Riedners Filme: «Maria voll der Gnade»

Die neue Reihe von Quotenmeter.de-Chefredakteur Fabian Riedner präsentiert außergewöhnlich gute und abnorme Spielfilme. Egal ob großer Hollywoodblockbuster, Eigenproduktion eines Fernsehsenders oder Nischenfilm in den Kinos, «Riedners Filme» stellt Produktionen vor, die man kennen sollte.

Die 17-Jährige María Álvarez (Catalina Sandino Moreno, «Die Liebe in den Zeiten der Cholera») lebt in einer Kleinstadt in Kolumbien, dort arbeitet sie in einer Rosenplantage. In ihrem Job muss sie den ganzen Tag stehen und Rosen von Dornen und Ästen befreien. Wenn María auf Toilette möchte, ist es notwendig, den Chef um Erlaubnis zu bitten. Als sie eines Tages wieder dem Zeitplan hinterher hängt und eine kurze Pause einlegen will, verweigert er Marías Wunsch. Sie übergibt sich auf den Rosen und stellt fest, dass sie schwanger ist, denn sie ist mit ihrer Periode schon zwei Monate überfällig. Ihr Vorgesetzter gibt ihr die Aufgabe, die vollgebrochenen Rosen zu säubern und anschließend ihre versäumte Arbeit nachzuholen. Da María sich nicht - wie ihre Kollegen - alles gefallen lässt, kündigt sie.

Ihr Freund Juan (Wilson Guerrero) möchte sie heiraten und bittet sie, bei ihm einzuziehen. Doch María stellt fest, dass sie den Vater ihres Kindes nicht liebt und trennt sich von ihm. Sie beschließt ein neues Leben zu beginnen und sucht bei einer Freundin in Bogotá Unterkunft. Dort kommt sie niemals an, denn ihr neuer Bekannter Franklin (John Alex Toro) unterbreitet ihr den Vorschlag als Maultier zu arbeiten. Sie soll in ihrem Magen Drogen von Kolumbien nach New York transportieren, doch schon mit dem Schlucken der Päckchen hat María Probleme.

Die triste Heimat gibt ihr den Mut und Antrieb, ihre eigene Scheu zu überwinden und in die Vereinigten Staaten zu fliegen. Mit 62 Drogen-Päckchen im Bauch und zwei Freundinnen kommt sie in New York City an. Dort werden die Kuriere bereits empfangen und in ein kleines Hotelzimmer verschleppt, wo diese auf die Ausscheidung der Drogen warten. Doch es kommt zu Komplikationen und die Frauen fühlen sich nicht mehr sicher. Über 95 Minuten erstreckt sich eine Geschichte, die die Flucht aus der Heimat erzählt.




Drehbuchautor und Regisseur Joshua Marston, der schon eine Episode für «Six Feet Under» schrieb und sich für «Bus to Queens» verantwortlich zeigte, wurde für «Maria voll der Gnade» mit Preisen überschüttet. Der im Jahre 2004 entstandene Film war bei der Berlinale für den Goldenen Bären nominiert, Hauptdarstellerin Catalina Sandino Moreno nahm den Silbernen Bären mit nach Hause. Des Weiteren folgten eine Oscar-Nominierung sowie viele andere Auszeichnungen – etwa eine beim Europäischen Filmpreis.

Interessant ist die Ausstattung der drei unterschiedlichen Handlungsorte. Während die Straßen des kleinen kolumbianischen Nests leer sind, aber eine freundschaftliche Atmosphäre und Wärme vermitteln, ist New York groß, voll und kalt. Bogotá ist zwar auch lebhaft, versprüht aber mehr Wärme als die amerikanische Großstadt.

Die Geschichte der María überzeugt in jedem Fall, denn Marston gelingt es perfekt, dem Film eine spannende Note zu geben. Der pessimistische Zuschauer glaubt zunächst, dass der Hauptcharakter an einem geplatzten Drogenpäckchen im Magen stirbt, doch er wird enttäuscht. Ebenso wie der optimistische Zuschauer, der denkt, dass das Mädchen ihr Glück findet. Ob María Álvarez zurück nach Kolumbien fliegt oder in den Vereinigten Staaten bleibt, wird nicht verraten. Nur so viel: Ihre Entscheidung hängt davon ab, was das Beste für ihr zukünftiges Kind ist.

Obwohl «Maria voll der Gnade» zu den hochwertigen HBO-Produktionen gehört, die sogar ins Kino kamen, ist der Film weitgehend unbekannt. Dennoch gehört er zu der Gruppe von Filmen, die man unbedingt gesehen haben sollte.
28.06.2007 10:54 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/20822