N24: Zug für ProSiebenSat.1-Nachrichten ‚abgefahren’?

So sieht es zumindest Konzernchef Ebeling, wie er am Mittwoch in Berlin sagte. Inzwischen ist entschieden, dass es bei N24 definitiv zu Einschnitten kommen werde. Auch ein Verkauf des Senders steht hoch im Kurs.

Am Montagvormittag wurden die Mitarbeiter des Nachrichtensenders N24 noch von ihrem Chef Dr. Torsten Rossmann in den Räumen der Parlamentsredaktion beruhigt. In einer Ansprache nach der Veröffentlichung teilte der Senderchef seinen Kollegen das mit, was er über das Wochenende aus München von der Konzernleitung erfahren hatte. Offenbar wusste Rossmann aber da nur die halbe Wahrheit, denn nur zwei Tage später fuhren ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling (Foto) und der Chef der German Free TV Group, Andreas Bartl, gemeinsam nach Berlin, um den N24-Mitarbeitern weitere wichtige Informationen mitzuteilen.

In den Räumen der Blue Man Group, die sich direkt gegenüber des N24-Gebäudes befinden, antworteten Bartl und Ebeling sehr offen auf die Fragen und Ängste der Angestellten, wie Quotenmeter.de erfahren hat. Ausführlich wurde den Mitarbeitern zunächst das Grundproblem dargelegt: Pro Jahr macht ProSiebenSat.1 rund 65 Millionen Euro Verlust bei der Produktion von Nachrichten für die German Free TV Group. Denkt man wirtschaftlich halbwegs plausibel, dann müsste dieser Betrag halbiert werden, hieß es am Mittwoch. Falsch sind hingegen aber die Zahlen, die 'Der Spiegel' am Wochenende nannte. N24 macht – entgegen dem Spiegel-Bericht – weiterhin Gewinn. Die reine Produktion von Nachrichten verschlingt aus Konzernsicht zu viel Geld.

Die Stärkung der Nachrichten von N24, Sat.1, ProSieben und kabel eins mache für die Konzernleitung – und das ist der entscheidende Punkt – keinen Sinn mehr. RTL habe seine News mit langem Atem aufgebaut, bei der German Free TV Group sei „der Zug abgefahren“, wie CEO Ebeling gesagt haben soll. Sämtliche Nachrichtensendungen stünden deshalb derzeit auf dem Prüfstand – entschieden ist aber noch nichts Genaues – hier ähneln sich die Aussagen von Rossmann und Ebeling. Ebeling sprach damit erstmals das klar aus, was bislang stets bestritten wurde: Information steht bei ProSiebenSat.1 ganz hinten an.

Fakt ist – und das wurde nun entschieden: Der jetzige Status Quo werde nicht aufrecht erhalten, kleine Einschnitte sind also sicher, auch größere sind durchaus möglich. Diese sollen allerdings nicht sofort angesetzt werden. Bis eine finale Entscheidung gefallen ist, werden noch einige Wochen vergehen. Auf der Betriebsratssitzung vermutete Vorstandsvorsitzende Ebeling, dass diese Ende Januar oder Anfang Februar 2010 fallen würde. Er gab auch offen und ehrlich zu, dass ihm ein kompletter Verkauf des Senders am Liebsten wäre – allerdings nur an Interessenten, die den Sender in der jetzigen Form fortführen würden. Gespräche mit Interessenten, die einen Umbau wollten, wurden bislang stets abgelehnt. Denn: Wenn N24 zu einem anderen Spartenprogramm umgebaut wird, müssten die ProSiebenSat.1-Sender wieder eigenständige Nachrichten produzieren.

Er erklärte auch, dass derzeit zwei Interessenten vorstellig wurden, wie Quotenmeter.de aus recht sicherer Quelle erfahren hat. Mit beiden würden derzeit erste Gespräche laufen. Eine wichtige Rolle spielt bei dem gesamten Thema aber der öffentliche Druck, den der Konzern erwartet. Auch deshalb wurden Presseanfragen zu diesem Thema bislang entweder gar nicht oder nur sehr langsam beantwortet. Auch am Mittwochnachmittag war beim Konzern bislang niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Konzernspitze befürchtet massiv negative PR, wenn nach der Einstellung von vielen Sat.1-Infosendungen und dem ProSieben-Mittagsmagazin «SAM» nun der Verkauf des eigenen Nachrichtensenders publik werden würde.

Dies könnte sich nachhaltig negativ auf das Image der Sender Sat.1, ProSieben und kabel eins auswirken und auch negative Auswirkungen auf die Einschaltquoten der jeweiligen TV-Stationen haben. Genau wegen dieses Punkts gibt es aktuell noch keine Klarheit. Wie Quotenmeter.de aus unbestätigten Quellen erfahren hat, sind aber nicht alle Mitglieder des ProSiebenSat.1-Vorstands der Meinung, dass man N24 verkaufen oder massiv beschneiden sollte – diesbezüglich folgen auf dieser Ebene noch einige Gespräche in den kommenden Tagen und Wochen. Ist der Vorstand einig, müsste noch eine Zustimmung des Aufsichtsrats folgen. Der Betriebsrat in Berlin forderte während der Versammlung alle Mitarbeiter auf, um ihren Arbeitsplatz, der nun in Gefahr ist, zu kämpfen. Die wollen dies nun vor allem auch öffentlich tun, da dies im Falle Sat.1 vor einigen Monaten immerhin zu höheren Abfindungen und besseren Sozialverträgen führte.
25.11.2009 15:45 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/38676