Ist «Big Brother» wirklich Trash-TV?

Die neunte Runde der Reality-Show läuft. Seit je her wird in Deutschland über «Big Brother» diskutiert - noch immer lehnen viele Menschen das Format strikt ab. Alexander Krei und Manuel Weis mit ihren Ansichten über die Reality-Show.



Von Alexander Krei:

Ob «Big Brother» minderwertiges Fernsehen ist? Ganz bestimmt nicht – jedenfalls, wenn es um die Produktion als solche angeht, die höchstprofessionell ist. Betrachtet man das Konzept, so kann es eigentlich nur ein Urteil geben: Völlig sinnfrei. Man nehme ein Dutzend Menschen, möglichst nicht 40 Jahre, darunter mindestens ein scharfer Südländer und eine Stripperin, und stecke sie für 200 Tage in ein Haus.



Fertig ist der Show-Cocktail, der offensichtlich immer noch gut eine Million Menschen unterhält. Doch warum eigentlich? Ist es wirklich so spannend, anderen Menschen beim Duschen, beim Kochen, beim Lästern und beim Sex zuzusehen? Tut es wirklich Not, Kandidaten nach Himmel und Hölle zu trennen und sie in eisiger Kälte schlafen zu lassen? Ich denke: Nein.



Klar, nötig ist vieles nicht, was im deutschen Fernsehen derzeit ausgestrahlt wird. Aber «Big Brother» gehört zu den Formaten, auf die man nach Call-in und Richtershows auf ehesten verzichten könnte. Die Weiterentwicklung in allen Ehren, doch Überraschendes birgt die RTL II-Show schon lange nicht mehr. War die erste Staffel vor acht Jahren noch eine Innovation, die Deutschland neugierig machte, so ist mittlerweile nur noch ein Haufen Selbstdarsteller übrig geblieben, die vieles tun würden, um ins Fernsehen zu kommen.



Das Problem ist: Mittlerweile wurden nahezu alle Grenzen schon einmal überschritten, da fällt es kaum auf, wenn sich schlechte Sitten nach und nach in unseren Fernseh-Alltag mischen. Und mal ehrlich: Inzwischen haben selbst härteste «Big Brother»-Fans irgendwie alles schon einmal gesehen, was auch an den schwachen Quoten der Premieren-Show deutlich wurde. Vielleicht braucht es mal wieder eine Show-Innovation. So schwer kann das doch nun wirklich nicht sein.



Contra von Manuel Weis:

Zu Allererst: Die Diskussion, ob «Big Brother» Fernsehen für eine Unterschicht oder Trash-TV ist, ist eine blödsinnige. Aber dennoch ist sie zu führen, weil die Gesellschaft in den vergangenen neun Jahren in diesem Punkt nicht wirklich weitergekommen ist. Streitigkeiten gibt es in manchen Fragen, nicht aber in der der nahezu perfekten technischen Umsetzung. Dass Endemol hier brillante Arbeit leistet, darüber ist man sich einig.



Vielmehr streitet man darüber, ob Lästereien, Zickenkrieg und nächtliche Schäferstünden von Kameras beobachtet und um 19.00 Uhr bei RTL II gezeigt werden dürfen. Diese Diskussion richtet sich nur gegen «Big Brother», nicht aber gegen «Alles was zählt», «Marienhof» und andere Formate, die exakt die gleichen Themen aufwerfen. Im «Big Brother»-Haus leben Menschen – sie verhalten sich menschlich und zwar nicht so, wie es ein Soap-Autor möchte, sondern so wie sie sich aktuell fühlen.



Genau das stößt so Manchen wohl vor den Kopf: Ja, Menschen verhalten sich manchmal dämlich. Manchmal mag das Niveau etwas weiter unten liegen. Aber wieso muss man das verleugnen? Fakt ist: Vor allem Menschen mit höherer Bildung mögen «Big Brother»? Vielleicht ist das so, weil sie sich den Kandidaten überlegen fühlen? Vielleicht haben sie einfach nur Spaß am Beobachten. Letztlich ist es egal, warum es so ist.



Dem Großer Bruder wäre in der neunten Staffel zu wünschen, dass ihm eine ähnliche Wandlung gelingt wie im «Dschungel Camp» in Runde drei. Das war anfangs ebenfalls verschrien, wird jetzt aber von den gleichen Kritikern geliebt, weil sie eine gewisse Art von Humor in der Sender erkannt haben. Und trotzdem werden darin noch Froschaugen gegessen. Es stört nur niemanden mehr. Es ist – wie alles – nun mal geschmackssache. Wieso «Big Brother» aber schlimmer sein soll als manche Soap, erschließt sich mir nicht. Und genau deshalb sollten die Kritiker endlich Ruhe geben.

10.12.2008 09:50 Uhr  •  Alexander Krei und Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/31484