Sonntagsfragen an Marietta Slomka

Die ZDF-Moderatorin sprach mit Quotenmeter.de über ihre Erlebnisse und Ereignisse auf der China-Reise, von der in der kommenden Woche ausführliche Beiträge im «heute-journal» laufen. Außerdem: „Stimmungskiller «heute-journal»“ in den Halbzeitpausen bei der Europameisterschaft? Marietta Slomka äußert sich dazu.

Frau Slomka, Sie waren in China – haben Peking erlebt und Ihre Eindrücke gesammelt. Vorneweg: Wie anders ist China? Wie anders sind die Menschen?
Wie heißt es so schön? „Andere Länder, andere Sitten“! China ist nicht nur von der geografischen Distanz her eine Fernreise, sondern in jeder Hinsicht eine ganz andere Kulturwelt, die schwer zu „lesen“, also zu durchschauen ist. Innerhalb Europas tut man sich da sicher leichter. Aber am Ende des Tages sind wir alle Menschen und man merkt auch in China sehr schnell, ob einem ein Mensch sympathisch ist oder nicht…

Während Ihrer Zeit dort haben Sie auch die Schulbank gedrückt – welche Unterschiede gibt es im Vergleich zu deutschen Schulen.
An Chinas Schulen herrscht nach wie vor Drill und absolute Disziplin. Widerworte zu geben oder gar Schulschwänzen, Raufen auf dem Schulhof, Wände beschmieren und ähnliches: undenkbar! Aber die chinesischen Schüler sind auch nicht einfach nur Marionetten, die brav tun was man ihnen sagt. Sondern genauso individuelle Persönlichkeiten wie deutsche Kinder.

Angesprochen werden muss sicherlich der Leistungsdruck, der in China in allen beruflichen Lagen – und somit auch in der Schule – recht hoch ist. Wie empfanden Sie den?
Der ist sogar sehr groß, zumal auf den chinesischen Einzelkindern (wegen der strikten Ein-Kind-Politik) noch ein ganz besonderer Druck liegt… Viele Eltern bringen große Opfer, um ihre Kinder auf gute Schulen schicken zu können. Die Kinder wissen, dass sich alle Erwartungen auf sie richten und sie arbeiten extrem hart. Freizeit findet praktisch nicht statt, und wer nicht von klein auf sehr fleißig ist und Prüfungen mit den richtigen Noten absolviert, hat später keine Chance zu studieren und gut bezahlte Jobs zu bekommen. Im Prinzip geht der Leistungsdruck schon im Kindergarten los.

Nicht umsonst gibt es für den Tod durch Überarbeitung in China sogar ein eigenes Wort – Karoshi. Dennoch achten die Chinesen auf Ihre Gesundheit. Wie passt das zusammen?
Kaoshi ist ein japanisches Wort, kein chinesisches…und die beiden Kulturen sollte man auch nicht verwechseln. Das „Sich-zu-Tode-zu-arbeiten“ oder der „Ehren-Selbstmord“ ist, so viel ich weiß, keine chinesische Tradition und ich bin damit auch nicht konfrontiert worden. Richtig ist aber, dass die Chinesen sehr hart im nehmen und sehr fleißig sind.

Wie ist es um die Meinungsfreiheit in China bestellt?
Meinungsfreiheit in unserem Sinne gibt es nicht. Das würde ja voraussetzen, dass man abweichende Meinungen ebenso akzeptiert wie konkurrierende politischen Parteien oder Ideen. Im chinesischen System unkdenkbar, trotz wirtschaftlicher Freiheiten. Wer den Mund zu weit aufmacht, landet schnell im Gefängnis, wie zuletzt z.B. der Menschenrechtler Hu Jia, nur weil er ausländischen Medien kritische Interviews gab. Ich selbst bin mit meinem Kamerateam von der chinesischen Stasi behindert und festgehalten worden, als wir uns politisch heiklen Themen zuwandten. Trotzdem muss man sagen, dass sich in China in den vergangenen zwanzig Jahren auch sehr viel verändert hat. Die junge Generation hat heute Freiheiten, die früher absolut undenkbar gewesen wären. Denken Sie nur daran, daß während der Kulturrevolution noch nicht mal Lippenstift oder bunte Kleidung erlaubt war und die Stadtjugend zur Zwangsarbeit aufs Land geschickt wurde. Kontakte mit Ausländern waren auch verboten. Heute tanzt sich Pekings Generation X die Nächte um die Ohren in sehr hippen, westlichen Diskos und Bars und mischt sich dort auch ganz locker mit westlichen Ausländern. Ich bin zum Beispiel mit einer Punkrockerin durch Pekings Nachtleben gezogen. Solange man nicht politisch aufmüpfig wird, hat man in China durchaus Freiheiten, in der Wirtschaft und im Kunst- und Kulturbereich.

Sie zeigen kurze Beiträge in der kommenden Woche im „heute-journal“, der eigentliche Film wird Anfang August um 00.30 Uhr gesendet. Eine meiner Meinung nach unmögliche Sendezeit. Haben Sie sich auch geärgert?
Nein, gar nicht, denn das haben Sie missverstanden…. Die „kurzen“ Filme sind gar nicht so kurz, sondern mit teils sieben Minuten mehr als doppelt so lang wie normale «heute journal»-Beiträge. Solche Reportagen zur allerfeinsten Primetime eine Woche lang täglich im «heute-journal» zeigen zu können ist großartig und genau dafür habe ich sie auch produziert! Die lange Doku am 6. August um 0.30 Uhr ist zwar nicht einfach nur eine Wiederholung, sie zeigt aber viel Material, das vorher schon im heute-journal zu sehen war. Allerdings schaut ja nicht jeder Zuschauer täglich das «heute-journal», im August hat er also die Gelegenheit, sich die ganzen Geschichten plus einige neue kompakt in 40 Minuten anzusehen. Und natürlich wird meine China-Reise ab nächster Woche auch im Internet begleitet, unter heute.de, mit meinem persönlichen Fotoalbum, Videos und zusätzlichen Infos.

Wenn Sie nicht in China sind, moderieren Sie das «heute-journal», dem es in den vergangenen Wochen – Fußball-EM sei Dank – quotentechnisch prima ging. Aber das ist ein gewisser Spagat: Fußballfans empfanden die Nachrichten teilweise als Stimmungskiller…
Also, ich werde mich jetzt nicht dafür entschuldigen, dass wir Nachrichten senden, weil sich die Welt auch neben dem Fußball noch weiterdreht! Das «heute-journal» in der Halbzeit ist nur knapp zehn Minuten lang und ich fürchte, dass müssen dann auch Fußball-Fans einfach mal ertragen…Ich bin selbst Fußball-Fan und kanns auch ertragen!

Derzeit befindet sich das neue Nachrichtenstudio des ZDF im Bau – haben Sie schon mal reingeschaut und nachgesehen, wie weit die Kollegen schon sind?
Nein, noch ist das eine Baustelle, die noch nicht zur Besichtigung freigegeben ist. Aber von meinem Bürofenster aus kann ich das Gebäude immer mehr wachsen und gedeihen sehen und ich bin schon sehr gespannt.

Und zum Abschluss noch kurze und knappe Fragen, die wir immer am Ende eines Interviews stellen.
Wo schalten Sie sofort weiter, wenn Sie fernsehen?
Bei vielen deutschen Soaps und Serien. Die Kombination von schlechten Dialogen, schlechtem Schauspiel und miserablen, vorhersehbaren Plots ist für mich einfach nicht zu ertragen. Da schau ich lieber US-amerikanische Serien. Die Amerikaner verstehen nun mal ihr Handwerk und wissen wie man gute Unterhaltung macht.

Welches ist momentan Ihr Lieblingslied?
Die Songs von „Ich & Ich“ gefallen mir gerade gut, bin mir aber nicht sicher wie lange noch. Ich höre mich an Musik häufig schnell satt.

Wen würden Sie gerne einmal interviewen, haben es bislang aber noch nicht getan? Einen Zeitgenossen in 1000 Jahren. Wird technisch-biologisch leider schwierig werden.
06.07.2008 10:11 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/28342