Die Kritiker: «Stromberg» (4x01)

Über zwei Jahre mussten wir warten: Jetzt ist Stromberg zurück! Der „schlimmste Chef der Welt“ treibt mittlerweile in vierter Staffel sein Unwesen. Quotenmeter.de bewertet den Staffelauftakt und analysiert die ersten beiden Folgen, in denen Stromberg in ein Außendienstbüro auf dem Land versetzt wird.

Story
Folge 1: Der Status quo ändert sich in der Capitol Versicherung. Weil Strombergs Vorgesetzte Wehmeyer und Becker befördert werden sollen, wird auch für ihn selbst ein Platz auf der nächsten Treppe der Karriereleiter frei. Und wer bekommt seinen Platz als stellvertretender Abteilungsleiter der Schadensregulierung? Stromberg hat da eine Idee: Ulf Steinke, seinerseits schlechtester und unmotiviertester Mitarbeiter der Abteilung, soll aufsteigen – weil er der „einzige echte Mann in dem Laden“ ist. Seine Freundin Tanja kann diese Entwicklung nicht fassen. Und Stromberg feiert seine Beförderung schon vorher exzessiv, beleidigt dabei Kollegen und auch den berüchtigten „Nazi-Koch“. Ernie Heisterkamp löst währenddessen seine Sammlung an YPS-Heften und weiterem „Schund“ auf, wie er selbst sagt. Nach dem Tod seiner Mutter befindet er sich in einer psychischen Krise. Kurz vor der Entscheidung zur Beförderung von Stromberg und Steinke kommt es, wie es kommen muss: Weil Stromberg den Kantinenkoch mehrfach heftig beleidigt hat, beschwerte sich dieser bei der Personalleitung, zu der er Beziehungen hat. Der Karriereaufstieg ist damit sowohl für Stromberg, der in ein Außendienstbüro im ländlichen Finsdorf versetzt wird, und Steinke dahin – seine Stelle bekommt nun Freundin Tanja.

Folge 2: Stromberg ist in Finsdorf angekommen – einem Ort, wo die Bürgersteige schon nachmittags um drei hochgeklappt werden. Er leitet nun ein kleines Büro der Capitol mit zwei Mitarbeitern: Frau Prellwitz ist polnischer Abstammung, spricht schlecht Deutsch und ist naiv sowie einfältig. Der junge Achim Dörfler ist wenig motiviert bei der Arbeit, grüßt dafür zuerst in der Kamera seine Kumpels von der Freiwilligen Feuerwehr. Doch Stromberg ist ehrgeizig und will gute Zahlen vorweisen, um zurück zur Capitol-Hauptstelle zu kommen. Dazu versucht er sich nun in Finsdorf als Haustür-Vertreter und kann dem ansässigen Bauern eine gute Versicherung verkaufen. Doch es drängt ihn auch zurück zu seinen alten Kollegen, die er besucht. In der Abteilung stellt sich heraus, dass Tanja Seifert, die Strombergs Stelle angetreten hat, als neue Chefin große Autoritätsprobleme hat. Ihre Sitzordnung befolgt niemand und die soziale Kompetenz lässt sie ebenfalls vermissen. Auch Freund Ulf verweigert ihr die Unterstützung – er ist natürlich immer noch verärgert darüber, dass er ihre Stelle nicht bekommen hat. Da passt es nun überhaupt nicht, dass Stromberg als selbsterklärter Deus ex Machina auftaucht und die gereizte Stimmung weiter befeuert. Ernie verfällt währenddessen in eine Lethargie und ist nicht mehr arbeitsfähig. Er sieht nur noch einen Ausweg aus der persönlichen Krise…

Darsteller
Christoph Maria Herbst («Ladykracher», «Zwei Weihnachtsmänner») ist Bernd Stromberg
Bjarne Mädel («Der kleine Mann», «Mord mit Aussicht») ist Berthold Heisterkamp
Oliver Wnuk («U-900», «Soloalbum») ist Ulf Steinke
Diana Staehly («Stellungswechsel», «Die Rosenheim-Cops») ist Tanja Seifert
Milena Dreißig («Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen», «Kein Geld der Welt») ist Jennifer Schirrmann

Kritik
„Geht um die komplette Sammlung. Nur YPS-Hefte, ja.“ Berthold „Ernie“ Heisterkamp ist wieder einmal der Charakter zu Beginn der vierten Staffel von «Stromberg», der sich am offensichtlichsten verändert, während Stromberg selbst und seine anderen Mitarbeiter wie Ulf und Tanja sich merklich kaum weiterentwickelt haben. Der erste Satz von Jennifer Schirrmann in der Staffel: „Es gibt eigentlich nichts neues. Eigentlich ist alles wie immer.“ Und so lernt der Zuschauer die Abteilung für Schadensregulierung nach über zwei Jahren Abstinenz wieder kennen und fühlt sich sofort heimisch. Einzige Ausnahme des kollektiven „Weiter so“ ist eben jener Ernie, der nach dem Tod seiner Mutter und dem Verlust seiner Freundin in eine Art Lebenskrise fällt, die zunächst eine Suspension aus Midlife-Crisis und Depression zu sein scheint. Er trennt sich von dem, was ihm immer sehr wichtig war und bezeichnet es als nutzlos – eben auch oben angesprochene YPS-Sammlung. Dennoch bleibt er weiterhin der Abteilungsdepp, die Zielscheibe für Ulf Steinke und damit Protagonist für solche Situationen, die im sonst subtil-humoristischen Format «Stromberg» die offensichtlichen, plakativen Lacher bringen. Insgesamt ist die Charakterentwicklung in den ersten Folgen der vierten Staffeln damit ausgeglichen und stimmig. Die Figuren verhalten sich grundsätzlich gleich, doch durch ein wenig mehr Extrovertiertheit (wie übrigens schon am Ende der dritten Staffel gesehen) besonders bei Stromberg und seinem Vorgesetzten Wehmeyer bekommt die Serie einen frischen Einschlag.

Was dagegen nicht mehr besonders gut funktioniert, sind die legendären Sprüche von Bernd Stromberg, die in den ersten beiden Folgen mehrheitlich aufgesetzt und schlecht zusammengekleistert oder nur langweilig wirken. Es scheint, als sei dem Autor Ralf Husmann der innovative Wortwitz der vergangenen Jahre verloren gegangen. Stromberg selbst würde wahrscheinlich von einer Art Humor-Vasektomie sprechen: Die Sprüche kommen zwar noch wie aus der Pistole geschossen, doch ihre Wirkung ist nicht mehr da. Möglich aber, dass sich die Qualität im Laufe der Staffel noch steigert. Grundsätzlich konstatieren sich Skript und Dialoge natürlich immer noch auf einem verhältnismäßig hohen Niveau, doch wirkliche Überraschungen bleiben aus.

Inhaltlich bewegt sich die Serie auf einem schmalen Grat: Die zweite Folge spielt teilweise im ländlichen Finsdorf und somit außerhalb der gewohnten Abteilung. Damit einher geht eine Verlagerung des inhaltlichen Schwerpunkts auch auf neue Figuren und ihre Konstellationen: Der Zuschauer verabschiedet sich zeitweise von Ulf, Tanja und Ernie und lernt zwei neue Mitarbeiter des Stromberg´schen Außenbüros kennen, die hauptsächlich gängige Klischees bedienen. Schade, dass hier zunächst die Möglichkeit nicht genutzt wurde, neue Charaktere einzuführen, die weniger klischeehaft und vorhersehbar sind – denn genau das war es immer, was «Stromberg» auszeichnete: individuelle Figuren und Charakterzüge, die nicht auf einem bestimmten Typ basieren und die immer wieder zu überraschenden Storyentwicklungen taugen. Diese zwei neuen, sehr oberflächlich und ohne Tiefgang dargestellten Nebencharaktere haben nicht das Potenzial dazu. Ob diese Figuren aber überhaupt länger als zwei oder drei Folgen auftauchen, ist fraglich.

Auch die Story selbst entfaltet sich ungewohnt: Die Ankündigung zur Versetzung von Stromberg in ein ländliches Dorf hörte sich zunächst nach einer spannenden Entwicklung an, doch in der zweiten Episode stellt diese sich als eher träge und langweilig heraus. Die Storyentwicklung wirkt im Nachhinein sogar leicht aktionistisch, damit der Serie mit der Brechstange ein innovatives und frisches Element hinzugefügt werden kann. Dies gelingt zwar (bedingt), aber auf Kosten des Humors, der so gut wie gar nicht vorkommt. Im Gegenteil erhält «Stromberg» in der zweiten Episode der vierten Staffel sogar mit Ernies Situation melodramatische Züge, so wie zuletzt am Ende der dritten Staffel. Das ist auf der einen Seite spannend, auf der anderen Seite wird der Zuschauer und Fan mit einer Entwicklung konfrontiert, die ungewöhnlich für eine komödiantische Serie ist und nicht jedem gefallen wird. Fast wirkt es, als wolle Autor Husmann der Serie im Laufe der Staffel einen tiefenpsychologischen Einschlag geben – denn laut ProSieben soll die traurige Entwicklung von Ernie weiterhin ein großes Thema sein. Damit hat sich «Stromberg» inhaltlich endgültig stark von dem verändert, was noch in Staffel eins und zwei zu sehen war.

Die technischen Aspekte unter der Regie von Arne Feldhusen können erneut nur positiv hervorgehoben werden: Der sogenannte Mockumentary-Stil wird in «Stromberg» perfektioniert; Kameraeinstellungen und –größen, Kamerawinkel und die unverändert hervorragenden Locations lassen die Serie als getarnte Dokumentation über den Büroalltag erscheinen. Wieder wird sich hinter den Lamellen-Jalousien versteckt, wenn Stromberg und Co. vertrauliche Gespräche führen. Wieder zoomt die Kamera unkonventionell ein und aus, wenn wichtige Szenen einzufangen sind. Wieder werden Kamera und Kameramänner ganz explizit in Dialoge eingebunden. Auch das Setting für die ländliche zweite Folge ist perfekt gewählt: Wenn also der Humor und die Story in Finsdorf nachlassen, so vermitteln Bilder und Aufnahmen zumindest den verklärten Charme eines kleinen Ortes, der den Gegensatz zur urbanen, hektischen Capitol-Zentrale in Köln mit ihren Großraumbüros perfekt widerspiegelt. Der Zuschauer erlebt Finsdorf als eine Art Stillleben im Fernsehen.

Trotz aller Kritik muss eines trotzdem festgehalten werden: «Stromberg» ist und bleibt auch zu Beginn der vierten Staffel eine der hochwertigsten und am besten produzierten Fernsehserien in Deutschland. Die schauspielerischen Qualitäten der Hauptcharaktere sind über alle Zweifel erhaben und präsentieren sich so souverän wie früher. Auch gibt es wirkliche Höhepunkte in diesen ersten beiden Folgen, die den genialen Geist der Serie wahren und pflegen. Solange dies geschieht, braucht man sich um «Stromberg» keine Sorgen zu machen. Gerade die erste Episode ist klassisch und sehr lustig. Der Qualitätsabfall findet erst mit Folge zwei statt, in der die vielen Entwicklungen und Veränderungen offensichtlich zu wenig Platz für das humoristische Element ließen. Hoffen wir also, dass Papa Bernd möglichst bald zurück in die alte Wirkungsstätte versetzt wird. Denn sonst hat die Serie ihren Zenit nach den hervorragenden ersten drei Staffeln möglicherweise überschritten.

ProSieben zeigt «Stromberg» ab 03. November jeweils dienstags um 22.15 Uhr zunächst in Doppelfolgen, ab 17. November dann in Einzelfolgen.
31.10.2009 09:35 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/38172