Liebes ProSieben-Team,

seit ein paar Wochen testet ihr neue Scripted Reality-Dokus. Leider lässt der Erfolg zu wünschen übrig. Zunächst war «Love Diary» nur unter eurem Senderschnitt. Dann konnte sich der «Salonretter» gerade noch so retten, was «Das Internat – Emma bloggt» nicht geschafft hat. Ihr habt die Reißleine gezogen, wo es bitter nötig war, denn der Fake-Doku merkte man deutlich an, dass es eine ist und auch der Inhalt war eher aufgebauscht als wirklich zuschauerverträglich. Hier hat ProSieben alles richtig gemacht, schließlich wäre die Testwoche für «Emma bloggt» vermutlich katastrophal geendet.

In Zeiten der Nachwehen einer Wirtschaftskrise ist es verständlich, wenn ein Sender nur auf die Quoten schaut, die eine deutliche Botschaft übermittelten: Die Fernseh-Zuschauer hat Emmas Blog nicht interessiert. Zudem war es hier sicher nicht schwer zwischen Inhalt und Quote abzuwägen. Die Entscheidung, die ihr Mitte der Woche getroffen habt, kann man also nur begrüßen – hier hat sich der Schleudersitz, auf dem die „Test-Doku“ saß bezahlt gemacht. Für ProSieben ist es aus wirtschaftlicher Sicht nur logisch, wenn man betrachtet, welchen Erfolg Hauptkonkurrent und Marktführer RTL mit solchen Scripted Realities hat, auf ein ähnliches Pferd zu setzen. Mit dem «Salonretter» hat man den Rekord-Quoten des RTL-Formats sogar etwas trotzen können und doch noch im Verhältnis ordentliche Werte geholt. Erfolg gibt Entscheidungen bekanntlich Recht.

Doch wäre es nicht sinnvoller auf ein komplett anderes Genre zu setzen als es RTL bedient? Die momentane Vormachtsstellung der Kölner auf diesem Sektor wird auf kurz oder lang nicht angefochten werden können. Das junge Publikum – eure Zielgruppe – ist aber sicherlich nicht auf diese Fake-Dokus beschränkt. Vielmehr gibt es sie derzeit im Überfluss, so dass man in diesem Fall auf Bewährtes setzt. Da prognostiziere ich – frei nach Uri Geller -, dass weitere Scripted Realities kurzfristig keinen nachhaltigen Erfolg haben werden. Ich mag mich auch irren, aber die Testwochen haben bislang gezeigt, dass die Zielgruppe jene Formate nicht mehr annehmen mag. Vielmehr würde ich ProSieben raten doch die Comedy-Schiene weiter auszubauen. Ja, die deutsche Comedy steckt in der Krise. Aber Talente gibt es wie Sand am Meer. Bedient Euch doch der Talentschmiede im hauseigenen «Quatsch Comedy Club». Dass Comedy am Nachmittag funktioniert zeigt kabel eins, das mit US-Sitcoms erfolgreich ist. Vielleicht verhelfen frische Comedyserien, die neu sind und neugierig machen, zum Erfolg. Eine Garantie gibt es nicht. Aber denkt doch mal drüber nach. Den Zuschauer wird es freuen. Mich auch.

Beste Grüße nach Unterföhring,

Jürgen Kirsch
06.02.2010 00:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/40050