Sonntagsfragen an Simon Müller-Elmau

Er räumt in der ARD-Soap «Marienhof» auf: Produzent Simon Müller-Elmau, seit Anfang des Jahres bei der Soap, erklärt im Interview mit Quotenmeter.de die derzeitigen Schwächen seines Formats.

Herr Müller-Elmau, Sie sind seit Anfang des Jahres Produzent des «Marienhofs». Wer Sie jetzt nicht kennt – was haben Sie davor gemacht?
Beim Fernsehen habe ich bei ProSieben angefangen, war dort Redakteur. Ich wechselte dann zur Grundy Ufa, wo ich für Serien und Soaps zuständig war. Ich war bei «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» Consultant und zuletzt Produzent von «Verbotene Liebe».

Jetzt also «Marienhof» - wie haben Sie sich in die Serie eingearbeitet?
Ich musste mich intensiv mit der Serie beschäftigen. Wo steht der «Marienhof» momentan eigentlich? Welche Fehler führen dazu, dass die Serie aktuell nicht so glänzt wie es früher der Fall war? Man muss sich also zu Beginn seiner Arbeit einfach unglaublich viele Folgen des Formats anschauen.

Wie viele sind unglaublich viele?
Ich habe mindestens 100 Episoden gesehen – ich habe in der Zeit wirklich nichts anderes gemacht als geschlafen und «Marienhof» geschaut. Etwa zehn Folgen habe ich mir aus jedem Jahr herausgepickt – das ging bis in die 90er-Jahre zurück. Ich konnte so nachvollziehen, wie sich der Ausstieg von Figuren auf die Serie ausgewirkt hat, habe erkannt, was vor fünf Jahren noch anders war.

Das waren vor allem die Quoten – in besten Zeiten hatte «Marienhof» 16 Prozent, heute ist es etwa die Hälfte. Haben Sie auch mit ehemaligen Autoren gesprochen?
Natürlich, ich habe mich auch intensiv mit der ehemaligen Produzentin Bea Schmidt ausgetauscht. Beim «Marienhof» ist es schön, dass viele Kollegen in allen Bereichen schon sehr lange bei der Serie sind – sie verfügen demnach über großes Wissen, was das Format angeht.

Zu welcher Analyse sind Sie gekommen? Woran krankt der «Marienhof»?
Wir haben ein Problem, das viele Soaps mit der Zeit einmal haben. Die Storys sind nicht klar genug. Der Zuschauer kann die Geschichten deshalb nicht mehr nachvollziehen. Neue Zuschauer können zudem fast gar nicht einsteigen – deshalb wollen wir jetzt die Perspektive wechseln. Man muss sich das wie im Dschungel vorstellen: Wir gehen jetzt mit der Machete rein und sorgen für Ordnung.

Wie sieht Ihr Konzept konkret aus?
Wir konzentrieren uns künftig auf wenige Figuren – maximal zehn. Aus deren Perspektive erzählen wir künftig die Geschichten. Haupt- und Nebencast sind somit wieder sauber getrennt.

Sie sprachen eben von Storys, die nicht klar genug sind. Haben Sie dafür ein Beispiel?
Die Geschichte mit Tanja und Toni passt hier ganz gut. Die Mutter hat hier das Baby ihrer Tochter ausgetragen, bekam während der Schwangerschaft aber erneut Krebs. Sie wollte das Kind dann nicht mehr an ihre Tochter geben, erlitt letztlich eine Frühgeburt. Der Zuschauer ist von dem vollkommen überfordert: Mit wem soll er mitfühlen? Tochter, Mutter, Baby?

Ich sage immer: Jede Soap-Figur bekommt innerhalb von zehn Jahren mindestens einen Herzinfarkt, heiratet und lässt sich scheiden und sitzt einmal im Rollstuhl.
Ich weiß, was Sie meinen. Der Zuschauer nimmt das aber in Kauf, wenn es glaubhaft erzählt wird. Es darf aber nicht alles auf einmal passieren. Beim «Marienhof» wollte man alles noch spannender machen, alles noch schneller erzählen und das klappt einfach nicht immer.

Deshalb hatten Sie jetzt die Idee der großen Explosion.
Die Idee gab es schon, als ich kam. Wir drehen in zwei Studios, eines davon wollten wir komplett umgestalten, weil es auch von der Beleuchtung her nicht mehr den Standard der heutigen Zeit entspricht. Soaps werden inzwischen genauso aufwendig wie Primetime-Serien produziert. Wir wollten bewegter arbeiten, brauchten deshalb andere Böden und 360 Grad-Studios. Die Zeit der Schuhkarton-Kulissen ist bei Soaps eigentlich vorbei.

Er räumt in der ARD-Soap «Marienhof» auf: Produzent Simon Müller-Elmau, seit Anfang des Jahres bei der Soap, erklärt im Interview mit Quotenmeter.de die derzeitigen Schwächen seines Formats.

Wer ist denn für Sie das Vorbild in Sachen Soap-Produktion?
«Alles was zählt» hat dort neue Maßstäbe gesetzt – sie erzählen die Geschichten mit Semi-Dokumentarischem Ansatz, das ist wirklich toll. Das ist übrigens genau die Art des Geschichtenerzählens, die ich besonders gerne habe. Zur Zeit ist aber «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» das absolute Vorbild – der Relaunch ist voll geglückt. Ich denke, man kann offen sagen, dass sich derzeit alle Soap-Produzenten an «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» orientieren.

Mal wieder…
Ja, mal wieder. Auch inhaltlich passt da alles. Die Storys werden aus klaren Perspektiven erzählt. Wir wollen dort auch hinkommen, das geht allerdings nicht von einem Tag auf den anderen. Ein Dreivierteljahr braucht man schon, bis alle Dinge greifen, die geplant sind. Vom Sender haben wir jetzt zunächst Zeit bis Herbst und sollten bis dahin möglichst wieder bei zehn Prozent der Werberelevanten liegen.

Und wenn nicht? Klingt nach einer Frist?
Das hängt vom Sender ab, was passiert, wenn das nicht gelingt. Das liegt aber auch an Marktforschungen: Sagen die Menschen, dass der Relaunch gelungen ist? Das wäre ein gutes Zeichen. Angst vor einem Ende des «Marienhofs» habe ich jedenfalls nicht, falls Sie das denken. Wir stecken momentan in einer schwierigen Zeit, aber wir werden da auch wieder rauskommen.

In wie fern ist denn auch «Eine für alle» am Quotental schuld? Die Serie holt nach Ihnen nur zwei Prozent.
Richtig – «Eine für alle» tut ihr Übriges dazu. Wir hatten damals als wir in Doppelfolgen liefen im Schnitt 9,5 Prozent – jetzt ist es ein Prozentpunkt weniger. Ich hoffe ja, dass sich «Eine für alle» noch fängt. «Anna und die Liebe» ist dies mit zwei Geschichten, die um Weihnachten rum funktioniert haben, auch geglückt.

Aber «Eine für alle» müsste die Werte verdreifachen um oberhalb des Schnitts zu liegen.
Und verfünffachen, dass alle wirklich happy sind. Das kann aber funktionieren: Steigert man sich erst einmal auf vier Prozent, dann sind die sechs Prozent nicht mehr weit.

Wie sehr macht Ihnen denn das jetzt starke «Anna und die Liebe» zu schaffen?
Das tut natürlich weh. Es ist nie gut, wenn sich zwei tägliche Serien kannibalisieren – wir hoffen jetzt, dass wir Sat.1 wieder mehr abknapsen können.

Welche Geschichten wollen Sie erzählen, damit das funktioniert?
Wir haben eine große Liebesgeschichte, die wir Telenovela-artig erzählen. Nick, gespielt von Hendrik Borgmann, und Tony sind darin die Hauptfiguren. Der Handlungsbogen wird sich wirklich über ein ganzes Jahr erstrecken. Außerdem kommen neue Figuren wie Ruth und Lea dazu – das sind zweieiige Zwillinge. Der «Marienhof» wird die beiden aufnehmen – und da sind wir wieder bei einem Gefühl, das es in den 90ern ganz stark gab: Im «Marienhof» gibt es ein starkes Gemeinschaftsgefühl – man ist nie allein.

Herr Müller-Elmau, danke für das Gespräch.
05.07.2009 09:18 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/35936