«Die Bergwacht» ist noch kein Gipfelstürmer

Das ZDF will ein breites Publikum ansprechen. Die Umsetzung klappte noch nicht so ganz. Die Heimatserie glänzt jedoch mit verblüffenden Naturaufnahmen.

Mit der neuen Heimatserie «Die Bergwacht» möchte das ZDF einen neuen Quotengipfel erklimmen. Dabei wird versucht zwei Schienen zu fahren: Heimatbewusstsein in den Alpen und actionreiche Geschichten von Bergrettungen. Eins vorweg. Wer malerische Landschaften liebt, ist bei «Der Bergwacht» genau richtig. Die ZDF-Serie versucht auf eine ganz charmante Art und Weise für jeden Zuschauer etwas zu bieten. Für die Senioren gibt es Heimatkunde wie gelebte Traditionen, für Frauen Beziehungsgeflechte und tränenreiche Abschiede. Sogar für die junge Zielgruppe will «Die Bergwacht» etwas bereit halten, nämlich eine gesunde Brise actionreicher Handlung. Doch zumindest der letzte Teil misslingt leider. In den ersten beiden Folgen ist zwar der Hauch von Action da, doch wirkt die mit ihrer einhergehenden Spannung mehr künstlich aufgesetzt als dass sie wirklichen Nervenkitzel erzeugen würde. Da ist jungen Action-Fans schon mal vorab geraten, lieber der Autobahnpolizei zuzusehen oder einen guten Krimi zu suchen als am Ende vielleicht doch gelangweilt vor dem Fernseher einzuschlafen. Vom Unterhaltungsgipfel ist «Die Bergwacht» noch etwas entfernt und muss weiter empor klimmen, um dort anzugelangen.

Eine Mischung aus dem «Bergdoktor» auf der Gefühlsebene und einem leichten Touch von «Medicopter 117», was den actionreicheren Teil der Serie angeht, so lässt sich «Die Bergwacht» in etwa beschreiben. Dass diese Vergleiche zutreffen, stellten die ersten beiden Folgen in der ZDF-Primetime am Donnerstag unter Beweis. Zu Beginn der ersten Episode sehen wir malerische Landschaften in den Bergen. Schon in den ersten Minuten ist also dem Kamerateam um Johannes Kirchlechner sowie den Regisseur Axel de Roche ein Kompliment zu machen. Der Drehort in der österreichischen Steiermark ist zudem wunderbar gewählt worden. Herausragende Bilder werden geliefert: Berggipfel, Schluchten und Klippen, malerische Seen im Tal, Naturschauspiele wie man sie nicht alle Tage zu Gesicht bekommt sowie blühende Flora und Fauna, da zumeist bei strahlendem Sonnenschein und bestem Wetter gedreht wurde. Die deutsch-österreichische Produktion bietet wirklich schöne Szenen von schneebedeckten Alpengebirgen über steilste Felswände bis hin zu den traditionell und farbenfroh wirkenden kleinen Dörfern der Täler. Die Welt scheint in Ordnung, die Luft rein und zudem ist zu einer Hochzeit geladen worden. Zur Story: In der ersten Episode "Das Versprechen" kehrt Extremkletterer Andreas Marthaler (Martin Gruber) nach drei Jahren in seine Heimat in der Steiermark zurück. Er ist Trauzeuge bei der Hochzeit seines besten Freundes Stefan Hofer (Stefan Murr), Chef der Bergwacht, mit Emilie (Stefanie von Poser). Die beiden haben zwei Kinder. Andreas hat mit seiner Freundin Sarah Kraus (Stephanie Stumph) andere Pläne. Er will am Grand Canyon eine Kletterschule eröffnen. Am Morgen nach der Hochzeit steigen die beiden Freunde Andreas und Stefan gemeinsam zu einer letzten Tour auf, um den weiten Blick über die seit ihrer Kindheit vertraute Bergwelt zu genießen. Es wird eine Tour mit schrecklichem Ausgang: Als sie an einer steilen Felswand klettern, hören sie einen Hilferufe. Beim Rettungsversuch erwischt Stefan ein Steinschlag, sein Seil reißt und er stürzt zu Boden. Als Andreas ihm zur Hilfe kommen kann, liegt er bereits im Sterben und nimmt ihm lediglich das Versprechen ab, auf seine Kinder und seine Frau aufzupassen. Im Tal herrscht tiefste Trauer und Bestürzung über den Verlust. Auf der Suche nach seinem Vater macht sich der Sohn von dem verstorbenen Stefan auf in die Bergwelt. Andreas muss eine erste Rettungsaktion starten, die allerdings schnell beendet ist.



In der zweiten Episode "Schmerzhafte Erinnerung" macht der Tod von Stefan allen Beteiligten weiter zu Schaffen. Andreas beschließt schließlich das Versprechen, das er seinem Freund gegeben hat einzuhalten und sagt seine USA-Pläne auf unbestimmte Zeit ab. Schon steht die nächste Rettungsaktion auf dem Plan: Eine Frau ist offenbar aus einer Gondel gestürzt, hat überlebt, kann sich aber an nichts erinnern. So sehen die Geschichten in «Die Bergwacht» aus. Dabei spielt die Handlung vorrangig auf der zwischenmenschlichen Ebene: Es gibt ein Hin und Her sowie Abwägen zwischen Abreise und Bleiben, aber auch geht es oft um Trauer und Schmerz. Zwischendurch gibt es immer mal wieder diese Rettungsaktionen, die für ein wenig Spannung zwischen all den Figurenkonstellationen sorgen. Doch wirken diese wie bereits beschrieben zumeist aufgespielt und sind recht kurzweilig, so dass ein richtiger Spannungsbogen gar nicht aufkommen mag. So kommt es fast dazu, dass die traumhaften Abbilder der Natur den teilweise blass bleibenden Schauspielern und der sich nur langsam entwickelnden Story die Show stehlen. Denn gerade die sorgen dafür, dass «Die Bergwacht» den Namen Heimatserie verdient hat. Zu gute halten muss den Actionszenen jedoch, dass sie jeweils sehr authentisch gedreht wurden. Einige Stuntmänner waren im Einsatz und so macht der Actionteil der «Bergwacht» zumindest in dieser Hinsicht eine große Freude. Von den Schauspielern wurde sicher auch so einiges sportliche Talent und Einsatz gefordert, da kann das schauspielerische Können schon mal ein wenig auf der Strecke bleiben. Deshalb mag man hier vielleicht auch ein Auge zudrücken. Doch am Ende ist «Die Bergwacht» doch eindeutig etwas für Heimatbegeisterte des älteren Semesters oder Romantiker, vorzugsweise Frauen. Was durchaus positiv ist. Doch Fans von geballter Action haben andere Alternativen.
27.11.2009 13:39 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/38716