Sonntagsfragen an Ulrich Meyer

In einer Zeit, in der «Akte 09» mit Quotenproblemen zu kämpfen hat, sprach Moderator und Leiter der Sendung, Ulrich Meyer, über das Magazin. Natürlich ging es im Interview auch um den Ableger der «Akte», das neue «Akte Schicksal».

Herr Meyer, am Montag startet «Akte Schicksal». Was erwartet uns?
Seit vielen Jahren kämpft die «Akte» für die Zuschauer. Wir merken, dass es seit geraumer Zeit immer mehr Menschen gibt, die ganz konkret Hilfe haben wollen. Deshalb haben wir uns auf diesen Themenbereich fokussiert. Schauen Sie sich die wirtschaftliche Entwicklung, die immer größer werdenden beruflichen Anforderungen, das komplexe Internet an. Manche Menschen sind damit überfordert. Gerade bei der aktuellen wirtschaftlichen Lage schmerzt es schon, wenn einen jemand um 50 oder 100 Euro betrügt. All diese Themen beschäftigen unsere Redaktion? Nur haben wir immer zu wenig Zeit, um sie ausführlich zu behandeln. Unsere Beiträge sind schließlich nur zwischen acht und zwölf Minuten lang.

Daran wollen Sie also nicht rütteln?
Im Magazin, in «Akte 09», nicht. Ein Beitrag von uns hat immer feste Bestandteile. Es gibt „das Opfer“, das etwa betrogen wurde. Dann machen wir uns auf die Suche nach "dem Täter", also demjenigen, der verantwortlich dahinter steckt. Als Drittes taucht eine Autorität bei uns auf - das kann ein Staatsanwalt oder die Polizei sein. Und zu Guter letzt schätzt ein "Experte" das Geschehen ein. Da wir das alles unterbringen müssen, wird die Zeit oft knapp. Die vielen Schicksale, die uns erreichen, sind es aber oft wert, genauer beleuchtet werden. In 15 Jahren «Akte» haben sich viele Geschichten angesammelt, die nun in «Akte Schicksal» endlich einen Platz finden.



Wie wird die Sendung genau aussehen?
Wir behandeln ein Schicksal. Oder zwei, die dann thematisch aber eng miteinander zu tun haben. In Folge zwei geht es um sehr dicke Menschen. Wir begleiten als einen Strang einen sehr übergewichtigen Mann, der gerne ein Magenband hätte, darum aber kämpfen muss. Und parallel erzählen wir die Geschichte von jemandem, der bereits ein Magenband hat.

Klingt ein bisschen, als würden Sie auf die Tränendrüse drücken wollen?
Das nehmen wir uns nicht vor. Bei manchen Geschichten passiert das ganz von allein. Wir haben eine Familie mit elf Kindern. Zuerst ist die Mutter weg, dann ist der Vater weg und dann wieder die Mutter. Nun ist Papa mit seinen elf Kindern allein und natürlich überfordert.

Welche Rolle spielen Sie in dem Format?
Ich bin der Moderator, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Ich fasse das Geschehen zusammen, ordne es ein und sorge so dafür, dass die Menschen auch 45 Minuten lang dran bleiben.

Wie viele Folgen haben Sie geplant?
Bestellt sind zunächst 20, sodass wir bis zum Sommer senden können.

Profitieren Sie da ein Stück von dem neuen Geschäftsführer Guido Bolten, der selbst Journalist ist und auch die Reportage-Strecken bei kabel eins ausgeweitet hat?
Ich würde es nicht „profitieren“ nennen. Wir haben uns sofort verstanden und der Sender hat unser Angebot sofort erkannt. Sat.1 nimmt die Probleme seiner Zuschauer so ernst nimmt wie kaum ein anderer Sender. Und die «Akte» bekommt mehr Zuschriften denn je. Die Briefe und Mails gehen inzwischen in die Tausende pro Woche. Ich denke, dass wir dem Sender da in Zukunft noch einiges Neues anbieten können.

Haben Sie eigentlich ein bisschen Bauchschmerzen wegen des Sendeplatzes. Morgen geht’s um 23.35 Uhr los, einem Slot, auf dem «Nip/Tuck» bisher katastrophal lief.
Bauchweh habe ich nicht. Die erste Folge ist sehr berührend und journalistisch packend. Ich glaube, dass die Möglichkeit auf gute Quoten durchaus vorhanden ist. Mit «Toto & Harry» und «Spiegel TV» haben wir zuvor im Abendprogramm zudem eine sehr schöne journalistische Strecke.

Wie sehr haben Sie sich denn von der «RTL II Schicksalsreportage» inspirieren lassen? Es hat Ihnen sicherlich manchmal gestunken, dass das Format höhere Marktanteile hatte als ihre zeitgleich laufende «Akte».
In sehr seltenen Ausnahmefällen, nun ja. Wir haben uns aber gar nicht davon inspirieren lassen, hatten RTL II überhaupt nicht im Blick, als wir über den Titel diskutierten. Zudem produziert meine Firma ja auch für die «RTL II-Schicksalsreportage»... Uns geht es in «Akte Schicksal» um die Eindringlichkeit der Lebenswege, die alle «Akte»-typisch sind.

Kommen wir kurz mal zu «Akte 09». Wie zufrieden sind Sie momentan mit den Einschaltquoten?
Luft nach oben gibt es immer. Und die frischen «Monk»-Folgen bescheren uns - wie Sie es auch schon richtig in einem Ihrer Berichte schrieben - momentan sehr schwierige Wochen. Teilweise hat «Monk» bis zu 31 Prozent Marktanteil. Wir haben noch dazu vor uns Scharnier-Werbeinseln, was den Sender sicherlich freut, es für uns aber nicht leichter macht. Wir sind deshalb stetig dabei, die Sendung zu justieren und Inhalte zu überdenken. Wir liegen im Schnitt zur Zeit bei über elf Prozent, was uns durchaus glücklich stimmt.

Also ist nur «Monk» schuld?
«Monk» ist ein echter Renner. Ich bin froh, dass es in den USA den Autorenstreik gab, sonst würde RTL jetzt mehr neue Folgen zeigen können als nur acht.

Seit einiger Zeit haben Sie kein Publikum mehr im «Akte»-Studio. Wieso nicht?
Ich habe mich mit dem Publikum immer wohl gefühlt. Wir dachten, dass mehr Menschen beim Zappen bei uns hängen bleiben, wenn im Studio geklatscht wird oder Zuschauer mit erstaunten Gesichtern gezeigt werden. Auf die Quote hatte das letztlich aber null Einfluss - und so haben wir mit der Zeit wieder darauf verzichtet. Betreuung von Studiopublikum kostet immerhin eine Stange Geld. Und so stehe ich dienstags zwar nach wie vor live, aber wieder allein mit einigen Kollegen aus Technik und Redaktion im Studio.

Eine ganze Zeit lang hieß es „Reporter decken auf“, nun werben Sie mit „Reporter kämpfen für Sie“?
Das ist eine der Justierungen, von denen ich bereits sprach. Wir hatten früher die Rubrik „Akte hilft“ - doch durch das Aufkommen des Internets erreichten uns immer mehr Hilfeersuche und immer mehr Berichte von Hereingelegten. Wir haben erkannt, dass das unser neuer Schwerpunkt sein muss. So haben wir also eine neue Gesamt-Ausrichtung gefunden, die aber unsere Alleinstellung im privaten Fernsehen wieder unterstreicht.

Zum Abschluss noch kurz: Stellt Sie das Jahr 2010 wieder vor ein Namensproblem?
Gute Frage: Etwas ähnliches gab es im Jahr 2000 schon - «Akte 00» klang nicht so gut, das erinnerte zu sehr an Sanitäranlagen. Wir haben unsere Sendung damals dann «Akte 2000» genannt. «Akte 10» überzeugt mich nun auch nicht wirklich - «Akte zwanzig10» hingegen schon mehr. Aber danke: Sie haben mich auf die Idee gebracht, dass wir uns in dieser Richtung frühzeitig Gedanken machen sollten.

Bitte, gern. Und natürlich viel Erfolg für Ihr neues Baby «Akte Schicksal».
29.03.2009 09:21 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/33982