Bei den «MTV European Music Awards», die in Berlin verliehen wurden, gab es nicht nur Showeffekte und Sex-Appeal, sondern auch emotionale Auftritte.
Alles glänzte zu Beginn der diesjährigen Verleihung der «MTV European Music Awards» in der Berliner O2 World. Für die Preisverleihung des Musiksenders war alles angerichtet. Zuvor gab es noch einigen Plausch auf dem roten Teppich, doch viel Neues außer dem üblichen Bekunden von Freude auf die Show war nicht zu erfahren. Erste Eindrücke gab es dennoch. Für diesen sorgte zu Beginn der Show die Band „Green Day“, die zuerst auftreten durfte und ihren Song „Know Your Enemy“ zum Besten gab. Schon hier war klar: Auf massive Lichteffekte wird man bei den «MTV European Music Awards» in diesem Jahr nicht verzichten. Nach jeder Werbepause gab es eine Epilepsie-Warnung und den Hinweis, dass manche Wortwahl sonderbar sein mag. Das sollte nicht umsonst sein.
Denn schon beim ersten Auftritt flackerte es im Hintergrund, die Bühne breit und pompös mit langem „Laufsteg“, den vor allem die Sängerinnen allen voran Shakira ausnutzen, um sich ihren Fans drum herum hautnaher zu zeigen. Mehrere kleine Bühneninseln waren aufgebaut. Im Hintergrund Videoanimationen, die die Auftritte der Musikstars untermalten. Von vorne strahlten die Scheinwerfer in verschiedenen Farben. Gelegentliche Pyrotechnik kam hinzu. Trotz allem war auch das Publikum stets mittendrin statt nur dabei. Aber es war laut. Die hochmoderne, brandneue O2 World hatte atmosphärisch einiges zu bieten und man hatte den Eindruck, dass fast kein moderner Showeffekt ausgelassen wurde.
Das Highlight der gigantischen Show kam später: Rund um das Brandenburger Tor in Berlin erstrahlte eine weitere Bühne. Das Lichter-Spiel auf dem Monument selbst war modern, moderner geht es eigentlich kaum – und verblüffend zugleich. Immer wieder sollte auch das Brandenburger Tor mit ins farbenfrohe Bild gepackt werden. Als U2 dort auftraten und ihren Song „One Love“, mit dem sie kurz nach dem Mauerfall dort aufgetreten waren, sangen, stand plötzlich neben dem Songtitel auch „Ost – West“ sowie „Freedom“ auf dem Wahrzeichen Berlins. Im Hinblick auf die Geschichte der Stadt und des Landes, in dem der diesjährige «MTV European Music Award» ausgetragen wurde, eine symbolische Bedeutung, da sich der Tag des Mauerfalls in wenigen Tagen zum 20. Mal. Schon im Vorfeld war klar, dass dieses Jubiläum ein zentraler Punkt der Preisverleihung werden würde.
Mit der diesjährigen Show fand der «MTV European Music Awards» bereits zum vierten Mal in Deutschland statt und damit so häufig wie in keinem anderen Land. Mit der Show in Berlin ging man im Übrigen dorthin zurück, wo alles angefangen hatte. Denn in der Hauptstadt Deutschlands gab es 1994 die erste Preisverleihung des Musikpreises, der auf MTV übertragen wurde. Wie schon im letzten Jahr war auch diesmal Sängerin Katy Perry die Moderatorin des Abends. Und das nutzte sie, um ihre ganz eigene Show in der Show zu performen. Nach dem Auftakt von „Green Day“ kam sie mit ihren genau wie sie leicht bekleideten Tänzerinnen in Strapsen auf die Bühne und verwöhnte ihre Fans mit einem Medley. Nicht aber ihrer eigenen Songs, sondern verschiedenster Hits, die auch am selben Abend gekürt werden sollten. „Katy Kat Club“ hieß die kleine Bühnenplattform, die für sie aufgebaut war und immer wieder in der Show eine Rolle spielte. Besonders ins Auge stachen ihre Outfits, die sie zur Sex-Bombe der Show machten: Zu Beginn mit einem rosa Herz auf dem knappen Slip, später umgezogen mit einem gewaltigen, roten Kleid, in dem Löcher eingearbeitet waren. Das erinnerte ein wenig an den Film «Der Tod steht ihr gut» mit Bruce Willis. Absicht oder Zufall? Dann hatte sie wieder einen sündig-roten Blazer an. Später schaukelte sie vor dem Zuschauermenge hin und her, dann schwebte sie ganz in unschuldigem Weiß über dem Publikum, um kurz darauf auf einem Sofa liegend nach „The Hoff“ zu rufen. Katy Perry bestach mit ihren ausgefallen Outfits, war aber eine gute Gastgeberin. Die Verleihung an sich ging recht fix über die Bühne.
Lesen Sie auf der nächsten Seite über die Performance von Dreifach-Gewinnerin Beyoncé und die deutschen Gewinner.
Die Gewinner gaben sich reihum die Klinke in die Hand und waren meistens nachvollziehbar sowie vorhersehbar. Fast wie beim Fernsehpreis, nur mit mehr Musik und vor allem Showelementen statt viel Gerede. Alle waren sie da. U2, Jay-Z, Green Day, Shakira, Foo Fighters, Schaupspieler Jean Leno, die Backstreet Boys und sogar Wladimir Klitschko. Natürlich auch die deutschen Tokio Hotel, die für das meiste Geschrei des Abends sorgten und auch einen Preis mitnahmen. Nur Lady Gaga nicht, sehr zum Unmut ihrer Fans. Doch der Reihe nach: Während der Auftritt von Klitschko unspektakulär und kurz war, sorgte die Laudatio von David Hasselhoff für die meisten (heimlichen) Lacher im Publikum. Mit „Looking For Freedom“ hatte er die Bühne betreten. Vor 20 Jahren war er mit dem damaligen Hit hier aufgetreten. „The Hoff“ gab sich die Ehre, war gut gelaunt, aber wohl nüchtern. Die deutschen Zuschauer wollte er für sich gewinnen: „Wie geht es euch?“ versuchte er ein-, zweimal in die Menge zu fragen und erklärte dann wieder auf Englisch: „Ich bin nicht für den Mauerfall verantwortlich, sondern die Menschen selbst, die die Freiheit wollten“. Der Preis als beste Rockband ging an Green Day, die scherzten: „Danke für den Cock-Award, äh...Rock-Award“. Beyoncé gewann gleich drei Awards, war damit Gewinnerin des Abends. Für den besten Song „Halo“, das beste Video und als beste Sängerin. Ihr Laudator Batista konnte sich einen Seitenhieb für den kurz zuvor aufgetretenen Hasselhoff nicht verkneifen: „Ich wünsche mir eine Party mit ihm“, sorgte er für hämisches Gelächter im Publikum. Die Musikerin Beyoncé brachte ein wenig Erotik auf die Bühne, bot nur in Korsage und Strapse sowie viel Kulisse eine schöne Performance – vor allem für die männlichen Zuschauer. Beyoncé war auch an den emotionalsten Momenten beteiligt. Sie dankte ihrem Lover Jay-Z, dass er ihr einen Ehering angesteckt hat - romantisch. Eine schöne Geste zum Ende der Preisverleihung: Die dreifache Gewinnerin umarmte Shakira, die neben ihr saß und nichts gewonnen hatte. Ihr und den anderen nominierten Musikerinnen hatte Beyoncé ihren Preis als beste Sängerin gewidmet.
Interessant war auch die Laudatio von Juliette Lewis: „Ich wünschte das Publikum wäre nackt“, sagte sie, wobei das als Scherz gemeint war. „Wir testen das nächstes Mal aus“, witzelte sie weiter. Sie verlieh der Band "Placebo" den Preis für die beste Alternative-Rockband, die später noch beim aufgezeichneten «TV total» zu sehen waren. Als Lady Gaga den Preis für den besten Newcomer bekommen sollte und in Abwesenheit geehrt wurde, buhten die Fans. Die schrille Pop-Diva bedankte sich nur per Videobotschaft. Doch das sollten schon die einzigen Aufreger des Abends sein, denn ansonsten gab es nur Gewinner und jede Menge Musik. Das freute vor allem die Musik-Fanseele. In der Halbzeit der «MTV European Music Awards» zeigte ein Einspieler schließlich ein Tribute an dem verstorbenen "King of Pop", Michael Jackson. In dem kleinen Film wurden Passanten am Brandenburger Tor gezeigt, die Michael Jacksons Musik nachsangen oder den "Moonwalk" auf dem Alexanderplatz zelebrierten. Erfreulich für die deutschen Zuschauer: Der Award des Gastgebers Deutschland ging an „Silbermond“. Die durften sich auch auf Deutsch freuen, als sie den Preis von Schauspieler Matthias Schweighöfer und dem MTV-Musikjournalisten Joko Winterscheidt überreicht bekamen. Letzter hatte während der Show auch Backstage zu tun, denn im Internet gab es hiervon auch ein paar Eindrücke zu sehen. Den MTV-Award als beste Band erhielten dann Tokio Hotel, die sich artig in gutem Englisch bedankten. Zuvor hatten sie noch mit einer Pyro-Show verblüfft, da mussten auch einige Feuerlöscher zum Einsatz kommen.
Die «MTV European Music Awards» waren auch diesmal wieder ein buntes Show-Highlight für alle Musikfans. Aber auch für jene, die auf Show- und Lichteffekte stehen, denn hier gab es alles zu beobachten, was heutzutage möglich ist. Hochmodern eben. Den Abschluss brachte erneut die zum besten Live-Act gekürten U2 mit einem Gastauftritt von dem besten „Urban Act“ Jay-Z vor dem Brandenburger Tor, das vollends grün leuchtete. „Sunday Bloody Sunday“ sagen die Musiker. Die Kameras von MTV fingen derweil noch mal sehr schöne Bilder ein. Menschenmengen vor der grün leuchtenden Berliner Sehenswürdigkeit. Ein Schwenk durch die Zuschauer. Silhouetten der Berliner Innenstadt am späten Abend im Hintergrund. Ein wenig kitschig war es dann aber auch. Als die Musik-Fans nach Zugaben riefen, lief der Abspann. Dennoch ein gelungenes Finale. Die zweieinhalbstündige Live-Übertragung hatte ein würdiges Ende gefunden.