Inhalt:
Philipp Schneider ist glücklich. Irgendwie. Seine Frau Kerstin vertraut ihm, unterstützt ihn, liebt ihn bedingungslos. Zumindest bis er eine weitere Hypothek auf das Haus verlangt, das auf Grund weiser Voraussicht zu Beginn der Ehe in den Besitz Kerstins überschrieben wurde. Hintergrundmotiv der Bitte ist Philipps Stadtplanungsbüro, das unter den Taktiken und Machenschaften seiner Klienten in die Insolvenz abzugleiten droht. Kerstin versucht ihren Gatten von dem eingeschlagenen Weg abzubringen, doch schließlich sieht sie sich gezwungen, ihn mit den beiden Söhnen Emil und Jim zu verlassen. Philipp versinkt in Trauer, Selbstmitleid, Angst und Wut. Als Kerstin eine Beziehung zu einem anderen Mann aufbaut, wird er sich seiner Fehler bewusst.
Darsteller:
Devid Striesow («Die Fälscher») ist Philipp Schneider
Nicolette Krebitz («Ausgerechnet Zoé») ist Kerstin Schneider
Lars Eidinger («Alle anderen») ist Daniel Baumann
Harald Schrott («Die Stunde der Offiziere») ist Lorenz Kern
Anna Schudt («Der Kriminalist») ist Anne Winkler
Moritz Klaus («Teufelsbraten») ist Emil Schneider
Christiane Lemm («Im Schatten der Macht») ist Heidi Petersen
Markus Boysen («Speer und er») ist Jakob Petersen
Andreas Windhuis («Der Fahnder») ist Marc Holm
Kritik:
Stefan Kornatz, Autor und Regisseur von «Verhältnisse», kann auf eine erfahrungsreiche Vergangenheit zurückblicken: Begonnen als Produktionsfahrer bei Spielfilmen wie «Die Mediocren» und «Männerpension» sowie anschließend verantwortlich für diverse Drehbücher der Serie «Hinter Gittern – Der Frauenknast» vor der Jahrtausendwende, lieferte er nach seiner langjährigen Tätigkeit als Regieassistent im Jahr 2008 mit «Sklaven und Herren» seinen ersten, überaus gelungenen Fernsehfilm ab. Angesiedelt im Mileu einer Bildungsstätte brillierten Paula Schramm und vor allem Franz Dinda in dem sehr intensiven Werk über Schuld und Sühne. Während das Skript zu «Sklaven und Herren» noch in Kooperation mit Klaus Peter Wolf entstand, zeichnet sich Kornatz allein für den zweiten Auftrag des Hessischen Rundfunks verantwortlich.
Auf eine gewisse Art und Weise wirkt «Verhältnisse» bemerkenswert ziellos, doch gleichermaßen, aus einem zweiten Blickwinkel betrachtet, ambitioniert und idealistisch. Das Storygerüst an sich scheint keinesweges etwas Innovatives oder Substanzielles zu bieten, dass einen Film über den Durchschnitt tragen könnte. Und obwohl die gesamte Laufzeit hindurch nichts wirklich überrascht oder erschüttert, so verläuft die Geschichte dennoch in einem abnormen unvorhersehbaren Rahmen. Dies äußert sich wiefolgt: Durch die liebevolle Reaktion Kerstins auf Philipps Forderung einer zweiten Hypothek, führt den Zuschauer im Prinzip nur der gesunde Menschenverstand zur Annahme, dass eine Trennung dessenungeachtet folgen wird. Unerwartet ist daraufhin die Tatsache, wie schnell und strikt es geschieht, einerseits zielstrebig und andererseits widerstrebend. Letzteres, da man nun an einer vernünftigen und zweckvollen Fortführung der Ereignisse zu zweifeln beginnt. Umso amüsanter, dass sich Philipp aus heiterem Himmel mit Daniel, dem neuen Mann an Kerstins Seite, anzufreunden scheint. Es bringt das Publikum nicht aus Fassung, ersetzt niemanden in Erstaunen und ist doch verblüffend.
Gestaltet wird die sehr eigene, erstrebenswerte Atmosphäre durch eine sonderbare Leichtigkeit, mit der Philipps Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt und den verlassenen Protagonisten unter sich begräbt. Dem von Devid Striesow verkörperten Familienvater wird bewusst, dass er seine Frau und Söhne unter allen Umständen zurück gewinnen muss, um an sicheren Stand zu gelangen. Kitschige, komödiantische oder im Allgemeinen besonders ehrgezige Ansätze, die man aus Hollywood-Filmen kennt, sind allerdings nicht zu sehen. Der kurzen Laufzeit die Stirn bietend, betrachtet man ruhige Szenen mit den Eltern Kerstins, den beiden Sprösslingen Jim und Emil sowie ehemaligen Geschäftspartnern Lorenz und Anne. Irgendwie nichtssagend, irgendwie schwerwiegend pathetisch. Man kann eigentlich nur auf eine ähnlich gespaltene Intention Kornatz' hoffen, insofern man sich den inneren Motor der Geschichte, wie sie auch bei «Sklaven und Herren» vrohanden ist, nicht selbst zusammenreimt: Einen Prozess aufzuzeigen, der inzwischen derart gewöhnlich ist, dass er fast zu Tränen rühren könnte – wäre es nicht nur ein weiterer Film in einer weiteren Sammlung.
Die fantastischen Hauptdarsteller sind sich glücklicherweise nicht unbekannt: Nicolette Krebitz schrieb und iszenierte vor drei Jahren das Drama «Das Herz ist ein dunkler Wald». Im Rahmen des Filmes bewegten sich Nina Hoss und Devid Striesow als Ehepaar, dessen weiblicher Part einen Nervenzusammenbruch zu erleiden droht, als die Existenz einer zweiten Familie des Mannes aufgedeckt wird. Die beiden «Verhältnisse»-Charaktere, sowohl Kerstin, als auch Philipp sind von Anfang an sympathisch, doch dem Schema der Story entsprechend, gibt es keine Glanzleistung, keinen Tiefflug, lediglich treffendes und gutes Schauspiel. Kornatz hat das Bild dieser kleinen Familie und ihres noch kleineren Umfeldes zweifellos perfekt eingefangen, doch nicht jeder wird an seiner Erzählweise Gefallen finden. Ebensowenig wie an dem grandiosen und gleichzeitig bizarrem Ende. Ein Blick auf «Verhältnisse» kann jedenfalls nicht schaden, so viel ist sicher.
Das Erste zeigt «Verhältnisse» am Mittwoch, den 7. April 2010, um 20:15 Uhr.