Philipp Stendebach hat sich am Dienstag die Premiere von «The Singing Bee» bei ProSieben angeschaut und war wirklich begeistert.
Was darf der Zuschauer von einer Show erwarten, die damit beworben wird, dass man nicht gut singen können müsse, sondern nur den Text wissen müsse? Was darf der Zuschauer von einer Show erwarten, die von Oliver („Flugzeuge in meinem Bauch“) Petszokat und Senna („Krass Ey“) moderiert wird? Und was darf der Zuschauer von einer Show erwarten, bei der schon die Kandidaten in der Werbung so aufgekratzt wirken wie die von «Deal or No Deal» und «Rich List» zusammen? Ganz einfach: Spaß! Nach 60 Minuten «Singing Bee» ist man tatsächlich versucht, einer Karaoke-Party zu veranstalten. Nur ohne 50.000 Euro, leider.
Die „unfairste Musikshow der Welt“ beginnt mit Pinks „Get the Party Started“ und hektischen Kamerabewegungen, die einem eine laute Senna und einen daneben verblassenden Oliver Petzokat zeigen. Nachdem sie natürlich „wahllos“ sechs Kandidaten aus dem Publikum gegriffen haben, geht es ohne richtigen Vorspann gleich los mit Castingberichten in «DSDS»-Manier. Da sind Menschen in Lederkorsagen und Cowboyoutfits zu sehen, die von einer Stimme, später als die der «Singing Bee» identifiziert, kommentiert werden. Diese Biene kotzt, wackelt und tanzt durchs Bild. Gott sei Dank nicht von Dauer, denn sonst hätte dem Zuschauer wahrscheinlich das gleiche Schicksal geblüht.
Bei dem ersten Spiel müssen die sechs Kandidaten den Refrain eines Liedes komplettieren, wenn die Studioband aussetzt. Nach den Ärzten („Manchmal haben Frauen“) und den Pussycat Dolls („Dont' Cha“) gibt es noch etwas von Falco und den Sugababes zu hören. Doch wirklich überraschend ist die Tatsache, dass die Studioband und die Tänzerinnen (ja, sie tragen wirklich Bienchenkostüme) für gute Laune sorgen. Alles ist quietschbunt und richtig verwunderlich ist es, dass sich Oliver Petszokat nicht in den Vordergrund drängt, um aufgeschriebene Witze loszulassen. Senna scheint ihn wirklich gut im Griff zu haben...
Dann folgt ein Gewinnspiel im Publikum. 500 Euro sind zu gewinnen, wenn eine Zuschauerin „Ein bisschen Spaß muss sein“ vervollständigt. Und plötzlich steht um 20.30 Uhr der wahrhaftige Roberto Blanco auf der Bühne – eine wirklich überraschende Aktion. Dass er selbst in einer Karaoke-Show Playback singt, sei ihm verziehen.
In der Pause komme ich zu dem Zwischenergebnis, dass diese Show eigentlich ein wahrer Segen für den Zuschauer ist. In Zeiten, in denen man «Shows der Woche», «Atzes Sommer» oder «Chartshows» vorgesetzt bekommt, sollte man dankbar sein für ein frisches und vor allem lustiges TV-Format. Es kommt auch nicht Langeweile auf wie bei den Kollegen von «Popstars», da alles flott durchgespielt wird und die Kandidaten besser singen scheinen zu können als die der Castingshow. Ein weiterer Pluspunkt: Abnutzungserscheinungen gibt es bei diesem Format kaum – das Song-Angebot ist schließlich nicht zu erschöpfen. Mit dem VIVA-Format «Shibuya» ist die US-Adaption zum Glück nicht zu vergleichen, gibt es hier keine „Experten“-Jury und keine kreischende Gülcan.
Beim zweiten Spiel geht es darum, eine fehlende Textzeile, deren Wörter auf dem Bildschirm zerstreut sind, in die richtige Reihenfolge zu bekommen. Hier zeigt sich der Mitmach-Faktor der Show abermals, was als großer Pluspunkt anzusehen ist. Es macht Spaß, bei der recht abwechslungsreichen Songauswahl mitzuraten. Einer fliegt raus, drei bleiben drin.
Nun müssen sich die verbliebenen Hobby-Sänger beim „Lückenspiel“ beweisen. Ein Text läuft über den Bildschirm und es gilt, 15 Lücken zu schließen. Der Zuschauer bekommt eine ergreifende Performance zu Ich & Ichs „Du bist vom selben Stern“ geboten, die allerdings nicht gegen „Das Beste“ und „Griechischer Wein“ bestehen kann. Einen stämmigen Mann mit Sido-Maske auf dem T-Shirt zu Silbermonds Hit schmachten zu sehen, ist schon eine Klasse für sich.
Auch beim vorletzten Spiel zahlt sich das lustige, schnelllebige Prinzip aus. Buzzer kommen aus der Decke und man muss nach Erwähnung des Entstehungsjahres und des Interpreten entscheiden, ob man selbst singen will oder den anderen vorlässt. Letztendlich macht der Mann im Sido-Dress das Rennen und steht auch schon im Finale um 50.000 Euro.
Jetzt muss er nur noch fünf von sieben eingespielten Liedern vervollständigen und er ist um einen ganzen Batzen Geld reicher. Und tatsächlich: Nach „Millionär“ von den Prinzen (wie passend) freut er sich verständlicherweise wie ein kleines Kind, das Rennen gemacht zu haben und so viel Geld nach Hause tragen zu können.
Dadurch, dass Oliver Petszokat und Senna (durch wen auch immer) deutlich gezähmt wurden, bleibt der Moderations-Super-Gau aus und die Show ist uneingeschränkt zu empfehlen. Was man hier serviert bekommt, ist pure Unterhaltung ohne großen Sinn und Zweck. Schon fast eine Rarität in der deutschen Fernsehlandschaft...
10.09.2008 12:35 Uhr
• Philipp Stendebach
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