Noch wenige Tage bis zum Start von ZDFneo. Auch wenn sich schon zahlreiche Kritiker zu Wort meldeten: Der Sender könnte sich durchaus zu einer Alternative entwickeln. Was sich die Macher erhoffen…
Der 1. November wird ein „historischer Schritt“ – zumindest für ZDF-Intendant Markus Schächter. An diesem Tag startet nämlich der neue Digitalsender ZDFneo, der aus dem Dokukanal der Mainzer hervorgeht. Ein Sender, der in den vergangenen Wochen und Monaten für so viel Wirbel sorgte, wie man ihn wohl selbst auf dem Lerchenberg nicht erwartet hätte.
Doch was genau gibt es eigentlich bei ZDFneo zu sehen? Klar ist, dass sich der Sender vor allem an die 25- bis 49-Jährigen wenden möchte, also an jene Zuschauergruppe, die dem ZDF immer weiter abhanden zu kommen scheint. Ein Sender, von dem letztlich auch das ZDF profitieren soll: Programmdirektor Thomas Bellut spricht in diesem Zusammenhang gerne von einem „Innovationsmotor“, der die Möglichkeit bietet, neue Programmfarben für das Hauptprogramm auch mal ohne das Diktat der Quote auszuprobieren.
„Das Programmschema ist vor allem durch eine großflächige, genrebezogene Programmierung geprägt – Doku-Blöcke wechseln sich mit fiktionalen Programmblöcken ab –, eine Programmierung, die dem Sehverhalten der Zielgruppe entspricht“, erklärt ZDFneo-Chef Norbert Himmler. „Die Kunst ist es, dabei etwas zu bieten, was im Hauptprogramm noch nicht zu finden, für die Zielgruppe aber interessant ist und uns von den Privatsendern unterscheidet.“ Dazu zählen nicht zuletzt auch Serien-Importe wie die mit zahlreichen Emmys ausgezeichnete US-Sitcom «30 Rock», die gleich zum Start von ZDFneo zu sehen sein wird.
«30 Rock» war lange bei Das Vierte im Gespräch, läuft nun aber beim neuen ZDF-Hoffnungsträger. Hinzu kommen weitere internationale Serien wie etwa «In Plain Sight – In der Schusslinie», die für den Nachmittag geplante Sitcom «Seinfeld» oder auch «GSI – Spezialeinheit Göteborg» und «Spooks – Im Visier des MI5» – letztere Serie schafft zudem auch gleich den Sprung ins ZDF. Darüber hinaus wird es vor allem das Genre „Factual Entertainment“ sein, das das Programm von ZDFneo prägen wird. Anders ausgedrückt: Dokusoaps bilden eine große Säule.
Dabei setzt ZDFneo einerseits auf eigenproduzierte Formate wie «Hochzeitsfieber», zugleich aber auch auf internationale Formate wie «Mamas Traumjob» – eine Reihe, in der Hausfrauen und Mütter für eine Woche in ihr früheres Berufsleben zurückkehren und das Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie erleben. „ZDFneo will anspruchvolle Unterhaltung, will realitätsnahe Orientierungshilfe bieten“, so Programmdirektor Thomas Bellut (Foto), der auf das Projekt «Straßenchor» verweist, das gleich in der ersten Sendewoche starten wird. Ein engagierter Chorleiter versucht hier, Menschen, die im Leben nicht auf der Sonnenseite stehen, durch das Singen in einem Chor wieder eine Perspektive zu bieten.
Was das ZDF zur Kritik am neuen Sender sagt und welche Formate für das Programm von ZDFneo geplant sind, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Noch wenige Tage bis zum Start von ZDFneo. Auch wenn sich schon zahlreiche Kritiker zu Wort meldeten: Der Sender könnte sich durchaus zu einer Alternative entwickeln. Was sich die Macher erhoffen…
Dass man bei den Privatsendern über ZDFneo alles andere als erfreut ist, versteht sich von selbst: „Ich habe ja schon gehört, dass wir in Deutschland demografische Probleme haben und die Bevölkerung immer älter wird. Aber dass mit den 25- bis 49-Jährigen jetzt die Mitte der Gesellschaft schon eine Randzielgruppe ist und damit ein Nischenfernsehen rechtfertigt, ist mir neu“, sagte RTL-Chefin Anke Schäferkordt in dieser Woche in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Schäferkordt: „Selbst wenn es aussieht, wie das Programm von Privaten, nur ohne Nachrichten - ich frage mich: Wie groß muss das Öffentlich-Rechtliche in Deutschland noch werden, während Private selbst in Krisen wie diesen überreguliert bleiben? Wann wird die Politik beginnen, die Vielfalt zu schützen, um die uns andere beneiden?“
ZDFneo-Chef Norbert Himmler (Foto) teilt diese Einschätzung freilich nicht: „Wir haben die Pflicht, für alle, die Gebühren zahlen, Programm zu machen. Das ZDF muss für alle Alters- und Zielgruppen etwas bieten.“ Dennoch müsse man nun beweisen, dass sich sein Sender in allen Genres, die für die Zielgruppe relevant sind, von den Privatsendern unterscheide. Das soll letztlich mit Zweitverwertungen bekannter ZDF-Marken wie «Terra X» oder der «Küchenschlacht» ebenso gelingen wie eigenen Produktionen, zu denen etwa die Musiksendung «neoMusic» zählt. „Die Happy“-Sängerin Marta Jandová wird diese Sendung aus einem Plattenladen in Berlin-Kreuzberg moderieren und einen Blick auf die aktuelle Musikszene richten.
Und dann wäre da auch noch das Genre Comedy – ein Feld, das das ZDF bislang weitgehend spärlich bediente. Fast täglich wird Jürgen „Knacki“ Deuser das «Comedy Lab» präsentieren und das aktuelle Geschehen kommentieren – mit Stand-Up, Einspielern, Sketchen und Talk. Hinzu kommt «Die Süper Tiger Show», die eine Late-Night der etwas anderen Art darstellt und von einem Gastgeber namens „Tiger“ aus einem Kreuzberger Hinterhof-Keller moderiert wird. Gemeinsam mit Dokus, Reportagen und – deutschen und internationalen – Filmen, wie etwa «The Sentinel» und «Monster» in den ersten Tagen, könnte ZDFneo daher tatsächlich eine Alternative zu den Privaten sein, wenngleich den Machern klar sein dürfte, dass ihnen ein langer Weg bevorsteht.
Zunächst dürfte es auch darum gehen, die Reichweite auszubauen: Nur etwa 40 Prozent der Bevölkerung wird zu Beginn in der Lage sein, ZDFneo zu empfangen. „Das ist ein Handikap für den Start“, so Senderchef Himmler. „Und auch die Kanalteilung mit dem KI.KA im digitalen terrestrischen Fernsehen ist ein Problem. Dennoch ist es richtig, dass wir uns jetzt vorbereiten: Wenn in zwei bis drei Jahren die Digitalisierung vollzogen ist, können wir dann mit einer sehr großen Reichweite schon sehr präsent auf dem Markt sein.“ Für das kommende Jahr hat sich ZDFneo jedenfalls schon mal mit neuen Stoffen eingedeckt: Die Tierdoku-Reihen «Jeff Corwins tierische Abenteuer» und «Most Extreme» (AT) aus England und Neuseeland stehen ebenso auf dem Programm wie «Discovery Atlas» (AT) vom Discovery Channel.
Im Serien-Bereich stoßen im Januar und Februar kommenden Jahres außerdem noch die BBC-Sitcoms «Free Agent» und «How not to live your life» hinzu. Wie sehr sich ZDFneo dann bereits in die Köpfe seiner Zuschauer eingebrannt haben wird, bleibt abzuwarten. Aller Kritik zum Trotz klingt das Programm von ZDFneo in jedem Fall viel versprechend. Und auch wenn es sicherlich noch nicht perfekt ist: Zu einer ernst zu nehmenden Alternative könnte sich der jüngste Sprössling der ZDF-Familie durchaus entwickeln.