Die Kritiker: «Meine Tochter nicht!»

Story
Maria und Paul Hofer führen mit ihrer 16-jährigen Tochter Nadja ein ganz normales Familienleben in der Großstadt Wien. Paul Hofer arbeitet als Steuerberater und ist seit kurzem verantwortlich für acht Mitarbeiter. Maria Hofer betreibt mit ihrer Freundin Anna ein Studio für Pilates, Yoga, Shiatsu und Kickboxen. Sie betreut dort den Wellness-Bereich. Doch die heile Welt wird zerstört als die pubertierende Tochter ihren neuen Freund Robi mit nach Hause bringt. Schlagartig kippt die Stimmung in dem normalen Familienhaushalt, denn die Eltern erkennen schnell, dass mit Robi etwas nicht stimmt. Fassungslos stehen sie schließlich vor ihrer Tochter, die sich komplett verändert hat und immer wieder beteuert ihren Robi über alles zu lieben sowie dass dieser ein herzensguter Mensch sei. Was ihre Eltern nicht wissen: Robi ist Ex-Junkie und zieht Nadja immer mehr in seine üblen Kreise. Denn bald darauf treffen Paul und Maria Hofer das junge Paar zugedröhnt auf der Straße und später unter viele andere Junkies am Wiener Karlsplatz, einem der beliebtesten Drogenumschlagsplätzen der Stadt. Die Eltern versuchen nun den Kontakt zu Robi gegen den Willen ihrer Tochter abzubrechen. Doch das scheint schwieriger als gedacht, auch weil sich Nadja immer wieder quer stellt. Dabei wollen die Hofers nur ihre Tochter retten.

Darsteller
Bernhard Schir («Ich trag dich bis an das Ende der Welt») ist Paul Hofer
Lisa Martinek («Das Duo», «Der Ampelmann) ist Maria Hofer
Nikola Rudle («Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?») ist Nadja Hofer
Christopher Schärf («Blutsfreundschaft», «Rimini») ist Robi Bauer
Hary Prinz («Bis an die Grenze») ist Gerd
Karl Fischer («Carlos The Jackal») ist Oberstleutnant Silhavy
Max Schmiedl («Schnell ermittelt») ist Polizist
Mercedes Echerer («SOKO Wien») ist Anna

Kritik
Diese Geschichte ist nicht alltäglich, so scheint es. Doch erzählt der Film «Meine Tochter nicht!» gleich mehrere Geschichten parallel, die allesamt auf wahren Begebenheiten beruhen. Auf subjektive Art und Weise werden diese Geschichten, die – vor allem in Großstädten – meist unbemerkt nebenan passieren, erzählt. Es muss sich dabei nicht ausschließlich um den Drehort in Wien handeln, auch die Berufe der Eltern sowie die Bildung der Tochter spielen für die eigentliche Geschichte keine große Rolle. Was aber wichtig ist, ist das Alter von Tochter Nadja und die Zeichnung der Drogenszene, in die man, wie im Film zu sehen, allzu leicht abrutscht. Die Sichtweise darauf ist subjektiv - eben gerade weil es für sie keine Lösungen oder Erklärungen zu geben scheint. Des Weiteren wird aus einem Blickwinkel erzählt, der auch den Zuschauer emotional erfassen soll. Erinnerungen, Gefühle, Reaktionen von Nadjas Mutter und Vater werden thematisiert und die Erzählweise des Spielfilms begleitet sie stets bei der Konfrontation mit den Konflikten sowie ihren verzweifelten Lösungsversuchen.

Das Drehbuch hat Konstanze Breitebner geschrieben. Dabei war die Wiener Schauspielerin doch in ihrem Wirken beispielsweise im «Traumschiff» stets auf schöne, romantische Geschichten getrimmt. Nun gibt sie die Vorlage für die Reise zu den Abgründen der Menschheit, wenn man so will. Denn jene, die die Gesellschaft abgestoßen hat, sind junge, verwahrloste Menschen an den U-Bahn-Stationen, denen kaum einer der Passanten Beachtung schenkt. An dieser Stelle möchte die Drehbuchautorin ihren Zuschauern die Augen öffnen und aufzeigen, woran wir alltäglich in Großstädten vorbeilaufen, ohne genauer hinzusehen, sind es doch die alltäglichen Geschichten im Untergrund, die sich hier abspielen. Der große Kontrast wird schon zu Beginn des Films klar: In einer Szene feiert Nadja noch gemütlich mit ihren Eltern ihren Geburtstag, ein paar Szenen später sieht man sie bei ihrem Freund Robi, während beide Drogen nehmen.

Die Entwicklung geht so rasant, dass das auch dem Zuschauer nicht verborgen bleibt und seine Aufmerksamkeit für die Geschichte erregt wird. So kommt auch eine Art Spannung auf, die den Zuschauer mitfiebern lässt, wie diese (scheinbar) ungewöhnliche Familiengeschichte wohl ausgehen mag. Dabei kommen während des Films mehrere Nebengeschichten zum Tragen: Im Drogenrausch verprügelt Robi seine Nadja, die aber weiterhin zu ihm steht. Dann flieht der Teenager aus dem elterlichen Hausarrest (sie sperren sie in die Wohnung ein), ehe die verzweifelten Eltern selbst die Suche nach ihr antreten, da den Behörden die Hände gebunden sind. Eine gute Story also, die äußerst gesellschaftskritisch daher kommt.

Absolut überzeugend spielt Nikola Rudle die Nadja Hofer. Ihre Rolle kauft man ihr genauso gut ab wie die ihrer Eltern, die mit Verzweiflung, Zorn und dem Rebellieren ihrer Tochter zu kämpfen haben und deren Gefühle vordergründig gezeichnet werden sollten. Somit sind es auch die Eltern, die im Fokus der Beobachtung des Zuschauers stehen, denn die Kamera begleitet sie auf ihrer Suche nach Auswegen. Dank der guten Schauspielleitung kommt das alles glaubhaft an, so wird auch schnell die Botschaft klar: „Meine Tochter doch nicht“, hätte Maria Hofer nie gedacht, dass ihre Tochter in Berührung mit Drogen kommen würde. An dieser Stelle setzt der ernste Spielfilm einen Fingerzeig: Drogenabhängigkeit ist nicht immer gleichzusetzen mit dem sozialen Status, denn offenbar kann es Jeden um uns herum treffen.

Regisseur Wolfgang Murnberger hat diese tragische Familiengeschichte in einem Wiener Außenbezirk wunderbar umgesetzt, so dass auch nicht ansatzweise Präventionen oder Lösungen für solchen Situationen in Aussicht gestellt werden, sondern glaubhaft ein alltägliches Dilemma am Rande unserer Gesellschaft gezeichnet wird, das Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten treffen kann. Einen Ausweg gibt es dann doch noch und am Ende steht ein Happy End im Film. Hier weicht man leider von der Realität etwas ab, denn ganz so einfach ist ein Drogenentzug schließlich nicht. Auch das Schicksal von Robi dient zwar erneut als Warnsignal, doch ist es trotzdem weit hergeholt. Nach einer soliden Geschichte fällt der Film zum Schluss aus allen Wolken, versucht man doch krampfhaft ein Happy End hinzubiegen. Ein Ausbleiben eines solchen hätte vermutlich auch die Tragik des Films sowie die eigentliche Botschaft unterstrichen. So dient «Meine Tochter nicht!» als Warnhinweis und zum Aufzeigen gesellschaftlicher Abgründe, doch die „Message“ beschränkt sich auf einen Dialog, der in der Fülle der Handlung untergeht.

Sat.1 zeigt den Spielfilm «Meine Tochter nicht!» am Dienstag, den 13. April 2010 um 20.15 Uhr.
12.04.2010 15:01 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/41290