Im neuen Monatsrückblick erinnert Christian Richter an die mediale Ausschlachtung von Robert Enke, Kerners Fall und lächerliche Awards-Shows.
02. November: Der Monat beginnt mit Kerner!
Er war der große Hoffnungsträger für Sat.1. Er sollte dem Kanal nach Jahren des Umherirrens wieder
Profil geben. Er sollte dem Sender helfen etwas mehr Kompetenzen im Newsbereich aufzubauen. Er sollte den ramponierten Montagabend quotenmäßig wieder restaurieren. Doch am Ende scheiterte Johannes B. Kerner mit seiner Show «Kerner» kläglich. Bereits nach der ersten Ausgabe musste am Konzept nachjustiert werden. Nach zwei weiteren und Zielgruppenmarktanteilen jenseits der fünf Prozent reichte es dem Sender und er verschob das Magazin auf den späten Donnerstagabend. Dank der Fußballübertragungen läuft das Format nun zuweilen erst kurz vor Mitternacht. Ein Kerner ist eben kein Jauch. Seichte Gespräche am späten Abend sind etwas anderes als Journalismus zur besten Sendezeit. Und dass man ausgerechnet mit RTL-Gesichtern und «Stern TV»-Themen die Premiere bestückte, gab dem Format den Rest. So war das unausgereifte, lieblose und geklaute Konzept von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die Lösung heißt nun zurück zu den Wurzeln. Künftig soll die Sendung wieder mehr der ehemaligen ZDF-Show ähneln, schließlich hatte man damals wenigstens noch ältere Zuschauer.
05. November: Zum Wohlsein!
In Berlin feierte sich die europäische Musikszene bei den «MTV Europe Music Awards 2009» ausgelassen selbst. Offensichtlich hatte David Hasselhoff dabei am meisten zu begießen. Schließlich kam der «Knight Rider»-Star so angetrunken auf die Bühne gestolpert, dass er kaum die kleine Treppe auf das Podest erklimmen konnte. Sein anschließendes Geschrei war dann kaum zu verstehen, was nicht nur an seinem schlechten deutschen Akzent lag. Immerhin gab er dann öffentlich zu, dass nicht er für den Fall der Mauer verantwortlich sei, sondern die tapfere deutsche Bevölkerung. Für diese Einsicht brauchte er nur 20 Jahre.
Es hat einen sehr sarkastischen Beigeschmack den bekannteste Autofahrer der Welt kaum noch fahrtüchtig zu sehen. Man muss jedoch angesichts der allgemeinen Bekanntheit seines Leidens davon ausgehen, dass MTV den gefallen Star nur engagiert hat, damit er sich blamiert und so die Veranstaltung ins Gespräch bringt. Ansonsten wirkte der Abend aufgrund der zum Teil obszönen Outfits von Moderatorin Katy Perry und Sängerin Beyoncé eher wie die Eröffnungsveranstaltung einer Erotikmesse und nicht wie Fernsehen für Jugendliche.
10. November: ...und die Fernsehnation muss trauern.
Der Tod von Nationaltorwart Robert Enke löste in Deutschland ein derart gewaltiges Medienecho aus, wie man es selten erlebt hat. Die Fernsehanstalten überschlugen sich mit Sondersendungen, Newskampagnen und Trauerberkundigungen. Selbst der quotengeschwächte Johannes B. Kerner ließ sich die Chance nicht entgehen aus der Story eine Spezialausgabe seines Magazins zu produzieren. Da kamen böse Erinnerungen an den Amoklauf an einer Erfurter Schule zurück, als der Moderator sichtlich unter Schock stehende Schüler vor die Kamera zerrte. Quote ist eben alles. Doch in direkter Konkurrenz zu Günther Jauchs «Stern TV» ging die gefallene Sat.1-Gallionsfigur jämmerlich unter.
Dass die Trauerfeier in einem Stadion abgehalten, auf Public-Viewing-Leinwänden übertragen und gleich von fünf Sender ausgestrahlt wurde, zeigte welche Lawine der Freitod ausgelöst hat. Schnell fühlte sich jeder genötigt seinen Anteil zur gemeinschaftlichen Trauer beitragen zu müssen. In diesem Sog wurde auch schnell versprochen einen Platz nach dem Mann zu benennen, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal beerdigt war.
Es blieben daher große Zweifel, wie viel von der kollektiven Trauer wirklich echt war. Ein Großteil der Medienschaffenden schien auf den Trauerzug einfach aufgesprungen zu sein, weil es eben so sein müsse. Der Gedenkmoment im «Musikantenstadl», bei dem Andy Borg mit einem amerikanischen Gospel Chor „Amazing Grace“ in den Samstagabend schmetterte, wirkte beispielsweise zwischen den restlichen, grinsenden Volksmusikern reichlich deplaziert und nur aus falscher Verpflichtung ins Programm gequetscht.Bei aller Tragik seiner Geschichte, aber die mediale Ausweidung Enkes Tods war in vielen Bereichen übertrieben und sicher auch nicht im Sinne eines Mannes, der anscheinend sehr unter dem öffentlichen Druck litt
26. November: Jaaaaa, er lebt noch!
Wer hat eigentlich entschieden, dass der «Bambi» Deutschlands wichtigster Medienpreis sein soll? Ganz Potsdam, wo der Preis verliehen wurde, war mit entsprechenden Plakaten übersät. Garniert wurde diese Anmaßung mit dem Satz: „...wer ist eigentlich Oscar?“ Wer ausgerechnet Tom Cruise für seine Rolle in «Operation Walküre» für seinen Mut auszeichnet, einen „Millennium“-Bambi im Jahr 2010 verleiht oder Uli Hoeneß einen „Wirtschafts-Bambi» gibt, macht sich eigentlich nur lächerlich. Der Gipfel ist jedoch die Tatsache, dass Johannes Heesters seit drei Jahren für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, nur weil er noch lebt und sich auf die Bühne schleppt. Dass man die Verleihung im Jahr 2009 von Dauerfernsehgast Katarina Witt und dem Fußballkommentator Tom Bartels moderieren ließ, war dem Glanz der Veranstaltung nicht gerade förderlich. So bekommt man jetzt schon vor der Verleihung im kommenden Jahr Angst. Dann könnte man Axel Schulz die Gala präsentieren lassen und Jana Ina mit dem „Promi-Geburten“-Bambi auszeichnen und wäre endgültig auf dem Niveau des Bravo-«Otto» angekommen.
27. November: Politik gewinnt gegen Brender
"Ich habe heute für meinen Vorschlag, die Beauftragung von Nikolaus Brender zu verlängern, nicht die erforderliche Mehrheit von drei Fünfteln der Mitglieder des Verwaltungsrats erhalten. In einer geheimen Abstimmung haben sieben der 14 Mitglieder für meinen Vorschlag gestimmt," musste ZDF-Intendant Schächteram 27. November der Öffentlichkeit erklären. Um Brenders Position beim ZDF war 2009 eine größere Diskussion entbrannt. CDU-Politiker Roland Koch, der im ZDF-Verwaltungsrat sitzt, drängte immer wieder auf eine Ablösung Brenders als ZDF-Chefredakteur. "Als Intendant muss ich die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit des ZDF sicherstellen. Die Besetzung der Position des Chefredakteurs muss deshalb unverzüglich geklärt werden", schloss Schächter seine Ausführungen.
28. November: Klassischer Reinfall
Der Spielfilmsender Tele 5 erweiterte an diesem Abend sein Programm um das Format «Gottschalk Classics», in dem die besten Ausschnitte aus der früheren Late-Night-Show des Moderators zu sehen sind. An sich eine nette Idee. Aber warum muss jeder noch so kleine Rückblick seit Jahren konsequent in Form einer Ranking-Show abgehalten werden. Warum ist es seit der «80er Show» auch nicht mehr möglich die Nostalgie-Clips zu zeigen, ohne dass mir ein wahlloser „Prominenter“, der zufällig nichts besseres zu tun hat, erklärt, was ich vom Gesehenen zu halten habe. Bin ich als Zuschauer mittlerweile derart entmachtet, dass ich nicht einmal mehr eine eigene Meinung haben darf? Irgendwann wird mir selbst bei den «Schönsten Bahnstrecken Deutschlands» Axel Schulz erklären, dass er in der vorbeifahrenden Halle schon mal verloren hat.