360 Grad: Kerner 2.0

Die Quoten der ersten beiden Ausgaben des neuen Sat.1-Magazins mit Johannes B. Kerner fielen enttäuschend aus. Julian Miller interessiert, warum.

Kerner bei Sat.1. Vor ein paar Jahren wäre es lediglich eine lustige, abwegige Vorstellung gewesen, der Vorzeigegrinsekatze des ZDF beim Bällchensender zu begegnen. Doch in Zeiten, in denen Inka Bause rhetorisch eher schwerfälligen Milchbauern bei der Partnersuche behilflich ist, ist wohl auch das möglich. Betrachtet man allerdings die Quotentabellen, so scheint die private Version der Kerner'schen Mischung aus Boulevard und permanentem Lächeln kaum jemand interessant zu finden.

Das mag daran liegen, dass man Johannes B. Kerner wohl eher als passionierten «Bonaqa»-Trinker und leidenschaftlichen Putenwurstverzehrer kennt, als als Talk-Master. Und für Kompetenz im spät abendlichen Frage-und-Antwort-Spiel war er noch nie sonderlich berühmt. Stattdessen bot er billigen Publicity-Stunts, wie etwa Verona Pooths (damals noch Feldbusch) mies inszeniertem Weinkrampf wegen ihres Ex-Mannes, dem Dieddär, stets eine mediale Plattform. Und während die mit dem "Blubb" sich in Großaufnahme die Krokodilstränchen aus den Augen über die angepappten Wimpern drückte, saß Kerner am Pult und war ratlos, was er denn nun jetzt wieder sagen sollte. Werbeträger unter sich, gewissermaßen.

Unvergessen bleibt natürlich auch, wie sich Eva Hermann in Kerners alter ZDF-Show heillos im nationalsozialistischen Jargon verhedderte, als sie ihre angestaubten Thesen von der Mutti hinterm Herd unters Volk bringen wollte. Und erst nach gehörigem Protest seiner anderen Gäste, unter anderem von Deutschlands Vorzeigechauvinisten Mario Barth, von einem lächelnden Kerner aus dem Saal geworfen wurde.

Bei alledem galt stets die Devise: Immer schön lächeln, ja nicht polarisieren, nicht zu sehr auffallen. Der einzig nennswerte Unterschied zwischen der jetzigen Kerner-Sendung und dem alten ZDF-Pendant, ist eine gehörige Schippe mehr Boulevard. Und noch weniger spannende Geschichten. Doch mit einem derart gesichtslosen Konzept und Anchorman erfolgreich in die private Prime-Time zu starten, ist schwer möglich. Vor allem, wenn die Konkurrenz aus heiratswilligen Bauern besteht.

360 Grad - die neue Kolumne auf Quotenmeter.de. Ab sofort immer freitags.
13.11.2009 00:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/38402