Sonntagsfragen an Dr. Peter Süß (Teil II)
Wir trafen den Chefautor von «Sturm der Liebe» in seinem Büro in Geiselgasteig. Wie es mit Barbara von Heidenberg weitergehen wird, war nur eines von vielen Themen rund um Fieslinge und tägliche Serien.
Jetzt haben wir viel über die lieben und netten Hauptfiguren gesprochen – deshalb ist jetzt auch einmal Barbara von Heidenberg dran. Sie sitzt ja momentan in U-Haft…
Richtig, sie muss noch verurteilt werden. Das würde ich 2010 gern zu einer größeren Geschichte machen. Barbara von Heidenberg bekommt den Prozess gemacht. Ich finde, es ist für eine Telenovela wichtig, dass die Antagonisten auch bestraft werden. Als ich bei «Verbotene Liebe» Chefautor war, hat die Figur Tanja von Anstetten, gespielt von der großartigen Miriam Lahnstein, teilweise im ON, drei Menschen ermordet, darunter auch zwei beliebte Figuren des Hauptcasts, etwa die Kneipenwirtin Cleo. Ich habe Tanja dann aus der Serie geschrieben. Sie stieg damals in eine Stretch-Limousine ein, der Fahrer war der Freund der getöteten Cleo, Tim Sander – die Figur hieß wirklich so, hatte aber natürlich nichts mit dem Schauspieler Tim Sander zu tun –, er richtete eine Waffe auf sie.
Obwohl es nie zu sehen war, sollte klar sein, dass Tanja erschossen wurde. Nach meiner Zeit wurde sie wieder in die Serie geschrieben – ich glaube, sie war in der Zwischenzeit in irgendeinem arabischen Puff beschäftigt… und jetzt rennt eine dreifache Mörderin einfach wieder bei «VL» herum, und keiner regt sich auf.
Dann ist dem Zuschauer also doch viel zuzumuten…
Ja, unter einer Bedingung: es muss für den Zuschauer emotional nachvollziehbar sein. Dann gibt es keine Probleme. Außer bei notorischen Erbsenzählern: Wir beim «Sturm» bekommen manchmal Briefe, in denen sich Zuschauer zum Beispiel beschweren, dass wir eine Figur „Arzthelferin“ nennen – der Beruf nenne sich doch nun MTA! (lacht) So ist es halt: Wenn in einer Serie ein Schornsteinfeger vom Dach fällt, aus dramaturgischen, kompositorischen, also: ästhetischen Gründen vom Dach fallen muss – was passiert? Es laufen Beschwerden von der Schornsteinfegerinnung ein: Ein Schornsteinfeger, so heißt es da, fällt nicht vom Dach!
Wer ist denn für Sie der beste Serienfiesling in Deutschland?
Da kommt man natürlich auf Jo Gerner, sicherlich der beste J.R.-Nachfolger in einer deutschen Serie. Wolfgang Bahro verkörpert ihn einfach unnachahmlich. Es war immer ein großes Vergnügen, für ihn Geschichten und Szenen zu entwickeln. Und ich glaube, den Kollegen heut' bei «GZSZ» geht´s genauso. Nicola Tiggeler, die bei uns mehrere Staffeln die böse Barbara von Heidenberg spielte, steht ihm in nichts nach. Sie ist eine sensationelle Darstellerin. Das Böse in solchen Serien ist interessanterweise überwiegend bei Frauen angesiedelt, es gibt kaum Formate, in denen Männer ganz allein die Antagonisten sind.
Im kommenden Monat startet Sat.1 «Eine wie Keine»: Die Serie wird ebenfalls größtenteils in der Welt eines Hotels spielen. Fühlen Sie sich da geehrt?
Warum sollte ich? Ich bin schließlich nicht der erste, der eine Serie konzipiert hat, die in einem Hotel spielt – und hab mir auch nie eingebildet, der letzte zu sein. Die Hotelwelt ist einfach interessant. Für mich gibt es ohnehin nur wenige Welten, in denen eine tägliche Serie idealerweise spielen sollte: ein Hotel, eine Klinik, so was in der Art. Warum? Es braucht einen festen Dreh- und Angelpunkt, und die Menschen dürfen aus dieser Welt nicht so einfach wegkommen. Ich stelle jetzt mal die These auf: Würde man es heute starten, dann würde «GZSZ» nicht mehr funktionieren, weil es kein klares Zentrum hat. Bei «Alles was zählt» ist es das Steinkamp-Zentrum, bei uns der Fürstenhof… Um einfach, klar und verständlich zu erzählen, ist es sehr hilfreich, einen Mittelpunkt zu haben, einen Ort, an dem sich die Leute permanent über den Weg laufen. Das ist meines Erachtens auch einer der Gründe, warum die ZDF-Formate nicht ganz so gut funktionieren.
Sie sprechen jetzt von «Wege zum Glück»?
Da gab es diese Porzellan-Manufaktur. Was meinen Sie, wie schwer sich die Autoren getan haben, die Figuren da zueinander zu bringen. Die müssen sich irgendwo treffen. Und warum soll man immer in eine Manufaktur gehen? Also muss man irgendwelche Gründe erfinden oder die Darsteller zum x-ten Mal in ein Café schicken, so dass man sich als Zuschauer irgendwann fragt: Ist das eigentlich das einzige verdammte Café in der Stadt? Bei uns im Hotel, da leben die Figuren, da arbeiten sie – sie können sich nicht entrinnen. Ähnlich in einem Krankenhaus. Die Patienten kommen nicht so einfach weg, und die Ärzte und das Pflegepersonal sind dort angestellt... Man fragt sich als Zuschauer also gar nicht erst, warum sie da sind. Und dann muss man als Autor auch keine Verrenkungen anstellen, sondern kann sofort die emotionalen Kerne der jeweiligen Geschichten ansteuern – A und O jeder täglichen Serie.
Ist der Trend der täglichen Serien nicht langsam vorbei? Kann «Eine wie Keine» überhaupt noch funktionieren?
Unbedingt! Daily Soaps und Telenovelas ziehen Frauen am meisten an – sie sind vor allem für die Werbeindustrie äußerst interessant. Deshalb kann ich den Schritt von Sat.1 sehr gut verstehen. Aber natürlich muss man genau analysieren, wie viele solche Formate der Markt noch verträgt, ohne dass eine Kannibalisierung eintritt. Wir sind jetzt bei zehn täglichen Serien angekommen – von 14.10 Uhr bis 20.15 Uhr kann man solche Serien fast ununterbrochen ansehen. Sat.1 macht mit «Eine wie Keine» – wenn es gut erzählt und produziert ist – sicher nichts falsch. Soaps lassen sich immer noch recht günstig herstellen, wenngleich sie natürlich ein bisschen teurer sind als «K 11» und Co.
Gibt es Geschichten, die Sie in einer Telenovela nie erzählen würden? Gibt es Tabus?
Tabus kann ich mir nur wenige vorstellen. In einer täglichen Serie kann man fast alles erzählen, wenn ein interpersonaler Konflikt darin vorkommt. Schwierig wird es bei Krimis oder Thrillern, wobei wir solche Geschichten mit Barbara von Heidenberg schon auch gemacht haben. Psychothriller und Mystery haben in der Tat in einer Telenovela nichts verloren, das Melodram ist ja der Pate aller Dailys. Aber als Teil eines Melodrams geht sogar das, und das find' ich toll an Soaps und Telenovelas.
Letzte Frage an Sie: Wie geht es im Fürstenhof weiter, planen Sie vielleicht sogar schon die sechste Liebesgeschichte?
Das kann ich erst im November beantworten, wenn wir mit der Planung dieser neuen großen Geschichte beginnen. Momentan beschäftige ich mich vor allem mit dem Prozess von Barbara von Heidenberg, den es 2010 geben wird. Niccola Tiggeler hat große Lust, wieder die durchtriebene Barbara von Heidenberg zu spielen. Und wie der Prozess dann ausgeht – da darf jeder gespannt sein.
Danke für das ausführliche Gespräch.