Kann ZDF Kanzler?

Günther Jauch saß in der Jury – und dennoch konnte die kurze Version der Castingshow nur wenig Eindruck hinterlassen.

Mit Castingshows jeglicher Couleur ist das deutsche Fernsehen wahrlich reich gesegnet, doch die Polit-Castingshow «Ich kann Kanzler!» des ZDF sticht aus der breiten Masse deutlich hervor. Statt Sangeskunst oder Modelqualitäten sind Argumente und Rhetorik entscheidend, die von einer Jury um den ehemaligen Bremer Bürgermeister Henning Scherf, Moderator Günther Jauch und Komikerin Anke Engelke bewertet werden. Dass sich das ZDF mit dem Format nicht gänzlich neu erfunden hat, wird mit einem Blick ins ausländische Fernsehprogramm schnell deutlich: Das kanadische Vorbild «Canada's Next Great Prime Minister» debütierte bereits vor drei Jahren.

Der recht gewagte Ansatz, eine neue Politikhoffnung durch eine Castingshow zu finden, hat dem ZDF trotz gegenteiliger Hoffnungen bis jetzt wenig Freude bereitet: Im Schnitt schauten am Donnerstag nur 1,14 Millionen Zuschauer Zusammenfassungen des Castings, die heiß umworbene junge Zielgruppe zeigte mit gerade einmal 2,5 Prozent Marktanteil deutliches Desinteresse. Das mag zum einen an einer generellen Politikapathie liegen, zum Teil an der kurzen Laufzeit der Sendung. Auch die Presse stand der Sendung zum großen Teil distanziert gegenüber.



Es bleibt die Frage, ob das ZDF mit dem ambitionierten Vorhaben nicht einen Schritt zu weit gegangen ist und eine junge Polithoffnung geradewegs in die politische Einbahnstraße gelotst hat. Die Zukunft wird es zeigen, ob das ZDF wirklich Kanzler kann oder eine rein oberflächliche Castingshow produziert hat, wie es ihm die Kritiker vorwerfen.
20.06.2009 09:12 Uhr  •  Jakob Bokelmann Kurz-URL: qmde.de/35662