'Sauerei': Wenn Promis im Fernsehen die Fassung verlieren

Rudi Völler ist es passiert, Gerhard Schröder auch. Und selbst Willy Brandt erging es nicht anders. Sie eint, dass sie vor einem Millionenpublikum schon einmal die Nerven verloren haben. Und damit stehen sie längst nicht allein. Ein unterhaltsamer Rückblick auf Fernsehmomente, an die wir uns gerne erinnern.

Screenshot: ARDSehr zurückhaltend reagierte Bundestrainer Joachim Löw kürzlich nach dem Unentschieden der Nationalmannschaft gegen Finnland auf die Fragen von ZDF-Moderator Johannes B. Kerner. Und als Zuschauer merkte man schnell: In Löws Innerem rumorte es gewaltig.

„Ich würde mir wünschen, dass man nicht immer nur das Negative, sondern auch das Positive heraushebt“, sagte Löw danach. Und weiter: „Ich kenne das journalistische ABC nicht so genau. Aber ich dachte, man beginnt ein Gespräch meistens mit einem positiven Einstieg. Natürlich hat Johannes B. Kerner das Recht, ein Gespräch so zu beginnen. Aber dann muss er damit rechnen, dass ich so reagiere.“ Dass der Vulkan Löw nicht zum Ausbruch kam, war reine Glückssache – so manch anderer wäre vor laufender Kamera sicherlich ausfallender geworden als der Bundestrainer.




Beispielsweise einer seiner Vorgänger: Als ARD-Moderator Gerhard Delling vor fünf Jahren nach einem schlechten Spiel der DFB-Elf vom „Tiefpunkt der Samstagabendunterhaltung“ sprach, brach es aus dem damaligen Teamchef Rudi Völler heraus. „Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören“, schimpfte Völler im Gespräch mit Waldemar Hartmann, dem er vorwarf, „locker und bequem“ auf seinem Stuhl zu sitzen und vor der Sendung drei Weizenbier getrunken zu haben. Was Delling gesagt habe, sei eine „Sauerei“, so Völler damals. „Dann soll er doch Samstagabendunterhaltung machen – und keinen Fußball. Dann soll er «Wetten, dass..?» machen und den Gottschalk ablösen.“



Als Hartmann ihn freundlich darauf hinwies, dass «Wetten, dass..?» im ZDF laufe, wurde Völler nur noch grantiger: „Dann soll er doch dahin gehen“, sagte er mit Blick auf Dellings Aussagen. Sein Ratschlag: „Wechselt den Beruf. Ist besser.“ Das haben sowohl Delling als auch Netzer nicht gemacht, beide analysieren auch heute noch die Spiele der Nationalmannschaft. Völler selbst räumte schließlich ein Jahr später nach einer völlig verkorksten EM seinen Stuhl.

Doch nicht nur im Sport gibt es immer wieder verbale Entgleisungen – in Talkshows geht es ebenfalls gerne einmal vor laufender Kamera drunter und drüber. So geschehen von sieben Jahren, als Gloria von Thurn und Taxis in einer Talkshow mit Michel Friedman über das Aids-Problem sprach und ihre Einschätzung zum Thema schnell auf den Tisch brachte. „Der Schwarze schnackselt gern“, stellte sie fest und löste daraufhin eine tagelange Diskussion aus, die von den Medien dankend angenommen wurde.

Ebenso wie der Rausschmiss von Eva Herman aus der Johannes B. Kerners ZDF-Talkshow vor einem Jahr. Als sich die zu diesem Zeitpunkt bereits von ihrem Arbeitgeber, dem NDR, entlassenene Moderatorin immer tiefer in Aussagen über Erziehung und das Dritte Reich verstrickte, war irgendwann Schluss. Ihr Autobahn-Vergleich brachte das Fass schließlich zum Überlaufen. „Autobahn geht gar nicht“, lautete die Ansicht der anwesenden weiteren Gäste. Und so folgte schließlich Hermans Abgang vor dem Abspann.

Screenshot: ARDGanz gewiss eine Szene, die lange noch in Erinnerung bleiben wird – ebenso wie der Auftritt von Gerhard Schröder nach der Bundestagswahl vor drei Jahren. In der Elefantenrunde wetterte er gegen Politiker-Kollegen und die anwesenden Journalisten. „Herr Bundeskanzler – und das sind Sie ja noch bis zur Neuwahl“, sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, woraufhin der damalige Kanzler entgegnete: „Das bleibe ich auch, auch wenn Sie dagegen arbeiten.“ Niemand, außer ihm, sei in der Lage, eine stabile Regierung zu stellen, so Schröder.

Und es ging sogar noch weiter: „Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Dr. Merkel bei dieser Sachlage einginge, in dem sie sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden? Ich meine, wir müssen die Kirche doch auch mal im Dorf lassen“, sagte Schröder und erntete damit ungläubige Blicke von jener Frau, die ihn später dann doch im Amt ablöste. Wahr haben wollte Schröder das allerdings nicht: „Die Wähler haben doch in der Kandidatenfrage eindeutig votiert“, lautete seine Meinung. „Das kann man doch nicht ernsthaft bestreiten.“



Konnte man schließlich aber doch – inzwischen befindet sich Merkel seit drei Jahren im Amt und Schröder ist unter anderem für Gazprom tätig. So schnell können sich voreilige Aussagen im Fernsehen in Luft auflösen. Und es war übrigens nicht der erste Eklat bei einer Elefantenrunde – schon zwischen Willy Brandt und Nachfolger Helmut Kohl kam es einst im Fernsehen zu einer heftigen Auseinandersetzung. „Sie schaden unserem Volk“, schimpfte Brandt und klopfte dabei heftig auf den Tisch. „Sie sagen dem Volk die Unwahrheit. Ich lasse das nicht durchgehen“, polterte er.

So könne Kohl nicht die Partei behandeln, die in Nordrhein-Westfalen die Mehrheit habe. „Das gibt es nicht“, gab Brandt zu verstehen. Als Kohl später auf Heiner Geissler zu sprechen kommt, platzte es aus Brandt heraus: „Ein Hetzer ist er! Seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land!“ Kohl sichtlich verärgert: „Lassen Sie doch bitte solche Vergleiche weg. Die stehen ihnen überhaupt nicht an.“ Und dann etwas lauter: „Sie sollten sich schämen, hier eine solche Aufführung zu machen.“



Manchmal ist es also doch besser, erst zu denken und dann zu reden. Gerade vor einem Millionenpublikum. Doch wir Zuschauer sind natürlich für jedes Mal dankbar, wo diese goldene Regel gebrochen wird.
23.09.2008 09:29 Uhr  •  Alexander Krei Kurz-URL: qmde.de/29925