Die erste Ausscheidungsshow von «Unser Star für Oslo» wurde bei ProSieben live übertragen. Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch war im Studio vor Ort.
Ein hektisches Treiben war es dann doch im Foyer vor den Köln-Mühlheimer Brainpool-Studios an der Schanzenstrasse. Rund 3000 Menschen waren bestrebt ihre reservierten Karten für «Unser Star für Oslo» abzuholen. Womöglich war es einfach nur die Vorfreude auf die Casting-Show, die ProSiebens Vorzeige-Entertainer Stefan Raab ins Leben gerufen hatte. Ein wenig Ungewissheit schwang auch mit, was in der Sendung denn tatsächlich geboten wird, ob sich die Suche nach einem deutschen Vertreter für den Eurovision Songcontest in der norwegischen Hauptstadt von den restlichen Casting-Shows unterscheidet. In der Menschenmenge, die ein wenig aufgewühlt und in freudiger Erwartung zwischen Ticketschalter und Garderobe hin und her pendelte, gab es aber doch eine gewisse Ordnung. Dafür sorgten die Mitarbeiter von Mediabolo, jener Firma, die für das Ticketing verantwortlich zeichnet und alles im Griff hatte.
In einem Raum, zwei Stockwerke höher war es hingegen schon beinahe zu ruhig. Ein paar Treppen und einen Seiteneingang entlang war der Presseraum versteckt. Die versammelten Journalisten legten dort bloß ihre Utensilien ab und machten sich gleich schon direkt ins Studio. Das sei schon ein kleines Labyrinth, zudem gibt es noch mehrere Bauteile im Gebäude, verrät eine Brainpool-Mitarbeiterin auf dem Weg die Treppen hinunter. Durch strenge Sicherheitskontrollen – Metalldetektoren wie am Flughafen kommen zum Einsatz - gelangt man ins Studio, wo sonst auch «Schlag den Raab» ausgestrahlt wird.
Es wurde eigens für den Casting-Wettbewerb «Unser Star für Oslo» umgebaut. Pompös wirkt es. Groß und überdimensional. Doch zum Staunen ist keine Zeit. Die Platzanweiser von Mediabolo machen ihren Job gut, sorgen dafür, dass die vielen Zuschauer zügig ihre Plätze einnehmen. In der neuen Umgebung muss man sich erstmal zurechtfinden. Hat man seinen Sitzplatz dann gefunden, was dank der eifrigen Damen in den Gängen recht schnell geht, ist der etwas stressige Teil vor der Sendung geschafft. Nun darf man sich getrost zurücklehnen. Doch bis zur eigentlichen Show ist noch Zeit: Auf einem riesigen Flachbildschirm, rechts oben an der Studiodecke befestigt – auch als „Riesen-iPod“ betitelt – werden Mitschnitte von Musik-Acts bei «TV total» gezeigt, um die Zuschauer bei Laune zu halten. Udo Jürgens ist dabei, mit den Sportfreunden Stiller und auch einige Kandidaten vom «Bundesvision Songcontest».
Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Beginn der ersten Ausscheidungsshow «Unser Star für Oslo», als plötzlich keine Musik-Videos mehr gezeigt werden und eine Stimme zu hören ist, die ruft: „Begrüßen Sie Stefan Raab.“ Die Aufmerksamkeit des Publikums ist sofort da. Doch die Begeisterung schwindet schnell, denn nicht der Entertainer, sondern „Anheizer“ Thomas, so stellt er sich uns vor, betritt die stilvolle Bühne. Er macht das Warm-Up vor der Sendung. Sichtlich gut aufgelegt, scherzt er mit dem Publikum. Das Klatschen, wenn Raab später wirklich die Bühne betreten wird, übt man ebenso. „Sie kommen heute alle ins Fernsehen. Überlegen sie sich gut, ob sie mit ihrem Sitznachbarn gesehen werden wollen“, lacht Thomas und fragt frech in die Runde: „Wer von ihnen geht denn heute fremd?“
Ein Zuschauer von ganz hinten in der Publikumsmenge meldet sich sogar. „Dann blenden wir sie vor der Werbepause kurz groß ein“, sagt Thomas. Eine gute Stimmung herrscht im Studio. Einige Kandidaten haben sogar Fangruppen dabei. Die Hannoveraner sind aus der linken Ecke die Lautesten. Schließlich soll noch die Begrüßung der Moderatoren Matthias Opdenhövel und Sabine Heinrich trainiert werden. Die Zeit muss weiter überbrückt werden. Für die Probe darf ein Besucher sogar die heilige Bühne betreten. Dem in den ersten Reihen sitzende Max ist diese Ehre zuteil. Doch zu mehr kommt es nicht mehr: „Wir können anfangen“, sagt die Aufnahmeleiterin. Eine Live-Schalte zu «Galileo» steht an. Eine Minute später steht Stefan Raab auf der Bühne. Tosender Applaus für den «TV total»-Moderator. Aufgrund der Live-Sendung drängt abermals die Zeit: „Beruhigen Sie sich, ich weiß, dass Sie besoffen sind, das rieche ich doch“, scherzt Raab bestens aufgelegt. Er schaut zu seiner Band, den „Heavytones“, die übrigens alle Stücke der Kandidaten bei «Unser Star für Oslo» live begleiteten. „Ich glaube eher, der Geruch kommt von hier“, lacht Raab.
Die Zuschauer hat er mit ein paar Scherzen und etwas Small-Talk mit der Band und dem Regisseur auf seiner Seite: „Sie sind nicht nur das beste Publikum, sondern auch das schönste“, sagt er. Gelächter bricht aus. Die Live-Schalte zu «Galileo» ist dann sehr kurz. Auch der Entertainer tut verwundert: „Das war’s schon? Das bisschen?“, fragt er seine Crew. Bis es endlich losgeht, bleiben noch ein paar Minuten. Raab muss improvisieren, damit die Stimmung weiter gut bleibt: „Ich zeige Ihnen schon mal, mit welchem Song ich heute hier antrete“, meint Raab und singt spontan ein kurzes Medley aus Daniel Schumachers «Anything but love» und Whitney Houstons «I Will Always Love You». Der Seitenhieb auf «Deutschland sucht den Superstar» amüsiert das Publikum. Die fleißige Aufnahmeleiterin holt ihn von der Bühne. „Herr Raab, wir müssen“, ruft sie etwas strenger als dieser die Zeit vergessen hat. „Wir sind eben live“, grinst er und läuft von der Bühnenplattform.
Lesen Sie auf der nächsten Seite vom Verlauf der Show und was in der Werbepause passierte.
Einen Sekundenbruchteil später findet man sich in der Sendung «Unser Star für Oslo» wieder, die flugs begonnen hat. Matthias Opdenhövel und Sabine Heinrich, die beiden Moderatoren, betreten die Bühne und holen kurz darauf auch Jury-Präsident Stefan Raab zurück, den das Publikum abermals feiert als wäre er noch nicht erschienen. Das ist zumindest für die Live-Übertragung auf ProSieben authentisch. Da der gelernte Metzger aus Köln-Sülz aber nicht alleine in der Jury sitzen möchte, werden in kurzen Einspielern Yvonne Catterfeld und schließlich Marius Müller-Westernhagen vorgestellt, die wie Raab auf den Sesseln direkt links neben der Bühne Platz nehmen.
Im Übrigen mitten in der Zuschauermenge, da auch drum herum noch Gäste sitzen durften – doch war dies zwar im Rampenlicht, doch für den Überblick eher unvorteilhaft. Schon beim Auftritt der Jury bekommt man Details mit, die im Fernsehen so deutlich nicht zu sehen waren. Als Marius Müller-Westerhagen auf seinem Sessel, die übrigens ähnlich denen von «TV total» waren und nach Marke Fernsehsessel im heimischen Wohnzimmer aussahen, Platz nehmen wollte, nimmt er das bereit gelegte Zubehör für seine späteren Notizen in die Hand, während Stefan Raab ihm diese reichen will. Etwas witzig wirkte diese Szene des missglückten Shakehands zwischen Müller-Westernhagen und Raab. Die Jury also im Saal, fehlen nur noch die Kandidaten. Nacheinander werden sie durch eine MAZ vorgestellt, dürfen dann ihren Titel vortragen. Mit Argusaugen werden sie von der Jury beobachtet, später bekommt jeder seine Kritik, die meistens jedoch gut ausfällt.
„Wir kritisieren hier ja auf hohem Niveau“, merkt man Raab schon an, dass er plötzlich mit Ernst bei der Sache war, aber zwischenzeitlich auch eine Prise Humor nicht vermissen ließ. Die Jurykonstellation harmonierte sehr gut, auch da gab es die einen oder anderen spaßigen Dialoge untereinander, so dass die Mischung zwischen ernsthafter Kandidatensuche und einigen locker-flockigen Sprüchen durchaus gegeben war. Das ist gleichermaßen eben unterhaltsam, aber auch der musikalische Anspruch kommt keineswegs zu kurz. Denn die zehn Kandidaten, die angetreten waren, sind echte Kaliber. Sie haben in Sachen Gesang nicht nur einiges drauf, sondern sind auch noch sympathische Charaktere, wenngleich sie sich alle in ihrer Art unterscheiden. Im Vorfeld hatte Raab schon gesagt, dass es auch auf „Charisma und Haltung“ ankäme. Was mit Charisma gemeint ist, zeigte der 21-jährige Cyril Krueger, der mit seiner Gitarre und dem Song «Hotel California» Yvonne Catterfeld zum Beispiel sofort in seinen Bann gezogen hatte. Auch Raab war begeistert: „Andere müssen jahrelang saufen, um so eine Stimme zu bekommen“, schielte er auch zu Marius Müller-Westernhagen rüber, der ebenfalls für rauere Töne bekannt ist.
„Was hast du denn gemacht, um diese Stimme zu bekommen?“, fragt Raab ihn spitz. Aber auch Müller-Westernhagen war keineswegs nur der kritischste Juror, sondern auch mal für einen Spaß zu haben. Nach dem Auftritt von Kandidatin Meri aus Würzburg meinte Catterfeld: „Das klang fast wie Beyoncé.“ Müller-Westernhagen fragt nach: „Wer?“ – „Beyoncé“, antwortet Catterfeld. „Ach, die“, wendet sich der deutsche Sänger gelangweilt ab und sorgt für Lacher im Saal. Diese kleineren Sticheleien heiterten die Sendung auf. Was unter Haltung verstanden werden kann, zeigte die emotionalste Kandidatin Lena Meyer-Landrut aus Hannover. Sie sang, hüpfte und war ohnehin ganz aufgeregt. "Ich fühl mich hart", sagte sie später. Ihre Performance hat gefallen, obwohl die „Heavytones“ ihren Musiktitel bei den Proben nicht spielen wollten, wie Raab erzählte. „Sie hat aber gesagt, ich will diesen Titel, sonst scheide ich eben aus. Das zeugt von Größe“, lobte Raab, der das sicher genauso gemacht hätte.
Die gemeinschaftliche Produktion von ARD und ProSieben kann sich also sehen lassen. Die Kandidaten bieten einen musikalischen Mehrwert, die Jury harmoniert und lockert die Stimmung auf und auch dem Moderatoren-Duo kann Beifall geklatscht werden. Matthias Opdenhövel und Sabine Heinrich machten ihre Sache mehr als gut. Scherzkeks Opdenhövel sorgte zudem immer mal wieder für zwischenzeitlichen Spaß. Die Fachsimpeleien der Jurymitglieder waren etwas zu ausgewogen, oftmals verstrickte sich gerade Raab in Redewendungen.
Doch das Gesamtpaket stimmt. Anders als bei «DSDS» steht die Unterhaltung nicht im Vordergrund. Dort ist nämlich die musikalische Darbietung zu finden, doch auch der Unterhaltungswert kommt aufgrund der erwähnten Details nicht zu kurz. Einen Unterschied, ob die Sendung im Studio gesehen wird oder vor dem Fernseher zu Hause, macht es zweifelsohne. Das birgt Vor- und Nachteile. Die Nachteile: Aufgrund der Geräuschkulisse durch das Applaudieren der Zuschauermenge bekam man nicht alle Worte der kurzen Interviews mit den Kandidaten nach den Jury-Statements mit. Die Vorteile: Das ganze Geschehen ist besser im Blick zu halten, da nicht nur das gesehen wird, was die Kamera zeigt. In der Werbepause kam jeweils „Anheizer“ Thomas wieder. Es wurden dann Ausschnitte der Castings gezeigt, die in Teilen schon bei «TV total» zu sehen gewesen sind. Auch Stefan Raab haben diese – obwohl er sie schon zu Genüge kennen dürfte – offensichtlich erheitert. Zumindest dann, wenn er denn hinschauen konnte, zumal die Maskenbildnerinnen zum Nachschminken kamen und auch die Aufnahmeleiterin immer wieder ein paar Details des weiteren Verlaufs besprach.
Die Jury sprach sich auch während der Live-Sendung oft ab. Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Auftrag, einen wettbewerbesfähigen Star zu finden, nicht auf die leichte Schulter genommen wird. So fiel es der Jury auch schwer, sich zwischen den zehn Kandidaten zu entscheiden, da nur fünf weiter kamen. Als Catterfeld einen Bewerber benennen sollte, der eher schlechte Karten hat, dies aber nicht konnte, witzelte Raab: „Vielleicht ja der schöne Cyril“, in Anspielung auf Catterfelds Schwärmen nach dessen Auftritt. Bei der Entscheidungsfindung macht man es viel zu spannend. Die Überlänge der Sendung resultierte aus den vielen Aufforderungen zum Abstimmen. Diesen Teil kann man demnächst getrost verkürzen. Während die Grafiken gezeigt wurden, wedelte die Aufnahmeleiterin stetig mit ihren Zetteln in der Hand, die Zuschauer sollten Klatschen. Als das Ergebnis dann endlich da war, wollte Sabine Heinrich die Verkündgung nicht mehr hinauszögern, zumal Kandidatin Lena den Tränen nahe war. Neben ihr und Cyril sind auch Kerstin Freking (Osnabrück), Meri Voskanian (Würzburg) und Katrin Walter (Köln) eine Runde weiter.
Ein buntes Bühnenbild mit Jury und den weitergekommenen Kandidaten bildete den Abschluss. Doch zum Ausruhen war keine Zeit: „Herzlichen Willkommen bei «TV total»“, brüllte Raab Sekunden nachdem sich Opdenhövel und Heinrich verabschiedet hatten. Auch die Late-Night, in der die Kandidaten und auch die Jury noch mal zu Gast waren, wurde live übertragen. Von Kameras begleitet hetze man nach der Raab’schen Begrüßung zur Sendung durch die Katakomben ins benachbarte «TV total»-Studio. Eine lange Nacht.