360 Grad: Late Shift, die zweite
NBC scheiterte mit seinem Experiment «The Jay Leno Show» kläglich. Julian Miller analysiert die Hintergründe.
Seit NBC es in der Season 2004/2005 innerhalb eines Jahres geschafft hat, sich in den Quotentabellen der amerikanischen Networks von Platz eins auf Platz vier herunterzuwirtschaften, läuft es für den Sender einfach nicht mehr. So ziemliche alle alten Hits sind weg und nahezu jedes neue Konzept geht baden, sei es auch noch so teuer produziert. Und nun kriselt es auch noch zu allem Übel im Late-Night-Bereich, dem einzigen Programmfenster des ehemals stolzen Pfauensenders, das sich bisher zumindest über Wasser halten konnte.
Es ist klar, dass man Jay Leno, eines der wenigen markanten NBC-Gesichter, die noch übrig sind, nicht einfach gehen lassen wollte, als Conan O'Brien im letzten Jahr die «Tonight Show» von ihm übernahm. Doch angesichts des einbrechenden Drama-Bereichs und wahrscheinlich auch wegen eines weit fortgeschrittenen Grades an Resignation vieler NBC-Executives setzte man mit «The Jay Leno Show» alles auf eine Karte. Und verlor.
Das ist aber nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Sendung in den Küstenbereichen der USA bereits gegen 22.00 Uhr läuft, in der Central Time Zone, in der sich ebenfalls viele große Märkte wie Chicago, Houston oder St. Louis befinden, sogar noch eine Stunde früher um 21.00 Uhr. Dabei ist Late-Night doch ein Format, mit dem man im Bett intellektuell nach den Abendnachrichten den Tag ausklingen lassen will. So wie bisher eben.
Zähne knirschend nahmen die Affiliates 2009 dieses Konzept an, doch jetzt sinken die Quoten der auf «The Jay Leno Show» folgenden Nachrichten der meisten Lokalsender von NBC drastisch. Deshalb wird nun auch nach wenigen Monaten des Experiments Jay Lenos neue Late-Night-Show abgesetzt.
Und jetzt geht der Streit erst richtig los. NBC will Leno in Zukunft um 23.35 Uhr senden und Conan O'Briens «Tonight Show» auf 00.05 verschieben. Letzterer kündigte jedoch bereits an, dass er einen derart bescheuerten Entschluss von NBC nicht mittragen würde. Und damit hat er recht. Nicht nur, dass O'Brien damit wegen der zeitlichen Unterschiede in Zukunft wohl kaum mehr eine Chance gegen David Letterman und Craig Ferguson haben würde. NBC muss sich endlich einmal entscheiden, mit welcher Art von Comedy das Network sein Spätabendprogramm einläuten will. Mit bodenständiger blue-collar Comedy im West-Coast-Stil à la Jay Leno, oder intellektuellen Anekdoten, köstlicher Situationskomik, Eleganz und einer ordentlichen Prise Wahnsinn mit Conan O'Brien? Vielleicht kommt dann ja auch endlich der Masturbating Bear wieder zurück.
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