Die Kritiker: «Die Frau des Frisörs»

Story
Vera und Siegfried stehen kurz vor ihrem fünften Hochzeitstag - und stecken mitten in einer veritablen Krise, nach dem Motto: "Die Ehe ist der Versuch zweier Menschen, gemeinsam mit Problemen fertig zu werden, die sie alleine nie gehabt hätten."

Die beiden haben einen hohen Kredit aufgenommen und Haus und Existenz verpfändet, damit Vera ihren Lebenstraum Modedesignerin verwirklichen kann. Dummerweise geht die Berliner Boutique, mit der sie zusammenarbeiten will, pleite.

Vera fragt sich, wie sie das dem bodenständigen Siegfried, der einen Friseursalon in der Prignitz betreibt, beibringen soll. Doch das erweist sich auf wundersame Weise als überflüssig, denn Vera landet einen Millionen-Lotto-Gewinn. Sie sagt Siegfried kein Wort davon, denn sie will ihn an ihrem Hochzeitstag in einem Schlosshotel mit der freudigen Nachricht überraschen.

Doch kaum sind sie zu dem romantischen Wochenendausflug aufgebrochen, verwandelt sich das Leben des Ehepaares in eine rasante Achterbahnfahrt. Vera wird von der Polizei gesucht und irrtümlich verdächtigt, eine Bank überfallen zu haben. Als sie dann noch von der echten Bankräuberin Charlotte gekidnappt wird, nimmt der Irrsinn seinen Lauf, denn Charlotte ist "der Geist, der stets verneint" - ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Chaos schafft.

Darsteller
Dominique Horwitz («Die rote Zora») ist Siegfried Müller
Muriel Baumeister («Der Besuch der alten Dame») ist Vera Müller
Nadeshda Brennicke («Dekker & Adi – Wer bremst verliert») ist Charlotte
Pierre Besson («Das Geheimnis im Wald») ist Lorenz Hesse
Annette Paulmann («Stellungswechsel») ist Polizistin Ingeborg Bullwinkel
Max Herbrechter («Späte Rache») ist Schmidt
Ole Puppe («Mein Mörder kommt zurück») ist Polizist Schneider
Gottfried Vollmer («Alarm für Cobra 11») ist Polizist Breitzke

Kritik
«Die Frau des Frisörs» ist anders als die meisten Filme. Das ist schon mal nicht schlecht, angesichts der Tatsache, dass der Großteil dessen, was einem das ZDF dieser Tage bietet. Zunächst ist zu bemerken, dass der ganze Film natürlich so realistisch wie ein Spielberg-Film ist. Das ist per se kein Negativpunkt; schließlich muss sich ein Film ja nicht über eine möglichst detailgetreue Abbildung der Realität definieren. Denn Plot heißt Fiktion. Man muss aber darauf gefasst sein, sich wohl mit keiner der allesamt maßlos überzeichneten Figuren identifizieren zu können. All die hoch neurotischen Charaktere agieren häufig in nicht nachvollziehbarer Weise. Warum zieht Charlotte mit Vera weiterhin ihre Flucht durch, wenn sie doch gar nicht verdächtigt wird? Derartige Plot-Holes wären natürlich zu Vermeiden gewesen und trüben das Gesamtergebnis erheblich.

Die Hauptfigur Siegfried Müller ist meist interessant, relativ gut durchdacht und von Dominique Horwitz passabel in Szene gesetzt. Von seiner Kollegin Muriel Baumeister lässt sich das leider nicht sagen. Sie macht so ziemlich alles falsch, was eine Schauspielerin falsch machen kann und spielt ihre ohnehin schon äußerst extrovertierte Rolle mit einem Pathos, dass es nicht mehr schön ist. Eine derart bodenlose Leistung hat man lange nicht gesehen.

Nett gemacht ist, dass «Die Frau des Frisörs» mit den konservativen Erzählstrukturmodellen bricht und eigene Wege geht. Doch das geschieht nicht ohne einen recht großen Wermutstropfen, weil nicht klar wird, warum gerade diese Geschichte so erzählt werden muss wie hier. Es ist schön, einmal etwas Neues zu sehen, doch die gewählte Erzählstruktur muss zum Plot passen wie angegossen. Avantgarde entsteht nicht durch Stilmittel, sondern in erster Linie durch Inhalte. Sonst wird das ganze Unterfangen lediglich billige Effekthaschereri auf niedrigstem Niveau. Und wenn durch Flashbacks Spannung erzeugt werden soll, ist und bleibt das die lächerliche Ausrede eines Autors, der einfach zu faul ist, seine Handlungsstränge zu überarbeiten.

Hätte diese Geschichte also linear erzählt werden können? Wahrscheinlich nicht. Doch warum ausgerechnet diese unaufhörlichen Zeitsprünge bis ans Ende fortgesetzt werden, wird aus der Geschichte nicht klar. Insgesamt bietet «Die Frau des Frisörs» also eine nette Grundidee, die aber durch viele dramaturgische Fehler und eine unglaublich schlechte Muriel Baumeister zu Nichte gemacht wurde.

Das ZDF strahlt «Die Frau des Frisörs» am Montag, 27. Oktober 2008, um 20.15 Uhr aus.
26.10.2008 10:46 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/30598