'Jeck – We Can'? - Wie steht es um den deutschen Karneval im Fernsehen?

Zurzeit sind im Programm von ARD und ZDF wieder unzählige Prunksitzungen, Büttenreden und Funkemarie'chen zu sehen. Doch wie erfolgreich sind diese Formate noch? Quotenmeter.de untersucht die Quoten der vergangenen Jahre.

Mit Weiberfastnacht beginnt jedes Jahr die heiße Zeit des Karnevals. Dann hält es die Narren nicht mehr in ihren Häusern und sie stürmen hinaus ins Freie und feiern mit aller Gewalt die aufgesetzte Freude. In diesen Tagen besetzen sie jedoch nicht nur die Straßen und Plätze des Landes, sondern auch das deutsche Fernsehprogramm. Was sich bereits ab Anfang des Jahres schleichend andeutet, findet in den Tagen vor Aschermittwoch seinen Höhepunkt, denn dann gibt es keinen Abend, an dem keine feierliche Sitzung eines Karnevalsvereins gezeigt wird.

Am 01. Februar begann die jährliche Prozession im Ersten mit der obligatorischen Verleihung des Ordens «Wider den tierischen Ernst», der stets an bekannte Persönlichkeiten vergeben wird, die viel Humor bewiesen haben. Am Dienstag folgte im ZDF mit «Karnevalissimo» die große Karnevalsshow mit Guido Cantz und Janine Kunze, die bewusst etwas moderner angelegt ist. Mit «Bütt an Bord» waren am 04. Februar im Ersten die Baden-Württemberger und Pfälzer mit ihrer Veranstaltung aus dem Graf Zeppelin-Haus in Friedrichshafen am Bodensee an der Reihe. «Mitgemacht und mitgelacht – Frankfurt feiert Fassenacht» hieß es am Montag, den 08. Februar 2010, im Ersten bevor es einen Abend später im ZDF «Karneval Hoch Drei» durch den Saal hallte. Kurz vor Weiberfastnacht riefen die Jecken unter dem Motto „Jeck - We Can“ im Ersten lauthals «Düsseldorf Helau».

Die heiße Phase der fünften Jahreszeit eröffnet traditionell die Mädchensitzung der Kölner Funken Artillerie blau weiß von 1980 e.V. mit ihrer ZDF-Sendung «Mer losse d’r Dom in Kölle». Am Freitag folgt dann wie in jedem Jahr der Klassiker. «Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht» wird seit 1955 regelmäßig übertragen und ist damit aus dem deutschen Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Der Samstag ist wieder in fester Hand der Kölner Narren, wenn sich das ZDF mit «Typisch Kölsch» der EhrenGarde der Stadt Köln 1902 e.V. widmet. Weil in Vancouver die olympischen Winterspiele ausgetragen werden, verschiebt das Erste seine traditionelle ARD-Sitzung in diesem Jahr vom angestammten Sendeplatz am Rosenmontag auf den Sonntagabend und lässt für «Karneval in Köln» sogar den «Tatort» pausieren. Abgeschlossen wird die Karnevalssaison im landesweiten Fernsehen daher in diesem Jahr mit den Übertragungen der Rosenmontagszüge aus Mainz, Düsseldorf und Köln.

In den dritten Programmen ist die närrische Invasion teilweise noch größer. Der WDR steht zwischen dem 11. November und Aschermittwoch regelmäßig unter dem Zeichen der karnevalistischen Kappe und widmet unter allen Sendern der fünften Jahreszeit die meiste Sendezeit. Doch auch der HR, der SWR und der MDR zeigen mehrere Sondersendungen und übertragen diverse Straßenumzüge.

Doch während ganz Deutschland vom Karneval besetzt zu sein scheint, gibt es einige Regionen, die dem bunten Treiben standhaft Widerstand leisten. Neben Norddeutschland war auch Berlin trotz stärkerer Bemühungen seitens der zugezogenen Bonner Beamten bis heute nicht in närrische Stimmung zu versetzen - trotz eines beschaulichen, jährlichen Karnevalsumzugs. Kein Wunder daher, dass es auch keine Fernsehsitzung aus der Hauptstadt gibt. Lediglich die Sitzung des Brandenburgischen Karnevalsvereins aus Cottbus wird am 14. Februar im RBB gezeigt.

Es ist jedoch fraglich wie lange diese Masse an Karnevalssendungen noch zu rechtfertigen ist. In den vergangenen Jahren verloren fast alle Übertragungen erheblich Zuschauer. Sicher, mit der größer gewordenen Konkurrenz ist die Zeit längst vorbei als einzelne Sitzungen zweistellige Millionenwerte generieren konnten. Aber auch in einer Zeit, in der sich der Markt stabilisiert hat, ist bei fast keiner Sendung ein Aufwärtstrend zu erkennen. Die Verleihung des Ordens «Wider den tierischen Ernst» beispielsweise erreichte im Jahr 2004 noch 5,73 Millionen Bundesbürger. In den vergangenen sechs Jahren sank dieser Wert auf aktuell 4,21 Millionen ab. «Karnevalissimo» begeisterte im Jahr 2007 noch 6,81 Millionen Narren. Im Jahr 2010 waren es nur noch 5,35 Millionen. Auch «Karneval Hoch Drei» musste deutlich Federn lassen. Von 6,60 Millionen Zuschauern im Jahr 2007 sank die Sehbeteiligung auf 5,42 Millionen im Jahr 2009 ab. Und selbst beim Platzhirsch «Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht» zeigt der Trend nach unten. Im Jahr 2003 versammelte die vierstündige Sitzung noch 7,25 Millionen Zuschauer vor dem Fernseher. Sechs Jahre später waren es nur noch 6,48 Millionen.

Über konstante Quoten in den vergangenen Jahren darf sich nur «Düsseldorf Helau» freuen. Seit 2007 sind die Reichweiten dieser Übertragung mit rund 4,5 Millionen nahezu konstant. Ein leichter Aufwärtstrend ist hingegen bei «Mitgemacht und mitgelacht – Frankfurt feiert Fassenacht» zu erkennen. Hier stieg die Zuschauerschaft von 4,03 Millionen im Jahr 2007 auf aktuell 4,28 Millionen an. Dieser Zuwachs ist aber zum Teil einer Verbesserung des Sendeplatzes geschuldet.

Erfreut sich in den Karnevalshochburgen der Straßenkarneval auch bei den jüngeren Menschen großer Beliebtheit, so scheinen die Fernsehübertragungen der Prunksitzungen ein Relikt aus früheren Tagen zu sein. Keine der genannten Sitzungen schaffte es in den vergangenen Jahren zweistellige Marktanteile in der Zielgruppe zu generieren. Schlimmer noch, viele Sendungen unterboten sogar den ohnehin schon schwachen Senderschnitt der öffentlich-rechtlichen Sender. Zu den erfolgreicheren Shows zählen mit rund sieben Prozent «Typisch Kölsch» und «Karneval in Köln». Diese Werte erreichte auch «Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht» vor einigen Jahren. Derzeit werden jedoch keine Werte über sechs Prozent gemessen. Am wenigsten sprechen offenbar die Sendungen «Wider den tierischen Ernst», «Mitgemacht und mitgelacht – Frankfurt feiert Fassenacht» und «Düsseldorf Helau» die jungen Zuschauer an, denn hier liegen die Marktanteile in der Zielgruppe bei rund zwei Prozent. Selbst das jünger angelegte «Karnevalissimo» ist mit einem aktuellen Marktanteil von 5,9 Prozent bei den 14- 49jährigen kein Erfolg. Bei diesen Zahlen stellt sich die Frage nach der langfristigen Zukunftsfähigkeit dieser Formate umso mehr.

Findet der Karneval derzeit nur noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen statt, war dies noch vor einigen Jahren anders. Neben dem gescheiterten Versuch von Sat.1 im Jahr 1997 und 1998 die Prunksitzung der Düsseldorfer Weißfräcke im Programm zu etablieren, hatte sich vor allem RTL um diese Tradition verdient gemacht. Zwischen 1992 und 2005 übertrug der Sender die Kostümsitzung der Kölner Prinzen-Garde und konnte damit rund 6,00 Millionen Zuschauer allen Alters gewinnen. Erstaunlicherweise gelang es dem Kölner Sender sogar die Zielgruppe mehr zu begeistern als die Konkurrenz von ARD und ZDF. Immerhin lagen die Zielgruppen-Marktanteile stets deutlich im zweistelligen Bereich und stiegen teilweise auf fast 20 Prozent an. Doch auch bei «Kölle Alaaf» war der Abwärtstrend deutlich zu spüren, sodass im Jahr 2005 nur noch ein Wert von 12,8 Prozent ermittelt wurde und RTL dazu bewog sich aus der Übertragung des Karnevals vollkommen zurückzuziehen.
11.02.2010 09:14 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/40136