Das FBI und das «Beast»

Patrick Swayzes letzte Produktion ist nun in Deutschland zu sehen. Quotenmeter.de bewertet die FBI-Serie.

Wie weit darf das Gesetz gehen, um Recht einzuhalten? Welche Mittel dürfen Polizisten und Agenten einsetzen, um Verbrecher zu stellen und Ordnung zu sichern? Darf das FBI über Leichen gehen? Die US-Krimiserie «The Beast» lotet die Grenzen und Weichen zwischen Recht und Unrecht aus. Wer beim Krimi-Genre an einen weiteren «CSI»-Klon in den üblichen Gefilden erwartet, der liegt völlig falsch. Und wer «CSI», «Navy CIS» und Co. überdrüssig geworden ist, der sollte «The Beast» erst recht eine Chance geben. Denn die Serie mit Patrick Swayze, der mit diesem Format seine letzte schauspielerische Arbeit vor dem Krebstod ablieferte, als Undercover-FBI-Agent Charles Barker gehört zum Besten, was die moderne Renaissance des Krimi-Genres zu bieten hat.

Charles Barker überschreitet konsequent die Richtlinien der Polizeiarbeit und weckt das titelgebende Biest in sich. Er wirkt in einer Grauzone, tritt auf die Seite der Verbrecher, um sie später dingfest zu machen. Er macht seine eigenen Gesetze, stiehlt illegal Waffen, klaut Beweismaterial, lässt Mörder frei. Nicht ohne Grund stellen seine Vorgesetzen ihm einen jungen Rookie-Partner namens Ellis Dove, gespielt von Travis Fimmel, an die Seite, der Barker bewachen und es verhindern soll, dass er sich bei den verbrecherischen Geschäften, die er aufdeckt, selbst bereichert. Doch die Rechnung geht nicht auf: Von Anfang an ist Barker ein Mentor für Dove und lehrt ihm seine eigenen Regeln. Das Gesetz ist nur noch grobe Richtlinie; wie und mit welchen Mitteln Barker und Dove ihre Fälle lösen, obliegt nur noch ihnen selber. Gleich in der ersten Folge der Serie „stiehlt“ Barker aus dem FBI-Waffenarsenal einen Raketenwerfer, um den Verbrechern im wahrsten Sinne des Wortes einzuheizen. In der zweiten Folge schießt er sich selbst an, um authentisch ein Gefecht vor Dealern vorzutäuschen.

Die großartige Charakterzeichnung von Barker und Dove ist das zentrale Alleinstellungsmerkmal von «The Beast». Nie weiß der Zuschauer, ob Barker und Dove wirklich gerade auf der Seite des Rechts kämpfen; nie verlassen Verbrecher und Agenten gleichermaßen die symbolische Grauzone, die Gut und Böse nicht mehr unterscheiden lässt und unter einem Aggregatszustand charakterlicher Schatten subsumiert. In der zweiten Folge quittiert ein FBI-Agent den Dienst, erschießt dann einen Dealer, um sich an seiner Tochter zu rächen. Barker und Dove nehmen ihn erst fest, doch bald entlässt Barker den ehemaligen Kollegen in die Freiheit – denn das Gesetz richtet nicht immer richtig, manchmal scheint ein Mord aus Rache für Barker gerechtfertigt.

Wie schwer es Dove fällt, das gnadenlos machiavellistische Denken seines Mentors umzusetzen, immer wieder das Gesetz zu brechen, um am Ende die Verbrecher zu bekommen, erkennt der Zuschauer stetig. Die Charakterstruktur von Dove ist ambivalent und antagonistisch. Nach der Freilassung des FBI-Mörders fragt Dove: „Ist das wirklich unsere Entscheidung?“ Barker antwortet: „Ist nicht mein Ding, dir den Unterschied zwischen richtig und falsch beizubringen. Unterm Strich musst du deine Entscheidung treffen oder du fragst dich in 20 Jahren, was das sollte, und dein Leben war nichts weiter als ein Witz.“ Authentisch werden die Figuren durch die hervorragenden Leistungen von Swayze und Fimmel. Ersterer dürfte den meisten Menschen aus seichten Filmen wie «Dirty Dancing» oder «Ghost» bekannt sein – dass er einen eigensinnigen FBI-Undercover-Agenten so überzeugend spielt, sodass man seine früheren Filme sofort vergisst, sagt genug über seine schauspielerischen Qualitäten aus. In den USA wurde von vielen Kritiken – noch zu Lebzeiten – seine Performance in «The Beast» als seine beste schauspielerische Leistung aller Zeiten bewertet. Fimmel, der in wohl jedem anderen Film nur als Bösewicht durchgehen könnte, spielt ebenbürtig und außerordentlich, hervorragend.

Zu guter Letzt ist es die technische Ausgestaltung der Serie, die sie so einzigartig macht. Regie und Produktion loteten nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch die Grenzen des Fernseherlebnisses aus. Skurrile Schnittabfolgen, ständig wechselnde Farbsettings (mal grau, mal orange), immer wieder Groß- und dann Totalaufnahmen und eine ständige Unterlegung von harter „Underground-Music“ oder sogar psychedelischen Klängen verpassen der Serie eine einzigartige Atmosphäre des Verbrecher-Molochs. «The Beast» ist ein kleines Meisterwerk der modernen Fernsehgeschichte und ein würdiges Gegenstück zu «CSI» und Konsorten. 2008 gedreht, startete die Serie in den USA im Januar 2009 mit 13 Folgen. Durch die schlimme Krebskrankheit von Patrick Swayze wurde sie im Juni, drei Monate vor seinem Tod, eingestellt. Sie ist das vielleicht beste Werk, das Swayze der Nachwelt hinterlassen konnte.

Der Pay-TV-Sender AXN zeigt «The Beast» aktuell in deutscher Erstausstrahlung jeweils donnerstags um 20.15 Uhr.
11.02.2010 11:32 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/40154