Die Kritiker: «Der Kriminalist: Amok»

Story
Kommissar Bruno Schumann betritt den Tatort auf einer Datsche etwas außerhalb der Stadt. Splitter auf dem Boden, eine zerplatzte Glasschale, Essensreste und Blut verheißen nichts Gutes. Ein Radiomoderator plappert leise aus dem Hintergrund. Und inmitten des Chaos' liegt die Leiche einer Frau, die brutal erschlagen wurde. Wie sich später herausstellt gab es für das Opfer Ursula Bendix jede Menge Grund zum Feiern. Ihre Kinder Tommy und Jackie hatten zusammen mit ihr eine Champagnerflasche geöffnet. Die Mutter hatte im Lotto gewonnen. Spät in der Nacht wurde eine Nachbarin Zeugin eines heftigen Streits. Logisch, dass die Ermittler gleich Tommy im Visier haben, der schon mehrfach auffällig geworden ist und vor kurzem erst aus der Haft entlassen wurde. Er gilt als unberechenbar und extrem gewalttätig.

Tatsächlich sprechen nahezu alle Fakten gegen Tommy. Einzig Ermittler Schumann ist von dessen Unschuld überzeugt. Obwohl der junge Mann beim Versuch ihn zu Befragen flüchtig ist, sieht der Hauptkommissar kein Mordmotiv. Außerdem verraten Spuren am Tatort, dass der Mörder keineswegs im Affekt gehandelt hatte. Bei seinen Recherchen erfährt Schumann schließlich, dass Tommy mit seinem Charme die Mutter regelmäßig um den Finger wickelte. Zunehmend gerät nun auch Tommys Schwester Jackie unter Druck. In der Tat widerruft diese bald ihre erste Aussage, nach der das kleine Familientreffen in der Datsche wegen der Neuigkeit von Tommys Vaterschaft stattgefunden hatte, und gesteht, dass Ursula mit ihren Kindern den Lottogewinn feiern wollte.

Ein Motiv haben nun alle Familienmitglieder, die in den Focus der Kommissare rücken. Auch der Ex-Mann der Ermordeten, Gerhard Bendix. Zwar beteuert dieser seine Unschuld, doch er hat eindeutig finanzielle Probleme. Opfer Ursula hatte mit ihm das letzte Telefonat vor ihrem Tod geführt. Indessen haben Schumann und seine Kollegen selbst ein Problem: Denn Tommy hat seine schwangere Freundin gekidnappt und nutzt diese als Druckmittel. Der leicht drogenabhängige Sohn der Ermoderten will sich und Annett umbringen, sollte Schumann nicht bald den wahren Täter finden.

Darsteller
Christian Berkel («Inglourious Basterds») ist Hauptkommissar Bruno Schumann
Maya Bothe («Kommissar Stolberg») ist Kommissarin Alex Keller
Frank Giering («Lasko – die Faust Gottes») ist Kommissar Henry Weber
Antonia Holfelder («Hexe Lili») ist IngeTschernay
Patrick Khatami («Die Pfefferkörner») ist Chris
Inka Friedrich («KDD - Kriminaldauerdienst») ist Charlotte
Stefan Konarske ist («Ausflug») Tommy Bendix
Lea Draeger («Tatort») ist Annett Finke
Christian Redl («Die Päpstin») ist Gerhard Bendix
Steffi Kühnert («Dinosaurier») ist Jackie Kunoldt

Kritik
Zunächst mutet der Fall in «Der Kriminalist» an wie jeder andere. Erst durch den flüchtigen Verdächtigen, der zudem noch auf Drogen scheint und droht sich selbst wie auch seine unschuldige Freundin umzubringen, erhält die Thematik eine spannende Dimension. Obwohl diese offensichtlichen Fakten dafür sprechen, dass ihm die Täterrolle wie angegossen passt, ist es wieder einmal Hauptkommissar Bruno Schumann, gut verkörpert durch Christian Berkel, der ein komplett andere Meinung vertritt. Auch diese Tatsache, dass der Hauptermittler der aufs Tablett servierten Spur weniger nach geht als dem Verlangen des Kidnappers, macht die Geschichte interessant. Erneut ist es in «Der Kriminalist» also die Hauptfigur, die selbst einer schnellen Lösung des Falls im Wege steht. Nicht erwähnenswert, dass seine Kollegen das überwiegend anders sehen. Doch zur Aufklärung muss Bruno Schumann abermals zunächst ein paar Steine aus dem Weg räumen, ehe der Fall aufgeklärt werden kann. Das Bauen verschiedenster Brücke, um auf Umwegen ans Ziel zu gelangen, ist auch dieser Teil im Drehbuch von Ulf Tschauder, welcher besonders gut gelungen ist. Die Dialoge, die sich um jene Gehversuche in den schwierigen Ermittlungen drehen, sind zuweilen auch tiefgründig gewählt. Doch mutet es von der Figurenkonstellation etwas ungewohnt wie auch phasenweise unglaubwürdig an, wenn der eher raubeinige Hauptermittler einfühlsam versucht den durchgedrehten Kidnapper zu überreden. Er redet ihm ins Gewissen, dabei erwartet der Zuschauer eher eine draufgängerische Aktion, die zur Überwältigung führt. Denn die versammelte Polizeistaffeln würden den Zufluchtsort des verdächtigen Tommy blitzschnell gestürmt haben, doch Hauptkommissar Schumann appelliert lieber an die Vernunft, was sicher tiefgründig und auch sozialkritisch ist, aber in diesem Szenario etwas weit hergeholt erscheint.

Dennoch passt das dramaturgische Gesamtpaket. Regisseur Christian Görlitz hat es verstanden, die Spannung während der Episode «Der Kriminalist: Amok» aufrecht zu erhalten. Das zusammenfügen der Puzzleteile erfolgt schrittweise, der Hauptkommissar in seiner Paraderolle wird dabei ebenso Stück für Stück begleitet und seine Auffassung, dass der Kidnapper den Mord nicht begangen haben mag, durch zwiespältige Aussagen und raffinierte Fragegestellungen auch beim Zuschauer bestärkt. Etwas vermisst wird hier aber der Gegenpart. Jemand, der an die Unschuld von Tommy nicht glaubt und Schumann bei seinen Aufklärungsversuchen nicht nur Steine, sondern gar echte Felsbrocken in den Weg zu legen vermag. In anderen Folgen übernahm die Staatsanwältin ansatzweise diese Rolle, auch wenn auch sie sich den Weisungen ihrer Vorgesetzten fügen musste. So bleibt «Der Kriminalist» aber auf sich alleine gestellt und kann die Zweifel an der Unschuld Tommy innerhalb seines Teams jeweils schnell ausräumen.

Das Ende verspricht eine dramaturgische Wendung, die man zwar so ähnlich erwartet, doch wie schon beschrieben sieht Ermittler Schumann mit seiner psychologischen Fassade eher weniger authentisch aus. Der Schuh drückt hier ein wenig und auch der Groschen, die zur Lösung des Falls beiträgt, hätte schon viel früher fallen können. Einige Knackpunkte eines ansonsten guten Krimis, dessen Spannungsbogen jedenfalls ordentlich gespannt ist. Vier neue Folgen schickt das ZDF auf Sendung, die erste davon kann sich sehen lassen.

Das ZDF zeigt «Der Kriminalist: Amok» am Freitag, den 19. Februar 2010 um 20.15 Uhr.
17.02.2010 15:14 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/40262