Sonntagsfragen an Guido Reinhardt

Er ist der „Mister Soap“ bei Grundy Ufa. Guido Reinhardt verantwortet als Executive Producer die drei täglichen Serien des Kölner Senders RTL. Quotenmeter.de verriet er, ob er sich um «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» sorgt – außerdem erzählt er, was eine Daily Soap von einer Telenovela lernen kann.

Herr Reinhardt, ganz allgemein gesehen: Wie geht es den Daily Soaps in Deutschland?
Ich würde sagen: Nach wie vor sehr gut. Wenn wir unter Soap tägliche fiktionale Programme verstehen, dann können wir uns mit den aktuellen Zahlen wirklich zufrieden zeigen.

Wie sehr leidet denn jede einzelne Soap darunter, dass es nun eben nicht mehr nur vier tägliche Serien gibt - so wie das jahrelang der Fall war - sondern rund zehn?
Es sind sogar elf neu dazugekommen. Man muss davon ausgehen, dass es aber dennoch nur eine begrenzte Anzahl von Zuschauern gibt, die sich solche Formate überhaupt ansehen. Allein deswegen ergibt sich eine rein arithmetische Verteilung.

Und wie wird es in der Zukunft aussehen? Kann sich diese Vielzahl halten oder sehen Sie das ein oder andere Format eher auf dem TV-Friedhof?
Mit diesen Prognosen bin ich sehr vorsichtig. Ich kann die Situation nur mit dem Zeitraum zwischen 1994 und 1999 vergleichen. Damals gab es fünf neue Soaps, von RTL II, Sat.1 und ProSieben. Von diesen Formaten hat keines überlebt. Lediglich die vier bereits etablierten Serien haben durchgehalten. Wir hatten im letzten Jahr eine Konsolidierung was neue Formate angeht - jetzt wird es natürlich um Verdrängung gehen, das ist logisch. Und da kann es gut sein, dass es noch eine Serie erwischen wird.

Haben Sie da einen Favoriten?
Nein. Aber ich denke, man sieht, dass sich Formate, die später gestartet sind, sehr schwer tun. Diese haben dann von Anfang an eine geringere Chance.

Was fasziniert die Menschen so an täglichen Serien?
Da hat sich in den 15 Jahren wenig geändert. Es ist das Mitfiebern und Mitleben mit den Figuren. Die Figuren begleiten die Menschen, sie werden fast so etwas wie Freunde - das ist ein bisschen eine Ersatzfamilie.

Wie nah muss man sich an der Realität bewegen, damit so etwas funktioniert?
Man muss sich schon daran bewegen, aber kein genaues Abbild schaffen. Es wird also immer eine Art Überhöhung geben. Aber natürlich orientiert man sich an gesellschaftlichen Strömungen - das passiert aber bei jedem Produkt, auch außerhalb der Medienwelt. Wir versuchen, die Träume, die Wünsche, die Ängste der Menschen zu erfassen. Genau diese Emotionen verändern sich natürlich in einem Zeitraum von über 15 Jahren.

Wie stehen Sie zum Genre Telenovela? Sind diese Formate nicht auch ziemlich "soapig" geworden?
Das ist eine Definitionsfrage. Was versteht man unter Telenovela, was unter Soap? Wenn Sie genau hinsehen, dann ist die Erzählstruktur dessen, was man erzählt, relativ ähnlich. Der Unterschied ist: Die Telenovela ist per Definition endlich - so wie sie auch bei uns auf den Markt gekommen ist. «Bianca» endete nach einem Jahr. Eine Telenovela hat einen klaren Aufhänger - die Zuschauer haben eine Happy End-Garantie, das Versprechen, und bis es soweit kommt, muss das Traumpaar viele schwere Aufgaben bewältigen.

In Deutschland haben wir aber einen Markt, der in der vergangenen Zeit durch lang laufende Serien geprägt war. Dieses klare Versprechen war etwas komplett Neues für den Zuschauer. Dass man nach einem Jahr dieses Traumpaar dann endlich vereint sehen kann, hat vermutlich die Faszination ausgemacht. Ich sage bewusst ausgemacht, denn auch hier gab es viele Nachfolgeformate, die nicht so gut funktionierten. Ebenso wurden brilliant laufende Formate über das "Happy End" hinaus verlängert, dass hat der Zuschauer nicht angenommen - siehe «VIB».

Also eine Fehlentscheidung.?
Naja, die lieb gewonnene Figur der Lisa Plenske war halt weg. Das ist die Schwierigkeit. Das hat nichts mit den Machern oder mit den Geschichten zu tun - denn ich glaube, dass die Serie auch heute noch sehr schön anzusehen ist.

Würden Sie als Sat.1-Chef auf diesem Sendeplatz noch eine weitere tägliche Serie starten?
Da sind Sie bei mir an der falschen Stelle. Ich bin aber der Meinung, dass gute Geschichten immer funktionieren, auch wenn sich deutsche Formate derzeit - vor allem in der Primetime - sehr schwer tun.

Konnten Sie vom Genre Telenovela etwas lernen, dass Sie nun auch bei Ihren Daily Soaps verwenden?
Man konnte lernen, dass es den Zuschauern heute nicht mehr genügt, wenn man ihnen einfach ein Ensemble darbietet und verlangt, dass der Zuseher diese schnell lieb gewinnen soll. Man muss ihnen mehr bieten - sozusagen ein zusätzliches Rahmenversprechen.

Gibt es für Sie denn Tabuthemen?
Grundsätzlich nicht. Dort wo Moral verletzt wird, fangen Tabus eigentlich an. Wir wollen allerdings nicht, dass wir unserem Publikum einen moralischen Zeigefinger vorhalten und sagen, dass man von uns etwas Spezielles lernen soll. Unsere Aufgabe ist es, den Zuschauern spannende Geschichten zu präsentieren, Geschichten, die das Publikum sehen möchte. Ohnehin finde ich, dass man den Zuseher viel zu wenig fragt, was ihn eigentlich interessiert.

Kommen wir zu «GZSZ». Es gab Zeiten, da holte die Soap 25 Prozent Marktanteil, Anfang des Jahres lag man in der Regel bei über 20 Prozent. Nun sind es oftmals nicht einmal mehr 19 Prozent. Macht Ihnen dieser Schwund Sorgen?
Ich mache mir keine Sorgen, ich beschäftige mich damit. Das war aber schon immer so, denn dieses Prachtstück läuft seit ganzen 15 Jahren. Weil wir ständig daran arbeiten, sind wir eben immer noch auf dem Schirm. «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» ist auch aktuell mit Abstand Marktführer, deswegen sehe ich keinen Grund zur Sorge - und wir werden auch Marktführer bleiben, das ist klar. Dennoch arbeiten wir derzeit an Ansätzen, die helfen sollen, wieder mehr Menschen für das Format zu begeistern. Diese Ansätze werden dafür sorgen, dass wir auch in zehn Jahren noch produzieren werden.

Klingt nach großen Plänen. Gehen Sie doch einmal etwas mehr ins Detail...
Es handelt sich hier um Veränderungen im Cast und um Charakterschärfungen. Wir fragen uns: Sind die Figuren noch so, wie wir sie uns eigentlich wünschen? Auch werden wir wieder mehr Trends sowohl aufnehmen als auch setzen.

Aber - um beim Thema Marktführer zu bleiben: «Das perfekte Dinner», das etwa 12 Minuten parallel zu Ihnen läuft, kommt Ihnen hin und wieder schon nahe.
Momentan laufen unheimlich viele tägliche Serien im deutschen Fernsehen. Da kann es schon einmal vorkommen, dass solche Formate ebenfalls großen Zuspruch finden. Allerdings sprechen wir dann wohl eher von einzelnen Tagen. Der Zuschauer wählt viel spontaner sein individuelles tägliches Programm aus. Einen Tag guckt er nur «Sturm der Liebe», dann darf man mal «Alles was zählt» nicht verpassen und an einem anderen Tag schaut er möglicherweise gleich vier tägliche Serien.

Veränderungen im Cast sind wichtig - dennoch stieß zum Beispiel der Rauswurf der Figuren Senta und Hannes auf harsche Kritik. Es hieß, sie mussten gehen, weil sie zu alt sind. Bereuen sie diese Entscheidung?
Zunächst einmal: Sie mussten nicht gehen, weil sie zu alt waren. Es hatte etwas damit zu tun, wie sie im Ensemble mit ihrer Familienstruktur verhaftet waren. Da kann weder ich, noch der Sender noch die Schauspieler etwas dafür - im Gegenteil: Wir haben uns mit beiden super verstanden. Ihre Charaktere waren dann aber auserzählt.

Fakt ist aber, dass es heftige Kritik gab.
Diese Reaktion gibt es seit 15 Jahren bei jedem, der uns verlässt und einige Zeit mit dabei war. Wenn wir dem nachgeben müssten, dann könnten wir uns nicht weiterentwickeln. Hätten wir heute noch den Cast von vor zehn Jahren, dann würde es uns möglicherweise gar nicht mehr geben. Die Kritik wurde zudem entfacht, weil die beiden auf sehr spektakuläre Weise ausgeschieden sind. Da lag eine große Aufmerksamkeit darauf, aber ich glaube, es war der richtige Weg, die beiden so gehen zu lassen, wie sie gegangen sind - aus dramaturgischer Sicht in jedem Fall. Soaps haben immer schon Charaktere "entsorgt", in dem sie sie in die gesamte Welt geschickt haben oder sie eben sterben ließen.

Seit rund einem Jahr benutzen Sie auch eine eigens gebaute Straße, die das Leben in der «GZSZ»-Welt noch echter wirken lassen soll. Wie bewährt sich dieses besondere Set im Alltag?
Hervorragend. Eine kleine Schwester gibt es auch bei «Unter Uns». Bei «GZSZ» haben wir eine andere Dimension, auch weil das Format in Berlin verortet ist. Wir profitieren vor allem bei der Logistik, weil die Straße direkt gegenüber unseres Studios liegt. Für uns war es wichtig, dass die Straße zur Großstadt Berlin passt und dass man einen Teil dieser Metropole darin auch erkennt.

«Unter Uns» schlägt sich nach wie vor super. Und das, obwohl das Vorprogramm mit der «Ahornallee» bis vor wenigen Tagen sehr zu wünschen übrig ließ. Macht Sie das stolz?
Natürlich. Da steht ein Team, dass unter den anderen Formaten in der letzten Zeit ebenfalls zu leiden hatte. Auch hier haben wir gearbeitet, haben Neuerungen vorgenommen und sind nun wieder erfolgreich wie eh und je. Ich bin unglaublich stolz auf das Team.

Aber Sie würden sich sicherlich auch ein stärkeres Lead-In wünschen?!
Naja, so lange wir unser Niveau so halten, ist mir eigentlich alles recht. Es gab aber sicherlich Zeiten, in denen der Audience Flow besser funktioniert hat. Und das wünschen wir uns jetzt natürlich auch wieder.

Im zweiten Teil, der in der kommenden Woche erscheint, verrät Guido Reinhardt, welche Pläne er mit «Alles was zählt» hat und warum auch «Verbotene Liebe» so erfolgreich ist.
24.06.2007 09:48 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/20747