Die Experten Sommerspezial: US-Fernsehen

Quotenmeter.de beantwortet wieder Ihre Leserfragen. Heute mit dem Schwerpunkt amerikanisches Fernsehen.

Jede Woche erreichen uns unzählige Anfragen, die bereits in früheren Ausgaben beantwortet wurden. Daher befassen wir uns noch einmal mit den wichtigsten doppelten Fragen.

Harald: Warum gibt es in Amerika nur eine Fernsehzeitung und bei uns so viele?


Christian Richter: Die Information, dass es in den USA nur eine Programmzeitschrift gibt, ist so nicht ganz korrekt. Richtig ist, dass es nur eine landesweite Zeitung gibt, nämlich den „TV Guide“. Die Ursache liegt in der Fernsehstruktur in den Staaten. Dort gibt es, anders als bei uns, keine landesweiten Sender, sondern nur lokale Kleinstsender, die in einer Region oder zum Teil nur in einer Stadt zu empfangen sind. Jeder dieser Sender ist zwar an ein Network (wie ABC, CBS oder NBC) gebunden, die das Mantelprogramm liefern, aber er kann sein Programm relativ frei gestalten.

Insgesamt gibt es über 2.500(!) solcher Stationen. Erst ab 20 Uhr (sonntags ab 19 Uhr) schalten sich die Sender der jeweiligen Networks zusammen und liefern ein gemeinsames nationales Programm. Es ist daher ein unglaublich hoher Aufwand eine Zeitung zu erstellen, die all diese Sender auflistet. Letztendlich ist es auch sinnlos. Was interessiert den Zuschauer in Jackson Hole (Wyoming), was die Menschen in Galveston County (Texas) sehen können? Um diesem Chaos gerecht zu werden, bietet fast jede regionale Tageszeitung ein wöchentliches Fernsehprogramm in Form einer Beilage an. Selbst vom TV Guide gibt es daher nicht nur eine Version. Die Zeitung erscheint in über 180 verschiedenen regionalen Varianten.

Simon: Mich würde mal Interessieren, wie die Networks das "Problem" der verschiedenen Zeitzonen in den USA lösen.

Christian Richter:
Wie bereits erklärt sind die Networks in Amerika anders aufgebaut als unsere großen Sender. Das Programm wird über Tausende kleine regionaler Anstalten verbreitet. Insofern ist es kein Problem für jede Region oder jede Stadt das passende Programm zu senden. Dies schließt auch eine Anpassung der Sendezeiten mit ein. In jeder Zeitzone kann so jedes Programm individuell ausgestrahlt werden. In der Praxis hat sich jedoch ein zweigeteiltes Verfahren durchgesetzt. Obwohl es in den USA die vier Zeitzonen Eastern, Central, Mountain und Pacific gibt, werden die Programme nur zu zwei unterschiedlichen Zeiten ausgestrahlt. Dabei sind die einwohnerstarken Küsten (Eastern und Pacific) die Referenz. Die Sender der jeweils benachbarten innere Zeitzone des Landes übernehmen deren Ablauf. Dadurch laufen dort die Programme um eine Stunde versetzt.

Wenn also beispielsweise um 20 Uhr Eastern Time ein Programm startet, ist es in der Central Zone bereits ab 21 Uhr zu sehen. In der Pacific Zone wird es dann wieder um 20 Uhr nach deren Zeitrechnung startet, wodurch die Sendung in der Mountain-Zone ebenfalls um 19 Uhr beginnt. Durch diese Verschiebung im Landesinneren gibt tatsächlich keine einheitlichen Sendezeiten, was man auf Werbungen für amerikanische Serie auch daran erkennt, dass stets zwei Zeiten aufgeführt sind. Bei dem obigen Beispiel würde als Beginn „8/7c“ stehen. Dabei steht das „c“ für „central“ als das Landesinnere und damit die Zeitzonen Central und Mountain-Time.



Tobias: Warum zeigen die amerikanischen Networks so selten Spielfilme?

Christian Richter:
Kinofilme spielen im amerikanischen Fernsehen eine geringere Rolle als bei uns. Dies mag zum einen daran liegen, dass die Amerikaner häufiger ins Kino gehen und zum anderen daran, dass sie intensiver als wir DVDs kaufen und leihen. Daher zeigen die großen Networks nur ausnahmsweise Spielfilme, zum Beispiel an Feiertagen. Es gibt also keine festen Sendeplätze. Lediglich The CW zeigte zuletzt sonntags ältere Filme wie «Rain Man». Bis vor wenigen Jahren gab es auf ABC einen Slot für Disney-Filme mit dem Titel «The Wonderful World of Disney».

Wenn ein Sender mal einen Spielfilm zeigt, laufen diese meist nicht so erfolgreich wie die Serien. Einige Beispiele: Zuletzt zeigte der Sender Fox den Film «Natürlich Blond» und erreichte damit nur 2,89 Millionen Zuschauer. Im Mai sendete ABC den Film «Happy Feet» und begeisterte nur 5,5 Millionen Menschen. Mit den Filmen am Sonntagabend konnte The CW meist nicht mehr als 1,5 Millionen Zuseher gewinnen.

Wer trotzdem im amerikanischen Fernsehen Blockbuster sehen möchte, kann dies vor allem bei den Satelliten- und Kabelsendern tun. Dort haben sich Sender wie USA (aktuell «Trennung mit Hindernissen», «Golden Eye»), TNT (z.B. «The Rock», oder «Spiderman») oder FX (z.B. «Nachts im Museum», «Ice Age 2» oder «Rocky Balboa») auf Filme spezialisiert. Besonders letztgenannter Sender will sich mit Free-TV-Premieren einen großen Namen machen. Vor kurzem kaufte er die Rechte für «Star Trek», «Nachts im Museum 2» und «X-Men Origins: Wolverine» und zahlt dafür bis zu 12 Prozent des amerikanischen Einspielergebnisses, was zu Summen von über 20 Millionen US-Dollar führen kann.

Daneben gibt es selbstverständlich auch in den USA einen umfangreichen Pay-TV-Markt, in dem die Kinofilme als erstes zu sehen sind. Bei HBO sind derzeit beispielsweise «The Dark Knight», «Kung-Fu Panda» oder «Akte X – Jenseits der Wahrheit« zu sehen.

Auf der nächsten Seite: Ist Pay-TV in den USA ähnlich teuer wie in Deutschland? Und was verbirgt sich hinter PBS?


Simon: Ist das amerikanische Pay-TV auch so teuer wie bei uns Sky?

Christian Richter:
Anders als das deutsche Pay-TV ziehen die HBO und Showtime ihre Kunden hauptsächlich durch ihre hochwertigen Eigenproduktionen an, die sonst nirgends zu sehen sind. Bei HBO liefen die mehrfach prämierten Formate «The Sopranos», «Sex and the City», «Six Feet Under», «Deadwood» und «Entourage». Abonnenten von Showtime dürfen in den Genuss von «Dexter», «Californication», «The L Word», «Weeds» und «Queer as Folk» kommen. Doch nun zu den Kosten. Die Sender sind in der Regel nur in Paketen erhältlich.

Das HBO Paket besteht dabei grundsätzlich aus acht einzelnen Sendern wie HBO, HBO2, HBO Comedy und HBO Family. Das Showtime-Abo setzt sich aus zehn Sendern wie Showtime, Showtime2, Showtime Women und Showcase zusammen. Beide Pakete sind über die jeweiligen Kabelnetz- oder Satellitenbetreiber zu beziehen. Dabei variieren die Preise von Anbieter zu Anbieter etwas. Bei AT&T sind die Abos beispielsweise für je 14 Dollar im Monat bestellbar. DirecTV möchte 15 Dollar haben und im DishNetwork ist HBO für 16 Dollar und Showtime für 13 Dollar im Monat zu bekommen.

David: Habe vor kurzem gehört, dass es einen Sender namens PBS gibt? Da ich diesen bisher nicht kenne, wollte ich mal fragen, was dort so läuft.

Christian Richter:
Der Sender Public Broadcasting Service (PBS) entspricht ungefähr unseren öffentlich-rechtlichen Kanälen. Dieser arbeitet profitunabhängig und wird durch 354 amerikanische Mitgliedssender sowie Spenden betrieben. Im Programm des Senders befinden sich vor allem hochwertige, eigenproduzierte Dokumentationen, Nachrichten, Magazine, Kunstberichte und einigen Mini-Serien. Zu den bekanntesten Formaten zählen die Kulturserie «American Masters», die Geschichtsreihe «American Experience» und das Reportagemagazin «Frontline». Zudem hat sich PBS auch mit seinem pädagogisch wertvollen Kinderprogrammen verdient gemacht. Zu den Produktionen des Senders gehört neben «Barney und seine Freunde» auch die «Sesamstraße». Neben diesen Eigenproduktionen erhält der Sender sein Programm auch von American Public Television, der NETA (National Educational Telecommunications Association) und unabhängigen Produzenten.

In einer Umfrage wurde der Sender übrigens zur vertrauenswürdigsten Institution des Landes gewählt. PBS selbst betont, dass ihre Sendungen immer wieder in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zur Wissensvermittlung eingesetzt werden.



Jens: Warum erreicht heute kein US-Sender mehr so hohe Quoten wie vor ein paar Jahren. Damals wäre eine Serie, die unter 10 Millionen Zuschauern erreichte nie verlängert worden.

Christian Richter:
Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig. Zum einen wurde der Fernsehmarkt im Laufe der vergangenen Jahre immer größer. Durch digitale und analoge Kabel- und Satellitensender haben die klassischen Networks eine größere Konkurrenz bekommen und müssen sich den Kuchen nun mit mehr Mitbewerben teilen. Zum anderen wird der Wettstreit mit Online-Angeboten immer größer. Der Zuschauer muss nun nicht mehr jede Woche zu einer festen Zeit vor dem Fernseher sitzen, sondern kann sich auf den Plattformen der entsprechenden Sender die Folge zu einer Zeit anschauen, die ihm passt. Dazu kommen Festplatten- und DVD-Rekorder, die es ebenfalls möglich machen, Serien ohne große Anstrengungen irgendwann zu schauen. Wenn dies eine Woche nach der TV-Ausstrahlung passiert, zählen diese Zuschauer nicht mehr zur Quote. Zuletzt hat sich der DVD-Markt zu einem großen Konkurrenten entwickelt. Bereits kurz nach Ausstrahlung der Serien sind diese zu erschwinglichen Preisen in vollständigen Boxen erhältlich. Als Fan kann man dann die Serie am Stück und ohne Werbung schauen und ist damit ebenfalls auf die Ausstrahlungen im TV nicht mehr angewiesen. Diese Effekte sind ebenfalls in Deutschland spürbar. Auch bei uns sinken die Reichweiten der großen Sender stetig.

Rikko: Nachdem «Scrubs» und «Medium» auf ihren Sendern nicht mehr erfolgreich waren, übernahmen andere Sender die Produktion. Hat schon mal ein deutscher Sender eine US-Serie weiterproduziert?

Christian Richter:
Meines Wissens nach ist es noch nicht vorgekommen, dass ein deutscher Sender eine amerikanische Serie allein weiterproduziert hat. Dies würde sich aus deutscher Sicht kaum lohnen, da die Produktionspreise für eine US-Serie deutlich über den deutschen Verhältnissen liegen. Die einzige Möglichkeit bestünde in einer Beteiligung eines deutschen Senders in Form einer Koproduktion, wie es bei «Surface» von ProSieben kurzfristig angedacht war. Eine solche Entscheidung müsste allerdings recht zügig nach dem Ende der Produktion fallen, da es üblich ist, die Dekorationen der Serien schnell zu vernichten.

Was jedoch vorgekommen ist, dass eine Serie, die in den USA nur dürftig lief, aufgrund des großen Erfolges im Ausland und den damit verbundenen Verkaufserlösen vom amerikanischen Sender weiterproduziert wurde. Das prominenteste Beispiel ist hierfür die Serie «Baywatch», die dort aber auch weiter ausgestrahlt wurde und später auch in den USA zu einem Hit wurde. Diese Option ist nämlich nur dann möglich, wenn sich das Format halbwegs auch in den USA vermarkten lässt. Einen Totalflop würde selbst ein internationaler Erfolg kaum retten können.

Johannes: Wieso machen die Schauspieler bei «Eine schreckliche nette Familie» immer wieder lange Pausen, obwohl überhaupt niemand mehr lacht?

Christian Richter:
Der Grund dafür liegt in der deutschen Synchronisation der Serie. Wenn die Sitcoms in den USA produziert werden, nimmt man sie in der Regel vor echtem Publikum auf, d.h. gegenüber des Sets von Al Bundy saßen tatsächlich einige Hundert Menschen. Wenn die Serien nun übersetzt werden, löscht man die gesamte Tonspur und damit auch die realen Lacher des echten Publikums. Anschließend werden diese anhand von Sounddateien wieder draufgelegt, die zum Teil sehr steril sind. Das führt auch manchmal zu auffälligen Pausen, wenn die deutsche Sounddatei bereits mit Lachen fertig ist, während die Amerikaner im Original länger applaudiert haben. So ist auch zu erklären, dass Al Bundy stets einen Applaus bekommt, wenn er das erste Mal wie beim Theater vor das Publikum tritt.

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Die nächste Experten-Ausgabe erscheint am kommenden Montag, den 31. August 2009.

24.08.2009 12:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/36860