auf Joachims Hof. Als Ana kurz nach der Eheschließung schwanger wird, scheint das Glück der kleinen Familie perfekt. Joachim weiß, dass Ana in der Vergangenheit viel Leid zugestoßen ist - sie hat ihm erzählt, ihr erster Mann und eine kleine Tochter seien bei einem Wohnungsbrand ums Leben gekommen.

Umso größer ist seine und auch ihre Bestürzung, als der kleine Nikolas bald darauf hinter dem Haus beim Angeln ertrinkt. Nach einer Phase der Trauer findet das Paar neue Zuversicht, doch dann treten plötzlich Ungereimtheiten in Anas Darstellung ihrer Vergangenheit zu Tage: Ein Mann taucht auf, der Joachim glaubhaft versichern kann, Anas rechtmäßiger Ehemann und der Vater der toten Tochter zu sein. Irritiert stellt Joachim Ana zur Rede, doch als sie gesteht, die Wohnungsbrandgeschichte zu ihrem Selbstschutz erfunden zu haben, verzeiht er ihr.

Kaum sind der Alltag und die Freude über die baldige Geburt ihres ersten gemeinsamen Kindes zurückgekehrt, gelingt es Anas erstem Mann erneut, Zwietracht zu säen. Nun behauptet er, Ana habe die kleine Tochter und auch Nikolas eigenhändig umgebracht. Joachim stellt sich klar auf Anas Seite, doch im Dorf entstehen Gerüchte und der Dorfpolizist fühlt sich dazu berufen, Ermittlungen gegen Ana einzuleiten. Die Exhumierung der Kinderleichen wird angeordnet. Die inzwischen hochschwangere Ana fühlt sich plötzlich von Feinden umgeben, und obwohl Joachim sich sehr um sie bemüht, reagiert sie auch auf ihn feindselig.

In seiner Verzweiflung holt er sich fachkundigen Rat über psychische Probleme bei Schwangeren - nicht ahnend, dass er die verschlossene Ana damit erst recht gegen sich aufbringt. Zu spät erkennt er, dass Ana aus ihrer Zeit in Ex-Jugoslawien dunkle Geheimnisse mit sich herumträgt und höchst eigenwillige Pfade der Rache und der Selbstverteidigung beschreitet.

Darsteller:
Viktoria Malektorovych («Blue Moon») ist Ana Stefanovic
Jürgen Vogel («TKKG und die rätselhafte Mind-Machine»)ist Joachim Tietze
Kristo Ferkic ist Nikolas
Andreas Schmidt («Das Gespenst von Canterville») ist Körner
Stephan Kampwirth («Drechslers zweite Chance») ist Dorfpolizist Schöps
Nina Petri («Eine Frage des Gewissens») ist Uschi

Kritik:
Zu Beginn erweckt der Film den Eindruck, als handele es sich um eine normale Liebesgeschichte, wie man sie fast täglich im deutschen Fernsehen zu sehen bekommt. Doch wer sich nach wenigen Minuten in der Hoffnung auf einen entspannten Abend ohne Tiefsinn zurücklehnen will, ist bei «Mutterglück» falsch.

Diese Produktion zeigt mit viel Sinn für Feingefühl, wie privates Leben untrennbar mit politischem Geschehen verbunden ist – ohne, dass der Alltag von Soldaten zu sehen oder Schüsse zu hören sind. Vielmehr werden die Folgen des Krieges angesprochen mit dem schwierigen, teilweise traumatisierten Leben nach dem Terror.

Die Darsteller spielen ihre Rollen wirklich hervorragend – allen voran Viktorija Malektorovych, die es schafft, die Rolle der traumatisierten Mutter, die zwischen zwei Welten zu stehen scheint, perfekt zu verkörpern. Auch Jürgen Vogel wirkt während des kompletten Films authentisch. Passend besetzt ist auch die Rolle von Joachims Schwester: Nina Petri überzeugt ebenfalls durch eine sehr gute schauspielerische Leistung. Sie schafft den Spagat zwischen Verständnis und Besorgnis. Heimlicher Star ist jedoch der kleine Kristo Ferkic, der zu Beginn den Sohn mit großem Ausdrucksvermögen spielt.

Positiv hervorzuheben ist zudem die düstere Atmosphäre, die sich durch den kompletten Film zieht. Ständig herrscht eine rätselhafte Stimmung, die das zuerst offenbar friedliche Zusammenleben des Paares stört. Dadurch entsteht ein schiefes Bild, das jedoch für die Handlung extrem wichtig ist. Für weitere Spannung sorgen die Geheimnisse von Ana, die nur sehr spärlich preisgibt, was sie in der Vergangenen erlebt hat. Der Zuschauer erfährt immer nur so viel, wie sie bereit ist, zuzugeben. Dadurch bleibt der Spannungsbogen bis zum Ende erhalten.

«Mutterglück» zeigt deutlich, wieso das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland so wichtig ist. Welche anderen Sender würden sich sonst trauen, eine solche Geschichte zu verfilmen? Daher ist der Film auf jeden Fall zu empfehlen.

Das Erste zeigt «Mutterglück» am Mittwoch, den 18. Oktober 2006 um 20:15 Uhr.
16.10.2006 13:25 Uhr  •  Alexander Krei Kurz-URL: qmde.de/17018