Sonntagsfragen an Dieter Gruschwitz
Fußball-EM 2008, Fußball-Bundesliga und die Tour de France – sportlich ist derzeit viel geboten. Daher war es an der Zeit den ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz zu Wort kommen zu lassen. Manuel Weis sprach mit ihm über aktuelle Themen.
Sie haben vor einigen Wochen fast alle Spiele der Fußball-EM 2008 erworben. Gemeinsam mit der ARD werden Sie 27 von 31 Spielen zeigen. Sie betonten aber stets auch, dass die Zeit nun knapp werden würde, weil die Vorbereitungen für solch ein Event eigentlich länger dauern als nur elf Monate.
In der Tat ist der redaktionelle Vorlauf nun sehr knapp. Bislang haben wir mit unseren Übertragungen stets Zeichen gesetzt, das haben wir uns auch für kommendes Jahr vorgenommen. Das ZDF wird sich wieder mit den Besten messen lassen. Ich denke, es wird schwer, die Übertragungen während der WM 2006 zu übertreffen, aber wir haben da einige Ideen, wie wir es vielleicht doch schaffen.
Man hört, Sie wollen sogar wieder eine kleine ZDF-Fußballarena aufbauen…
Richtig, ja. Wir stehen in Kontakt mit der Seebühne in Bregenz – da haben bereits erste Gespräche stattgefunden. Sicher ist es noch nicht, dass wir von dort aus senden, aber das wäre eine Örtlichkeit, die eine ganz besondere Atmosphäre verspricht.
Sie sind ja an dem großen Erfolg und am großen Kritiker-Lob der WM-Übertragungen nicht ganz unbeteiligt, Sie haben das Team zusammengestellt, waren für die Redaktion verantwortlich. Wie stolz sind Sie denn jetzt ein Jahr nach der WM?
Ach wissen Sie, stolz. Stolz? Ich habe meinen Job gemacht – nicht mehr und nicht weniger. Ich werde doch dafür bezahlt, die bestmögliche Arbeit zu leisten. Man erwartet das von mir (lacht). Die WM 2006 war das größte Sportereignis, das es im ZDF auf absehbare Zeit gegeben hat. Deswegen war mir von Anfang an klar, dass wir neue und vor allem richtig gute Ideen brauchen. Letztlich gebührt das Lob vor allem auch den Menschen, die die Sendungen gemacht haben – und natürlich auch dem Team im Hintergrund.
Ich gehe davon aus, dass Sie Ihr Fußball-Team nicht auswechseln werden… Oder gibt es doch einzelne Stellen, an denen Sie „rotieren“ werden?
Nein, ich gehe nicht davon aus, dass es Auswechslungen gibt.
Nicht ganz so gut sieht es aus, wenn wir über das «Sportstudio» reden. Am Samstagabend holt das Flaggschiff des ZDF-Sports schon länger keine wirklich erfreulichen Quoten mehr. Was muss passieren, um die Sendung wieder auf Vordermann zu bringen?
Wir sollten hierüber etwas ausführlicher sprechen. Das «Sportstudio» befindet sich in einem viel schwierigerem Programmumfeld als noch vor vier oder fünf Jahren. Gerade die privaten Sender machen uns mit ihren recht guten Shows doch ziemlich zu schaffen. Und dann kommt es nicht selten vor, dass die ARD parallel zu uns einen spannenden Boxkampf überträgt. Dass wir somit keine wahren Wunder vollbringen können, ist klar.
Das «Sportstudio» hat eine treue Gesamtzuschauerschaft, die wir weiterhin pflegen müssen. Aber wir müssen auch ganz klar sagen, dass wir auf Grund der allgemeinen Wettbewerbslage nicht fähig sind, im Schnitt drei oder vier Millionen Menschen zum «Sportstudio» zu locken. Unser Ziel ist daher folgendes: Mit Qualität überzeugen und die Zuseher, die wir momentan haben, zufrieden zu stellen und zu halten. Vielleicht kann man dann ja den ein oder anderen noch hinzugewinnen.
Bevor Sie Sportchef wurden, kam die Sendung oftmals erst um 23.00 Uhr. Sie waren für eine Verlegung auf einen früheren Sendeplatz. Stehen Sie dazu noch immer?
Auf jeden Fall. Wir werden an diesem Modell festhalten. Es gab zu dieser Zeit viele Zuschauerzuschriften, die uns mitgeteilt haben, dass ihnen ein «Sportstudio» um 23.00 Uhr doch zu spät ist. An Bundesliga-Tagen starten wir nach dem «heute-journal», nur wenn wir keinen Fußball im Programm haben, kann es sein, dass es erst um 23.00 Uhr losgeht.
Es ist noch ein bisschen hin, bis die aktuellen Verträge zu den Bundesligarechten auslaufen. Die Ausschreibung für die Rechte ab 2009 beginnt auch schon demnächst. Man hört nun, Premiere bevorzugt das Modell, die Free-TV-Erstausstrahlung erst ab 22.00 Uhr zu ermöglichen. Das wäre entweder das Ende des «Sportstudios» oder eben der richtig große Wurf für Sie.
Wissen Sie, Herr Weis, wir können jetzt da lange spekulieren. Ich möchte mir aber eigentlich lieber erst einmal ansehen, welche Pakete die DFL überhaupt anbietet. Derartige Ankündigungen von Premiere haben wir in der Vergangenheit aber bereits zur Genüge gehört.
Würden Sie an dem momentanen Modell festhalten wollen?
Das ist das Modell, das wir schon seit Jahren praktizieren. Also warum nicht?
Sie haben vor einiger Zeit ein komplett neues Design bei den Sportsendungen eingeführt – wie kommt das nach der ersten Eingewöhnungsphase beim Publikum an?
Wir hatten eigentlich durchweg positive Reaktionen, was mich sehr freut.
Durchweg positive Reaktionen bekommen Sie auch bezüglich Katrin Müller-Hohenstein. Wieso ist sie nur so selten im ZDF zu sehen?
Wir haben schon damals überlegt, als sie mit dem «aktuellen Sportstudio» anfing, ob wir sie für weitere Sendungen einspannen könnten. Aber Katrin Müller-Hohenstein hatte zuvor nie Fernsehen gemacht…
…sie war nur im Radio zu hören…
…und deswegen wussten wir nicht, ob ihr der Wechsel so leicht fällt. Dass sie nicht so viele Sendungen bei uns hatte, hing im Übrigen auch mit ihrer sonstigen beruflichen und privaten Situation zusammen. Aber wir waren immer der Meinung, dass die Zusammenarbeit ausbaufähig ist, wenn sie sich wohl fühlt und auch wir zufrieden sind.
Wie sieht es denn konkret aus? Fußball-EM und Olympia geistern als Tätigkeitsfelder für sie in den Medien herum.
Konkret sieht es so aus, dass sie das Interesse hätte, mehr für das ZDF zu machen. Wir überlegen daher derzeit, welche Betätigungsfelder wir ihr anbieten können. Die Olympischen Spiele und auch die Fußball-EM oder –WM sind Möglichkeiten, sie dort als Reporterin einzusetzen. Auch andere Modelle sind denkbar.
Auch in den «heute»-Nachrichten?
Wie gesagt: Da ist vieles möglich.
Wo wir beim nächsten Thema sind. Vor ein paar Wochen stand Kristin Otto unter Beschuss, sie soll angeblich gedopt haben zu ihrer aktiven Zeit als Sportlerin. Stehen Sie weiterhin hinter ihr und gibt es neue Erkenntnisse?
Es gibt keine neuen Erkenntnisse und keine Konsequenzen. All das, was jetzt hochgekommen ist, kommt regelmäßig im Abstand von einem bis zwei Jahren hoch. Kristin Otto hat sich dazu erklärt und damit ist das Thema für mich gegessen.
Doping ist gerade im Radsport ein heikles Thema. Sie werden dennoch im Juli 2007 die Tour de France zeigen – viele Stunden Live-Berichterstattung steht an. Ist das eigentlich gut, dass dieser Sport noch so präsent ist oder sollte man ihn nicht eher mit „Nicht-Beachtung“ bestrafen?
Wen wollen Sie damit bestrafen? Etwa die Zuschauer, die das gerne sehen? Wir haben uns in der vergangenen Saison mit den Fahrern und Rennställen zusammengesetzt und haben gesagt, dass wir sichtbare Zeichen brauchen – Veränderungen eben. Wir glauben, dass sich in der Zwischenzeit Einiges getan hat. Die Enthüllungen und die Geständnisse sind ja ein Ausfluss dessen. Wir haben unheimlichen Druck auf die Veranstalter ausgeübt – wir haben gesagt: Wenn nichts passiert, dann steigen wir aus der Berichterstattung aus.
Für uns ist besonders wichtig: Es ist nun ein verändertes Bewusstsein bei den Funktionären und Radfahrern vorhanden. In genau dieser Phase jetzt auszusteigen, wäre unserer Meinung nach falsch. Wir möchten an unserem kritischen, distanzierten Journalismus festhalten. Würden wir die Tour de France aber komplett aus dem Programm verbannen, dann würden wir auch ein Druckmittel aus der Hand geben. Und das wäre für den Sport sicherlich nicht gut. Wir dürfen vor der Seuche Doping einfach nicht kapitulieren.
In der kommenden Woche dreht sich das Gespräch um Handball und Boxen.