ProSieben wärmt seine «Popstars» am Donnerstag noch einmal auf, ehe in Kürze die neue Staffel startet. Der Traum, ein Star zu sein, scheint nach wie vor in den Köpfen vieler ungebrochen zu sein. Die Auswirkungen werden dabei oft unterschätzt.
Politiker, Models, Sänger – im Fernsehen wird nach wie vor munter gecastet. Fast keine halbwegs im Rampenlicht stehende Berufsgruppe wurde ausgelassen. Ganz oben steht allerdings nach wie vor der Wunsch, ein erfolgreicher Sänger zu sein. Über 30.000 Bewerber bei der vergangenen Staffel von «Deutschland sucht den Superstar» stellen das eindrucksvoll unter Beweis.
Mit diesen Zahlen kann ProSieben längst nicht mithalten, doch auch hier verlief die Bewerbungsphase für die neue Staffel von «Popstars» überaus erfolgreich: Mehr als 5.000 Mädchen und Jungs hoffen auf einen der beiden zu vergebenen Plätze – und letztlich eben auch auf Ruhm und Ehre. Doch ohne Fleiß, Arbeit und den Kontakt zu den richtigen Personen erscheint dieser Traum selbst mit medialer Unterstützung heutzutage nur schwer erreichbar zu sein.
Viel wichtiger noch, um möglichst lange erfolgreich zu sein, ist Talent. Das meint auch Medienexperte Jo Groebel. „Irgendeine Art von Begabung muss vorhanden sein“, machte er kürzlich in einem Gespräch mit der österreichischen „Presse am Sonntag“ deutlich. „Wir hatten etwa mit Daniel Küblböck keinen guten Sänger, aber eine Art Showman. Da war das Talent eben mit Trash verbunden. Reine Labornummern funktionieren nicht, das Publikum ist so nicht manipulierbar.“ Nicht zuletzt ist es allerdings auch die Eigenschaft des Polarisierens, die vonnöten ist, um als neuer „Medienstar“ im Gespräch zu bleiben.
Die ehemalige «DSDS»-Kandidatin Annemarie Eilfeld stellte das gut unter Beweis: Als sie in diesem Jahr an der RTL-Castingshow teilnahm, beherrschte sie fast täglich die Boulevard-Seiten der „Bild“-Zeitung – selbst Dieter Bohlen konnte sie dadurch verdrängen, was dem „Poptitan“ offensichtlich gar nicht gut schmeckte. Häufig sei es für die Präsenz in den Medien notwendig, der Öffentlichkeit „Soap-ähnliche Geschichten“ vorzuspielen, so Groebel. Hinzu kommt dann auch noch die Fähigkeit, seinen Fans eine Art Projektionsfläche zu bieten – ein offensichtlich nicht zu unterschätzender Faktor.
Genau das haben die Sender inzwischen selbst gut genug verstanden: Immer häufiger werden inzwischen bei Castingshows Geschichten rund um die Kandidaten inszeniert, um im Gespräch zu bleiben. Kostenlose PR für die Sender dank umfangreicher Berichterstattung – eine Symbiose, von der alle Seiten zu profitieren scheinen. Nur die Kandidaten manchmal nicht: Als „Heulsuse“ ging etwa einst «DSDS»-Kandidat Stephan Darnstaedt ein – und das war wohl noch eine der harmlosesten Beschimpfungen, die sich der junge Kandidat einst ausgesetzt sah.
ProSieben wärmt seine «Popstars» noch einmal auf, ehe in Kürze die neue Staffel startet. Der Traum, ein Star zu sein, scheint nach wie vor in den Köpfen vieler ungebrochen zu sein. Die Auswirkungen werden dabei oft unterschätzt.
Noch immer muss man nicht lange im Netz suchen, um öffentliche Demütigungen zu lesen: „Der Junge scheint ein wenig labil zu sein, wenn man mal schaut wie oft er schon heulend zusammengebrochen ist“, heißt es da etwa. Oder: „Ich kann gar nicht verstehen warum ich immer wieder latente Aggression verspüre, wenn ich den heulenden Stephan im TV sehe.“ Auch ein 17-Jähriger sorgte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen, als er vor der Jury kollabierte – die Juroren witterten damals eine Inszenierung. Wie auch immer: Ob dessen kompletter Name sowie Wohnort wirklich von RTL hätten eingeblendet werden müssen, darf durchaus bezweifelt werden. Dank Telefonbuch oder sozialem Online-Netzwerk war es ein Leichtes, seine genaue Anschrift herauszufinden.
„Ich bin total daneben. Seit meinem Auftritt klingelt das Telefon pausenlos. Leute beschimpfen und bedrohen mich“, sagte der Kandidat wenige Tage nach der Fernsehausstrahlung, nachdem drei Jugendliche die Haustür seines Elternhauses eingeschlagen hatten. Sein Fazit nach den turbulenten Tagen: „Ich nehme nie wieder an einer Castingshow teil.“ Die Einsicht kam für ihn zu spät – wohl für immer werden Beleidigungen zu seiner Person im Internet zu finden sein. „Vollspast“ und „Super-Depp“ sind nur einige der Ausdrücke, die sich der junge Mann gefallen lassen musste. Vielleicht ist es notwendig, die Kandidaten künftig besser zu schützen, schließlich wissen viele noch immer nicht, welchen medialen Drucks sie sich durch ihr Auftreten vor einem Millionenpublikums mitunter aussetzen.
Dabei ist das Spielchen eigentlich ganz einfach: Wer keine Geschichten liefert, ist raus. Für viele Bewerber ist das inzwischen natürlich Teil des Konzepts – denn sie wissen nicht, was sie tun. Da verwundert es kaum, dass RTL seine «Superstar»-Kandidaten inzwischen nach bestimmten Rollen-Erwartungen auswählt, sodass die Show Tag für Tag im Gespräch bleibt – die Quoten geben dem Sender dabei recht. Und die Konkurrenz schläft nicht: „Von Fremdschämen hoch zehn, bis zum Ausnahmetalent war alles dabei“, erzählt Musikproduzenten Alex Christensen von seinen Castingeindrücken der neuen «Popstars»-Staffel. „Ich hatte teilweise Krämpfe vor Lachen. Die gesanglichen Leistungen waren so unterschiedlich. Das war mächtig, wie ein großer Schokoladenkuchen“, fügt Songwriterin Michelle Leonard an.
Der Unterhaltungswert für die Zuschauer ist groß – doch ob so mancher Kandidat Jahre später seinen Auftritt wohl bereuen mag? Das Internet vergisst jedenfalls dank YouTube & Co. jeden noch so schrägen Ton nie. Für den schnellen Erfolg kann ein bunter Auftritt bei «DSDS» & Co. natürlich extrem hilfreich sein, und auch für eine kurze Würdigung in einem Jahre danach noch einmal ausgestrahlten Special. Einen Rückblick wagt am Abend übrigens auch ProSieben, ehe in Kürze wieder neue «Popstars» gesucht werden. RTL wird mit «Supertalent» und «DSDS» nachziehen, gefolgt von einer neuen «Topmodel»-Staffel bei ProSieben. Und schon jetzt kann man sich sicher sein: Der Traum von der großen Bühne wird auch diesmal wieder zahlreiche junge Menschen ins Fernsehen treiben. Und wieder werden viele nicht wissen, was sie eigentlich tun.