Jay Leno und der Ruhestand

Fünf Monate überlebte Jay Leno in der Primetime des Senders NBC. Quotenmeter.de wirft einen Blick zurück.

Groß war im vergangenen Jahr das Raunen, als NBC seinen Toptalker Jay Leno nach Auslaufen seines Vertrags nicht etwa in den Ruhestand oder gar zur Konkurrenz entließ, sondern kurzerhand den 22-Uhr-Sendeplatz für eine weitere Talkstunde frei räumte. Mit der neuen «Jay Leno Show» sollte zum einen der Verbleib des langjährigen «Tonight Show»-Gastgebers bei NBC gesichert werden. Zum anderen sollte die «Jay Leno Show» quasi im Handstreich die amerikanische Programmlandschaft erneuern. Versprach die zusätzliche abendliche Talkstunde doch eine traumhafte Kosteneffizienz im Vergleich zu den immens teuren und notorisch unsteten Serien, wie sie traditionell für die Prime-Time vorgesehen sind. Der Veteran Jay Leno schien plötzlich die “Zukunft des Fernsehens” (“Time Magazine”) zu verheißen.

Als die «Jay Leno Show» schließlich auf Sendung ging, machte sich schnell Ernüchterung breit. Die Kritikergemeinde zeigte sich erwartungsgemäß unbeeindruckt von Jay Lenos Prime-Time-Debüt. Aber auch die Zuschauer konnte Leno nicht entscheidend mobilisieren. Kaum mehr als fünf Millionen Zuschauer sahen die Sendung an den meisten Tagen – ein sehr guter Wert für das Spätprogramm, weniger gut für die Prime-Time.

Und dann war plötzlich alles wieder vorbei. Keine fünf Monate nach der ersten Sendung verkündete NBC Anfang Januar das Ende der «Jay Leno Show» auf dem 22-Uhr-Sendeplatz und allgemein die Rückkehr zum Status Quo. Offensichtlich hatten die NBC-Verantwortlichen den Negativeffekt der «Jay Leno Show» auf das Folgeprogramm und diesbezüglich die Geduld der Affiliate-Stationen völlig unterschätzt. Folglich wird das Scheitern von Jay Leno in der Prime-Time innerhalb der Branche vor allem als das Scheitern des “herrischen Imperators” (“New York Times”) Jeff Zucker angesehen.

Am vergangenen Mittwoch war es nun soweit; die letzte Ausgabe der «Jay Leno Show» flimmerte über den Bildschirm – und so richtig groß war das Interesse nicht. Nicht einmal beim Moderator. Anstatt emotionale Töne anzuschlagen, wie es sich eigentlich für Abschiedssendungen gehört, frotzelte Jay Leno gut gelaunt über den eigenen Misserfolg: “Die Show sollte zwei Jahre dauern, aber meine Strafe wurde wegen guter Führung auf fünf Monate reduziert”. Es folgte ein wenig ernst gemeinter “Blick zurück” auf die fünfmonatige Laufzeit der Sendung. Schließlich wurde Leno von einem zugeschalteten Donald Trump («The Apprentice») im Auftrag von NBC “gefeuert”.

Natürlich ist Jay Leno alles andere als “gefeuert”. Das vorzeitige Ende der «Jay Leno Show» bedeutet für den notorischen Workaholic lediglich eine Auszeit von wenigen Wochen, bevor er als neuer alter Gastgeber der «Tonight Show» am ersten März auf den Bildschirm zurückkehrt, pünktlich zum Ende der Olympischen Winterspiele, für deren Übertragung auf NBC Leno noch einmal kräftig die Werbetrommel rührte.

Die Resonanz auf diese letzte Ausgabe der «Jay Leno Show» war dem Anlass entsprechend nicht überwältigend. 5,86 Millionen Zuschauer schalteten ein, kaum mehr als sonst auch in der kurzen Geschichte der Show. Kritiker und Kommentatoren ließen kaum ein gutes Haar an der Sendung.
“Es hat nichts von einem Ereignis und das scheint genau passend,” stellte die “L.A. Times” nüchtern fest. “Leno verabschiedete sich von seiner kurzlebigen «Jay Leno Show», als würde er den Müll raustragen,” hieß es auf Boston.com.

Ohnehin hat Leno derzeit einen schweren Stand in der amerikanischen Medienöffentlichkeit. Vor allem sein Verhalten gegenüber dem Senderkollegen und zeitweiligen «Tonight Show»-Erben Conan O'Brien (Foto) hat in den letzten Wochen für Diskussionen gesorgt. Anstatt nämlich, wie ursprünglich angekündigt, mit dem Scheitern seiner neuen Sendung in den verdienten Ruhestand zu gehen, zog Leno bei den Planspielen des Senders bereitwillig mit und erklärte sich bereit, auf den bisherigen Sendeplatz der «Tonight Show» auszuweichen. Womit sich Leno auf Kollisionskurs mit seinem Senderkollegen Conan O'Brien begab, der gar nicht daran dachte, sich und seine Sendung in die Nacht hinein verdrängen zu lassen. Ein wochenlanger “Late-Night-Krieg” von höchster medialer Präsenz war die Folge, nach dessen Beilegung Conan O'Brien zwar großzügig kompensiert aber vorerst ohne eigene Sendung dasteht.

Jay Leno wiederum hat zwar nun “seine” «Tonight Show» wieder, der er längst nicht so überdrüssig war, wie es manche Aussage in der Vergangenheit nahe legte. Sein Ruf als “netter Kerl” ist allerdings beschädigt. Offen hatte sich die Branche im Zuge der Auseinandersetzungen mit “Team Coco” und gegen Jay Leno solidarisiert. So mancher fühlte sich an die wenig elegante Ablösung von Johnny Carson im Jahre 1992 erinnert, die Leno den Vorwurf einbrachte, unkollegial zu sein. Kaum ein Tag verging im Januar, an dem die Late-Night-Konkurrenten David Letterman (CBS) und Jimmy Kimmel (ABC) nicht auf NBC und Jay Leno eindroschen. Dem blieb schließlich nur der Gang zu Talk-Queen Oprah Winfrey, um seinem Image wieder einen positiven Dreh zu geben, nämlich als Opfer der Entscheidungen des Senders.

Einige Veränderungen gegenüber der ersten Inkarnation wird es wohl geben. So steht Lenos langjähriger Bandleader und Sparringspartner Kevin Eubanks, der ihn auch zur «Jay Leno Show» begleitet hatte, vor dem Absprung. Auch John Melendez alias “Stuttering John” wird nicht als Ansager zurückkehren. Dafür bekommt Jay Leno wohl seinen Schreibtisch wieder. Den hatte man in der «Jay Leno Show» wegrationalisiert.

Ob Jay Leno und NBC letztlich die Rückkehr zu altem «Tonight Show»-Glanz gelingt, bleibt abzuwarten. “Es wird nicht über Nacht passieren,” ist sich Marc Berman vom Branchendienst “Mediaweek” sicher. Leno selbst scheint seine Skepsis von einst jedenfalls überwunden zu haben. Seinen geplanten Abgang als «Tonight Show»-Gastgeber hatte der bald 60-Jährige im Jahre 2004 nämlich wie folgt begründet: ”Es gibt nur einen, der so etwas bis in seine Sechziger machen konnte und das war Johnny Carson. Es ist wohl angebracht zu sagen: ich bin kein Johnny Carson.”
17.02.2010 09:48 Uhr  •  Manuel Niemeyer Kurz-URL: qmde.de/40250