Pro & Contra: Der Umzug von Sat.1 nach Unterföhring

Kofferpacken in Berlin? Der Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG und die Gesellschafter überlegen derzeit, ob es nicht Sinn macht, Sat.1 nach Unterföhring umzusiedeln. Die Quotenmeter.de-Redakteure Christian Richter und Jan Schlüter haben sich dem Thema angenommen.

Pro von Christian Richter
Mit einer Zentralisierung von Sat.1, kabel eins und ProSieben an einem Standort könnte das Unternehmen hohe Summen einsparen. Zuerst würde die teure Miete des Sat.1-Sendezentrums in einem der teuersten Stadtteile von Berlin wegfallen. Außerdem könnte man die Redaktionen der Sender zusammenlegen und so effektiver arbeiten. Das «Sat.1-Magazin», «Das Frühstücksfernsehen», «taff.» und «SAM» könnten auf diese Art künftig von einer gemeinsamen Redaktion betreut und damit auch besser aufeinander abgestimmt werden. Eine Zusammenlegung der Redaktionen würde zudem viele Arbeitsplätze sparen, die bisher durch die zwei Standorte doppelt vorhanden sind. Außerdem werden technische Arbeitsplätze und Studios durch eine bessere Planung effektiver benutzt. Die genannten Boulevardsendungen könnten aufgrund ihrer unterschiedlichen Sendezeiten aus dem selben Studio gesendet werden. Auch dies würde Technik und Personal in der Produktion sparen.

Doch nicht nur die Sender ProSieben und kabel eins befinden sich schon am Standort in Unterföhring. Auch die hauseigene Vermarktungsfirma SevenOne Media hat ihren Sitz im dortigen Medienzentrum. Werberelevante Entscheidungen könnten demnach unbürokratisch direkt vor Ort zwischen allen Sendern abgesprochen werden. Könnte man dann auch den nach Berlin gezogenen Nachrichtensender N24 wieder nach Unterföhring holen, wäre die gesamte Sendergruppe vereint.

Die RTL-Group hat bereits eine weitestgehende zentrale Organisation. RTL, VOX, SuperRTL, n-tv sowie die Pay-TV-Programme RTL Crime, RTL Living und Passion sind alle in Köln angesiedelt. Lediglich RTL II ist mit seinem Sitz in München Außenseiter innerhalb des Konzerns. Allerdings befindet sich die Nachrichtenredaktion ebenfalls in Köln, um die Produktionstechnik der RTL-Nachrichten mitnutzen zu können. Mit dem vergangenen Quartalsbericht konnte das Unternehmen zeigen, dass sich das deutsche Free-TV noch lohnen kann. Im Gegensatz zu den Verlusten der ProSiebenSat.1 Media AG steigerte die RTL Gruppe ihren Umsatz, was nicht zuletzt auf eine effektivere Produktion zurückzuführen ist.

Die ProSiebenSat.1 Media AG hätte mit einem Umzug von Sat.1 nach Unterföhring die Chance diesem Beispiel zu folgen und eine ebenso stringente Struktur aufzubauen. Allerdings müssen sich die Verantwortlichen im Klaren sein, dass darin kein Allheilmittel gesehen werden kann und die Kostenersparnisse das Ergebnis der AG nur minimal beeinflussen werden. Eine Garantie für höhere Gewinne und vor allem für ein besseres Programm ist es nicht. Sat.1 muss es vor allem schaffen, endlich wieder ein gutes, massenkompatibles Programm zu gestalten und die groben Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten. Sonst nützt auch ein Umzug nichts.




Contra von Jan Schlüter
Erinnern Sie sich noch, wie der Sender n-tv aus Berlin wegzog? Gerade ein Nachrichtensender musste die Hauptstadt Deutschlands verlassen, in der nicht nur Puls des politischen Lebens pocht. N24, der Konkurrenz-Nachrichtensender der Sat.1-Gruppe, warb damals hämisch damit, nun der einzige Hauptstadtsender in Punkto Nachrichten zu sein. Dies zeigt, dass Berlin ein wichtiger Medienstandort ist. Und das nicht nur für die Stadt selber, sondern auch für Sat.1.

Sat.1 ist stark mit dieser Stadt verbunden. Wenn eine Sendung oder Show in diesem Sender gezeigt wird, dann wissen die meisten Zuschauer: Dieses Programm ist Hauptstadtfernsehen. Abgesehen davon also, dass möglicherweise die Nähe zum gesellschaftlichen, boulevardesken und politischen Puls - nicht unwichtig für viele Magazine – durch einen Umzug nach Unterföhring verloren gehen würde, muss man auch an die zahlreichen Mitarbeiter denken.

Mit einem Umzug müssten sich die Angestellten des Senders entscheiden: Entweder mit dem Sender nach Bayern wechseln und aus dem kompletten eigenen sozialen Gefüge und dem Lebensmittelpunkt gerissen werden, oder Arbeitslosigkeit. Kein Wunder, dass sich die Mitarbeiter schon selbst mobilisieren und gegen die Pläne der Gruppe vorgehen wollen. Nur nützt es letztendlich etwas, wenn die – wahrscheinlich austauschbaren – Angestellten gegen einen von Medieninvestoren getriebenen Konzern und gegen Pläne vorgehen, die wirtschaftlich wohl Sinn machen? Eher nicht. Hier entscheidet immer wieder das soziale Gewissen einer Firma, ob man Verständnis für die Mitarbeiter hat – und dieses geht in der heutigen Zeit, in welcher Quartalszahlen die über alles richtenden Götter sind, leider verloren.
11.11.2008 12:51 Uhr  •  Jan Schlüter und Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/30901