Die Kritiker: «Der Gesang des Windes»

Inhalt:
Glücklich und ausgelassen feieren Kaare und Hanne Eliassen ihre silberne Hochzeit, zumindest bis Sohn Daniel unter chronischen Schmerzen zusammenbricht und in ein Krankenhaus eingeliefert wird. Dort stellt sich heraus, dass der Junge auf Grund eines Nierenversagens nicht mehr lange zu leben hat, sollte sich kein geeigneter Spender finden. Durch die an Kaare durchgeführten Tests kommt ein von Hanne stets behütetes Geheimnis ans Licht: Bei Daniel und dessen Schwester Emma handelt es sich nicht um Kaares leiblichen Nachwuchs.

Als die Ärzte Hanne vor einigen Jahren mitteilten, es sei ihr Gatte, der nicht fähig sei, Kinder zu zeugen, ließ sie sich auf einen anderen Mann names Leif Sörensen ein. Dieser ist sich seines Kindersegens nicht einmal bewusst, obgleich seine Niere Daniel das Leben retten könnte, weshalb sich Hanne auf die verzweifelte Suche begibt. Doch um Leif, der auf einer abgelegenen Insel die Verantwortung über eine Wetterstation trägt, persönlich zu treffen, benötigt sie die Hilfe ihres Mannes.

Darsteller:
Jutta Speidel («Um Himmels Willen») ist Hanne Eliassen
Jan-Gregor Kremp («Polizeiruf 110») ist Kaare Eliassen
Karoline Teska («Ein Teil von mir») ist Emma Eliassen
Emil Reinke («Türkisch für Anfänger») ist Daniel Eliassen
Hans-Jochen Wagner («Alle anderen») ist Dr. Haugland
Sabine Orléans («Dr. Molly & Karl») ist Marie Nielsen
Stephan Bissmeier («Verschwende deine Jugend») ist Leif Sörensen
Giselle Vesco («Lindenstraße») ist Marta Eliassen
Enno Hesse («Arnies Welt») ist Ronny Stene

Kritik:
Steigung der negativen Art: Matthias Tiefenbachers Drama «Der Gesang des Windes» verliert kontinuierlich an Zugkraft. Während man zu Beginn noch stabilen Boden unter den Füßen genießt und fesselnde Unterhaltung bietet, verliert man sich zunehmend in sich wiederholenden Dialogfetzen, nebensächlichen Einflüssen und einer belanglosen Auflösung, die den anfänglich aufgebauten Erwartungen keinesfalls gerecht wird.

Den Startschuss setzt die von Kaare ausgerichtete Hochzeitsfeier, mit der er seiner geliebten Gattin Hanne ein weiteres Mal seine unermessliche Liebe gesteht. Bereits hier wird deutlich, was dem Werk die notwendige Intensität verleihen wird: Jan-Gregor Kremp. Dem 47-jährigen Schauspieler, unter anderem bekannt als Hauptkommissar Thomas Keller der Reihe «Polizeruf 110», schenkt man ohne Umscheife Glauben, redet er von Zuneigung gegenüber seiner Frau. Auch als Daniel zusammenbricht, ist es seine Reaktion, die das Publikum mitfiebern lässt. Anschließend folgt die große Enthüllung, um die sich fortan alles dreht: Kaare ist nicht Daniels und Emmas leiblicher Vater. Neben der großartigen Darstellung Kremps, die auch weiterhin das Highlight bildet, stellt sich nun die mutmaßlich relevanteste Frage – Was macht man aus diesem Trauma?

Park Chan-wook («Oldboy») würde die melancholische Stimmung zu einem Racheepos verarbeiten, Michael Bay («Transformers») hätte mit einer ohrenbetäubenden Explosion fortgesetzt und Steven Spielberg («Schindlers Liste») in Schwarz/Weiß gewechselt. Regisseur Tiefenbacher sowie die Autoren Maria Solrun («Die Familienanwältin») und Jörg Tensing («Scharf wie Chili») entschieden sich für die aufarbeitende Fassung, in deren Rahmen die Figuren ihre Vergangenheit in Angriff nehmen und ein zufriedenstellendes Ergebnis erreichen. Zunächst erweckt es den Anschein, der Plan ginge auf. Die neu gewonnenen Ansichten der Charaktere setzen sich fest und leiten über zum zweiten Status Quo. Das offensichtliche Problem ist, insofern es nicht um eine Serie handelt, dass nicht für längere Zeit an diesem Status festgehalten kann und um voran zu schreiten sehen sich die Federführenden oftmals gezwungen, Kompromisse einzugehen. Im Falle von «Der Gesang des Windes» ist dieser Punkt erreicht, indem man es unabdinglich macht, dass Kaare Anteil an dem Bootstrip nimmt, der zur Leif Sörensen und der Niere führt. Im Folgenden bereitet lediglich das Spiel von Kremp und seiner nicht minder talentierten Kollegin Jutta Speidel Freude.

Einen gewissen Unterhaltungswert gibt es natürlich noch immer, die Würfel sind bislang nicht gefallen und die Beziehung der Familie Eliassen schwebt über dem Abgrund. Die Funken zwischen Tochter Emma und Junior-Kapitän Ronny waren zwar eine nette Idee, wirken aber deplatziert und trüben das Gesamtbild. Mit dem vorhersehbaren Ende des Filmes hat man es sich zu einfach gemacht, ein schockendes Finale hätte zur Abwechslung auch einem simpel gestricktem Schema wie dem von 'Liebe am Fjord' nicht geschadet. Man muss und kann sich als Zuschauer damit zufrieden geben, aber etwas mehr Katharsis wird vermisst. Zurückblickend bietet der Rachegedanke durchaus mehr Potential. Überrascht hätte man damit ohnehin jeden einzelnen.

Das Erste zeigt «Liebe am Fjord: Der Gesang des Windes» am Freitag, den 9. April 2010, um 20:15 Uhr.
08.04.2010 14:30 Uhr  •  Marco Croner Kurz-URL: qmde.de/41213