Die Kritiker: «37°: Wo die starken Kerle wohnen»

Inhalt:
Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Syndrom. Eine umstrittene Diagnose, der mit dem Thema der medikamentösen Behandlung lediglich in weiterem Maße zugesetzt wird. Nicht wenige sind mit ihren unruhigen, vergesslichen Kindern überfordert, weshalb die Medizin oftmals die richtige Methode zu sein scheint. Andere, wie die Eltern des 11-jährigen Malte lehnen die Tabletten wie etwa Ritalin strikt ab. Nebenwirkungen sind immerhin Depressionen, Müdigkeit, Schmerzen.

Hirnforscher Gerald Hüther hat sich mit seiner Arbeitsweise einen beachtlichen Kreis an Feinden geschaffen: Verhaltenstherapie bildet das Stichwort. Acht Wochen sollen elf betroffene Kinder auf einer Arm, fernab ihrer Erzeuger, der Schule und der Hektik mit einigen Betreuern lernen, miteinander umzugehen. Dies soll sie schulen, im Nachhinein einen Neuanfang zu wagen, in fremden Ausbildungsinstituten, in der eigenen Familie. «37°» begleitet das Projekt, fängt die einzelnen Meinungen und Menschen sowie das Leben nach der Alm ein.

Kritik:
Seit dem Jahre 1994 ist die Dokumentationsreihe «37°» nun ein Bestandteil des Programms des Zweiten Deutschen Fernsehens. In der vergangenen Dekade gewann man sowohl den Bayrischen, als auch den Deutschen Fernsehpreis für zwei unterschiedliche Ausgaben. Mit «Wo die starken Kerle wohnen», - ein Titel, der offensichtlich Maurice Sendaks Kinderbuch “Wo die wilden Kerle wohnen“ zum Vorbild hat -, dringt man in unsicheres Gebiet vor: ADHS und die korrekte Behandlung. Entstanden ist eine durchaus gelungene Dokumentaion ohne nennenswerte Längen.

Ohne Umschweife wird das Publikum mit dem Projekt vertraut gemacht. Elf Jungs und das Leben auf einer Alm. Zur Abwechslung gibt es keine Wettkämpfe, Geldpreise und größtenteils absonderliche Kandidaten; der Hintergrund ist selbstverständlich durch und durch ernsthaft, was auch schnell deutlich wird. Während die Kinder den Aufstieg auf sich nehmen, werden bereits einzelne Gespräche mit den jeweiligen Elternteilen zwischengeschnitten, um einen Blick über die Verhältnisse und Probleme zu gewinnen. Auch anschließend wechselt man stets zwischen der Alm und den verschiedenen Haushalten, was die Ausgabe kurzweilig und interessant gestaltet. Der Besuch des Initiators Hüthers und dessen Gruppensitzung mit den Eltern, die ihre Bedenken äußern, sind ebenfalls gelungen. Überdies war es von Vorteil, lediglich die Entwicklung von vier bis fünf Kindern näher zu beleuchten, so konnten die 45 Minuten Sendezeit abwechslungsreich eingenommen werden, ohne überfüllt zu wirken.

Ein gewisser Spannungsfaktor ist auch vorhanden - der Zuschauer ist von Anfang an daran interessiert, wie sich Adrian, Nicola, Robin und Malte nach diesen zwei Monaten mit dem altbekannten Umfeld arrangieren. So gesehen hält das Ende gar eine Überraschung bereit. Interessant wäre es gewesen, Kenntnis über die finanziellen Wurzeln und Zweige des Projektes zu erlangen. Auch über das Syndrom selbst erfährt man nicht all zu viel, ein gewisser Grad an Vorwissen ist nicht vorausgesetzt, aber durchaus hilfreich. Die technische Umsetzung überzeugt, wie es auch die erzählerische tut. Mit einem Bruchteil an Neugier bzw. dem speziellen Background in der eigenen Umgebung lohnt sich das Einschalten auf jeden Fall.

Das ZDF zeigt die Dokumentation «37°: Wo die starken Kerle wohnen» am Dienstag, den 9. März 2010 um 22:15 Uhr.
08.03.2010 15:00 Uhr  •  Marco Croner Kurz-URL: qmde.de/40605