Die Kritiker: «Fred Vargas: Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord»

Story
Auf Pariser Bürgersteigen werden über Nacht mysteriöse blaue Kreidekreise gezeichnet, in denen der seltsame Satz "Victor sieh dich vor, was treibst du jetzt noch vor dem Tor?" geschrieben steht. Im Kreis befindet sich stets ein vermeintlich banaler Gegenstand, etwa ein Lockenwickler, ein Kronkorken, eine tote Katze, ein Ohrring. Während die Presse amüsiert rätselt, wer der nächtliche Kreidezeichner sein könnte, sieht Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg eine Methode hinter den Pflasterkreisen. Niemand nimmt seinen Verdacht ernst, bis seine Befürchtung eines Nachts wahr wird: Im blauen Kreidekreis liegt der erste Tote – und es wird nicht der letzte sein.

Darsteller
Jean-Hugues Anglade («Léon – Der Profi») ist Kommissar Jean Baptiste Adamsberg
Jacques Spiesser («Mein bester Freund», «Liebe um jeden Preis») ist Adrien Danglard
Hélène Fillières («Seaside») ist Camille Forestier
Charlotte Rampling («Die Verdammten») ist Mathilde
Jean-Pierre Leaud («Sie küssten und sie schlugen ihn») ist Le Nermord
Stanislas Merhar («Der Graf von Monte Christo») ist Reyer
Corinne Masiero («Liebe das Leben») ist Violette Retancourt

Kritik
Im Fernsehen war Kommissar Jean Baptiste Adamsberg erstmals in seinem zweiten Fall «Bei Einbruch der Nacht» zu sehen, jetzt folgt mit «Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord» die Verfilmung des ersten Romans der französischen Archäologin und Mittelalterexpertin Fred Vargas, die zu den meistgelesenen Krimiautorinnen der Welt zählt. Das Ergebnis der Kooperation zwischen dem ZDF und dem französischen Sender France 2 ist dabei noch brillanter, als es schon das filmische Vargas-Debüt war.

Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg ermittelt zum ersten Mal in vertrauter Pariser Umgebung. Er verfolgt einen Fall, der eigentlich noch gar kein richtiger Kriminalfall ist: Auf Pariser Bürgersteigen mehren sich blaue Kreidekreise mit einer seltsamen Inschrift und vermeintlich wahllos platzierten Gegenständen. Die Bevölkerung reagiert belustigt, Psychologen vermuten eine künstlerische Auseinandersetzung mit Dingen, die in der Gesellschaft keinen Wert mehr haben: Benutzte Kronkorken finden sich ebenso wie tote Kleintiere oder arglos weggeworfener Müll. Nur Adamsberg fürchtet, dass die Kreidekreise im Laufe der Zeit auch Menschenleben kosten könnten. Eines Nachts bestätigt sich seine Intuition: Eine Frau wird tot in einem blauen Kreidekreis gefunden, ermordet mit einer Rasierklinge.

Neben dem bewährten Jean-Hugues Anglade als Jean Baptiste Adamsberg und Jacques Spiesser als Inspektor Adrien Danglard erweitert mit Charlotte Rampling eine weitere charismatische Schauspielerin das bizarre Figurenspektrum: Mathilde war eine erfolgreiche Fotografin, die zufällige Straßenszenen aufgenommen und Menschen auf der Jagd nach einem guten Foto verfolgt hat. Seit einem tödlichen Vorfall vor etlichen Jahren fotografiert sie mit einer Kamera ohne Film und skizziert stattdessen ihre Modelle. Sie sucht einen blinden Mann namens Reyer, großartig als beißend sarkastisches, aber auch verletzliches Wesen verkörpert von Stanislas Merhar, den sie in einem Café getroffen hat. Im Gegenzug will sie Adamsberg helfen, den Pflastermaler zu finden – denn auch ihn hat sie des Nachts verfolgt. Im Laufe der Ermittlungen weiß Adamsberg jedoch nicht, wem er noch trauen kann, denn die Mordopfer weisen Verbindungen in alle erdenkbaren Richtungen auf.

Die zweite Verfilmung der großartigen Romanadaption von Emmanuel Carrère ist durch die Ansiedlung im Pariser Leben noch lebendiger und atmosphärischer als Adamsberg letzter Fall. Der Krimi strotzt vor aberwitzigen Wendungen und Zusammenhängen, bleibt dabei intellektuell und künstlerisch aber immer anspruchsvoll und augenzwinkernd. Wer sich für spannende Unterhaltung zwischen Film und Kunst begeistern kann, darf diesen Vargas nicht verpassen.

Das ZDF zeigt «Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord» am 27. September 2009 um 22:25 Uhr. Die Reihe wird mit dem Zweiteiler «Der vierzehnte Stein» (4. und 11. Oktober 2009) fortgesetzt.
26.09.2009 09:03 Uhr  •  Jakob Bokelmann Kurz-URL: qmde.de/37493