Pochers Sat.1-Premiere: Der Retter der Nacht?

Viel wurde geredet, nun ist sie da: «Die Oliver Pocher Show». Auch wenn noch nicht alles klappte - Pocher könnte die Late-Night doch noch retten. Die TV-Kritik zur Premiere...

Da steht er also, mit langem, an Harald Schmidt erinnernden Bart und zum Zopf gebundenen Haaren. Angelnd, mit Hund Sandy an der Seite. Ja, er ist es wirklich – Oliver Pocher hat sein Glück gefunden. Wäre da bloß nicht Guido Bolten gewesen, seines Zeichens Chef von Sat.1. Er holte «ran» und Kerner zurück, und nun auch noch Oliver Pocher. Doch der zeigte sich zunächst wenig begeistert, schreit: „Fick dich ins Knie, Bolten.“ Und dann tritt er Sandy in hohem Bogen ins Wasser.

„Du hast nur Schiss vor Schmidt“, sagt Bolten und weckt damit Pochers Ehrgeiz. So oder so ähnlich muss es sich abgespielt haben, als sich Bolten und Pocher zum ersten Mal getroffen und ihre Pläne für eine neue Late-Night-Show geschmiedet haben. Und dann geht sie endlich richtig los: «Die Oliver Pocher Show». Viel wurde im Vorfeld schon über die Show geschrieben, sämtliche Nettig- und Nichtigkeiten zwischen Pocher und seinem Kompagnon Harald Schmidt via FAZ & Co. ausgetauscht.



Alle seien an Late-Night zuvor gescheitert, sagt Bolten in dem vor Beginn der Show gezeigten Einspieler – selbst Krüger. In der Tat: Late-Night war noch nie so recht ein Steckenpferd der Deutschen. Egal ob Anke Engelke oder Niels Ruf: Sie alle machten Late-Night, doch so richtig wollte der Funke nie überspringen. Das gelang eigentlich nur Harald Schmidt, der sich inzwischen jedoch vom Mainstream immer weiter verabschiedet hat und seine ARD-Show immer weiter in Richtung Nische zu verändern scheint. Pocher will das nicht: Er bedient nicht Peymann oder Grass – seine Themen sind deutlich boulevardesker. So wie man es von ihm eben auch erwartet.

Zu einer guten Late-Night-Show gehört aber letztlich eine gute Mischung aus allen Themen, und natürlich ein gutes Stand-Up zu Beginn der Sendung. Daran haperte es bei Pochers Sat.1-Einstand am Freitagabend leider noch. Zu bemüht wirkten die Witze, zu aufgeregt wirkte Pocher: Hier kann er sich sicherlich von Schmidts über die Jahre angesammelter Routine noch einiges abschauen. So langatmig der erste Teil der Show wirkte, so unterhaltsam wurde es danach. Die eigentliche Stärke Pochers liegt sicherlich in seinen wirklich lustigen Einspielern: So besuchte er den Deutschen Fernsehpreis gemeinsam mit seinem Vater, der auch sonst in der Sendung eine große Rolle einnahm und auch im weiteren Verlauf noch zu sehen sein sollte.

Viel wurde geredet, nun ist sie da: «Die Oliver Pocher Show». Auch wenn noch nicht alles klappte - Pocher könnte die Late-Night doch noch retten. Die TV-Kritik zur Premiere...

Wie Pocher ihm die mehr oder weniger glamouröse Medienwelt näher brachte, hatte durchaus Unterhaltungswert. „Einfach den Presseausweis umhängen, ist so wie ein Behindertenausweis“, machte er deutlich – und dann ging’s auch schon los. Ob Schnittchen essen oder Smalltalk mit Marco Schreyl über das künftige Babyglück oder Witzeleien mit Heidi Klums «Topmodel»-Siegerin Sara Nuru, über die Pocher scherzte, es handle sich um Sandy im Solarium: Das machte Spaß und Lust auf mehr. Und mit Pochers Besuch auf dem Oktoberfest gab es dann sogar noch Nachschlag. Witzig, wie er schreiend durch’s Festzellt rennt und die Besucher entlarvt.

Doch wie schlug sich der Gastgeber im Gespräch mit seinen Gästen? Viel kitzelte er sicherlich nicht aus ihnen heraus, sieht man mal vom neuen Babyglück des nun ebenfalls in Sat.1 angestellten Johannes B. Kerners mal ab. Der durfte dann kurz das Konzept seiner neuen Show vorstellen und machte zugleich deutlich, dass er künftig noch mehr Tatendrang an den Tag legen möchte. „Mehr Leidenschaft?“, fragte Pocher. „Heißt das, du hast die Sendung zuletzt nur noch runtergerotzt?“ Das saß. Im Gegensatz zum Gespräch mit Popstar Shakira – mehr als Floskeln wurden hier nicht zutage gefördert. Hier ging es um die neue Single, deutsche Würstchen und Sex im Kölner Dom – letzterer Punkt brachte die Kolumbianerin dann doch ins Schwitzen, wollte sie doch eigentlich weder über Sex noch Religion sprechen.



Das anschließende Kegeln mit Kerner, Pocher und dessen Vater entschädigte dann aber doch. Schon der Weg zur gegenüberliegenden Kneipe erwies sich als abwechslungsreicher Punkt, der durchaus etwas von Schmidts teils kuriosen Aktionen während seiner früheren Sat.1-Zeit hatte. Dass Shakira Pocher wegen zahlreicher Autogrammwünsche der Passanten doch glatt die Show stahl, störte da kaum. Pocher, der sich selbst im bein- und bauchfreien Shakira-Fummel schließlich zum Narren machte, fand immer besser in die Rolle des Solo-Gastgebers und machte am Ende dann doch eine gute Figur in seiner Show, deren Schuhe ihm zwischenzeitlich noch etwas zu groß geraten schienen.

Ausbaufähig ist «Die Oliver Pocher Show» daher allemal. Nur der Sendeplatz könnte Pocher einen Strich durch die Rechnung machen, floppte in Sat.1 am Freitagabend doch zuletzt nahezu jedes Format – und ob Kai Pflaumes Tanz-Debakel «Yes We Can Dance!» tatsächlich als gute Vorlage diente, darf durchaus bezweifelt werden. Das dauerte übrigens sogar ein paar Minuten länger als geplant und brachte Oliver Pocher in eine Situation, die er auch noch allzu gut von seiner Zeit im Ersten kannte. Doch meinte es Sat.1 ernst mit einer richtigen Late-Night-Show, sollte man den Schritt wagen und Pocher täglich auf Sendung schicken. Das Potenzial zum Retter der Nacht hat Oliver Pocher ganz gewiss, man muss ihn nur lassen. Vielleicht gelingt es dann ja doch noch, die Late-Night zu einem Steckenpferd der Deutschen zu machen.
03.10.2009 00:01 Uhr  •  Alexander Krei Kurz-URL: qmde.de/37615