Die Kritiker: «Lutter: Blutsbande»

Story
Nur Augenblicke nachdem der Essener Bauunternehmer Rudi Kampschulte in den Wagen seines Bruders gestiegen ist, explodiert ein ferngezündeter Amateur-Sprengsatz unter dem Auto und tötet den Fahrer.

Lutters Ermittlungen konzentrieren sich zunächst auf Kampschultes Umfeld, die Witwe Angela und den ebenfalls in der Familienvilla wohnenden Bruder des Toten, Peter Kampschulte. Der behauptet, der Anschlag habe eigentlich ihm gegolten und versucht, Lutters Aufmerksamkeit auf einen unzufriedenen Hauseigentümer namens Ernst Fichte zu lenken. Mit Kampschultes Firma liegt Fichte in einem erbitterten Rechtsstreit um ein Haus, das einem neuen Gewerbepark weichen soll.

Lutter geht der Sache nach, kommt aber zu einem ganz anderen Schluss: Dass Peter Kampschulte ein ziemlich skrupelloser Geschäftemacher ist, der seinen Bruder Rudi offenkundig nur als Marionette gebraucht hatte, um sein eigenes Baugeschäft nach einem Jahre zurückliegenden Bankrott unter neuer Flagge weiterzuführen.

Darsteller
Joachim Król («Lautlos») ist Lutter
Matthias Koeberlin («Prono!Melo!Drama!») ist Michael Engels
Thomas Meinhardt («Tohuwabohu») ist Dr. Schneider
Sascha Ö. Soydan («Alles Bob!») ist Jale Deniz
Jochen Nickel («Schindlers Liste») ist Sunny Schwecke
Martin Lindow («Rennschwein Rudi Rüssel») ist Ernst Fichte
Maja Maranow («Ein starkes Team») ist Angela Kampschulte
Michael Brandner («Ossi’s Eleven») ist Peter Kampschulte
Alice Dwyer («Die Tränen meiner Mutter») ist Evelyn Fichte

Kritik
Die neue Folge von «Lutter» funktioniert in ihrer Essenz; dennoch gibt es einige Probleme. Der Mordfall an sich ist nichts wirklich Spektakuläres; schließlich hat jeder Fernsehzuschauer schon einmal ein Auto in die Luft fliegen sehen. Was „Blutsbande“ aber besonders macht, ist die Figur des Ernst Fichte (brillant inszeniert von Martin Lindow) und wie er in die Aufklärung des Mordes miteinbezogen wird. Fichte ist die stärkste Figur des ganzen Filmes und insgesamt wohl als eine der interessantesten deutschen Fernsehfiguren der letzten Jahre einzuordnen. Jenseits der Handlungsebene weist dieser Charakter nämlich noch eine philosophisch und psychologisch höchst interessante Dimension auf. Die Komposition aus diesen drei Ebenen ergibt schließlich diese komplexe Figur. Es ist außerordentlich spannend zu sehen, wie Fichte von derartiger Beschaffenheit in dieser Extremsituation agiert und reagiert; Fichtes Handeln ist stets glaubwürdig.

Problematisch ist daran leider, dass der Handlungsstrang um Fichte lediglich ein Sub-Plot ist, der von dem eher uninteressanten und wenig originellen Main-Plot (der Aufklärung des Mordfalls) abhängt. Die interessantere der beiden Handlungslinien nimmt also eine untergeordnete Position ein. Da es sich um eine Krimireihe handelt, die sich um den Ermittler Lutter dreht, ist dies zwar nachvollziehbar; aber dennoch bedauerlich. Denn die Figur Lutter kann Ernst Fichte beziehungsweise dessen Darsteller Lindow nicht das Wasser reichen.

Leider neigen die Autoren von „Blutsbande“ dazu, Dinge, die auch visuell hätten dargestellt werden können, in Dialogen zu offenbaren. Besonders deutlich wird das in der Szene, in der Lutters befreundeter Barbesitzer von der Beerdigung seines Vaters, die unfreiwillig komisch ausgefallen ist, erzählt. Um einiges komischer wäre es natürlich gewesen, wenn man als Zuschauer die Chance gehabt hätte, live dabei zu sein. Das ist einer der größten Patzer, dem einen Drehbuchautor passieren kann. Die Dialoge sind insgesamt recht passabel geschrieben, doch herausragende Stellen sucht man vergebens.

Insgesamt liegt der neuen Folge von «Lutter» daher eine sehr gute, außergewöhnliche Idee zu Grunde, wobei allerdings der Krimispaß durch einige dramaturgische Fehler spürbar gedämpft ist.

Die neue Folge von «Lutter» strahlt das ZDF am Samstag, den 12. April 2008, um 20.15 Uhr aus.
10.04.2008 12:20 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/26556