«Kirschs Blüten»: Kreischende Fans

Wer das Publikum auf seiner Seite hat, kann sich freuen. Sind die Zuschauer gegen den Kandidat, hat er schlechte Karten.

Fans können ganz schön anstrengend sein. Vor allem dann, wenn sie kreischen. Oder in Ekstase geraten und Halbsätze schreien, die sie hinterher bereuen. Aber wer Superstar werden will, der braucht solche Fans. Die sind nämlich verrückt genug, um selbst aus dem Studio noch zehnmal für ihren Kandidaten anzurufen. So hieß es am vergangenen Samstag wieder «Deutschland sucht den Superstar» und tausende Teenies rasteten vor dem Fernseher aus. Im Studio war das nicht anders: Kaum eine Handbewegung von Menowin war nötig, um den Geräuschpegel so anzuheben, dass man selbst Dieter Bohlen nicht mehr hören konnte. Manch einer mag das anders sehen: Aber mir waren die hundert kreischenden Jugendlichen lieber als jedes einzelne Wort von Bohlen. Die hat er sicher gut bedacht – um sich selbst zu inszenieren. Dabei hatte das Publikum doch nur Augen für seine Kandidaten bei «DSDS». Das ganze Publikum? Nein, eine junge Zuschauerin konnte sich nicht beherrschen und brüllte aus Leibeskräften: „Dieeeter, ich will ein Kind von dir!“ Das war so ein Halbsatz, für den sie sich in zwei Jahren sicher schämt. Gehört hat es ihr Adressant sowieso nicht, immerhin trug es aber zum Amüsement der neben ihr sitzenden Zuschauer im Köln-Ossendorfer Studio bei. Doch dann wandte man sich schnell wieder dem Support seines Kandidaten zu. Zwar favorisiert man Manuel, Menowin oder Mehrzad erst seit einigen Wochen, doch die Unterstützung gleicht jenen Fußball-Fans, die man am Nachmittag noch bei der Anreise zu den Bundesliga-Partien ihrer Traditionsclubs getroffen hat.

Es sind auch die gleichen Lieder – wie bei Dieter eben: Immer die gleichen Lieder. Man ist sich bei «Deutschland sucht den Superstar» eben für nichts zu schade. Da werden Fußballlieder angestimmt, die selbst die Stimmungsmacher im Saal umhauen. Es ist ja auch fast alles erlaubt, also fühlt sich das Publikum wie im eigenen Wohnzimmer, manche sogar wie im heimischen Stadion. Bei einigen hat man sogar das Gefühl, dass sie sich diese Sendung nüchtern nicht anschauen wollten – was offensichtlich geklappt hat. Aber als Kandidat auf der Bühne freut man sich natürlich, wenn das Publikum für einen singt und wenn man unterstützt wird. Das ist auch der Traum jedes Dorfkickers, der einmal von Tausenden gefeiert auf dem Rasen im großen Fußball-Tempel stehen möchte. Hier ganz ähnlich: Jeder der Kandidaten, die zum Casting von «DSDS» fahren und sich in stillen Raum von Dieter Bohlen & Co. runter machen lassen, haben diesen Traum, einmal auf der großen Bühne von «Deutschland sucht den Superstar» zu stehen - egal ob es nur das Halbfinale ist oder schon das Finale. Zumindest das haben Manuel, Menowin und Mehrzad schon erreicht – einer von den letzten beiden genannten Kandidaten bekommt noch die Krone aufgesetzt. Doch von Mottoshow zu Mottoshow ist die Routine eingekehrt, der Traum wird zu etwas Gewöhnlichem, das sich jeden Samstagabend fortsetzen könnte. Solange das Publikum eben hinter ihrem Kandidaten steht. Denn tut es das nicht, wird der Traum schnell zum Alptraum.

Diese Erfahrung musste ein gewisser Hans-Martin bereits bei «Schlag den Raab» machen. Durch sein unsympathisches Verhalten hatte er den Kredit beim Publikum, das ihn als Gegner für Stefan Raab erkoren hatte, schnell verspielt. Was folgte war ein Spießroutenlauf mit Hasstiraden im Internet. Das wünscht man keinem. Da sind normale Buh-Rufe im Studio von «DSDS» noch harmlos dagegen. Bei manchen Zuschauern von «Schlag den Raab», das am Samstag parallel aus Köln-Mühlheim übertragen wurde, schrillten die Alarmglocken als ein Hans Martin zum Kandidat gewählt wurde. Doch beruhigt hatte man sich schnell wieder und die bösen Kommentare bei Twitter & Co. zu löschen versucht, als klar war, dass es sich um einen anderen Hans Martin (dazu noch ohne Bindestrich) handelte. Der war auch wesentlich sympathischer und man konnte ihm den Sieg gönnen. Dass auch Stefan Raab nicht nur Freunde hat, sondern auch viele Kritiker, die zumindest ein Grinsen im Gesicht hatten, als dieser vom Mountainbike stürzte und sich eine Gehirnerschütterung zuzog, ist ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass er niemals hätte aufgegeben. Zumindest letzteres sollte jedem Zuschauer Respekt abringen, denn das beweist Kampfeswillen und Einsatz, den so manch anderer vermissen lässt. Selbst unter Druck konnte er noch mit Kommentator „Buschi“ scherzen, plapperte dem jeden Kommentar nach oder widersprach ihm bei jedem Wort. Wer aufsteht, wenn er am Boden liegt und weitermacht, hat das Zeug zum Superstar. Insofern war das Parallelprogramm auch eine Lehrestunde für die potentiellen Superstars von RTL.

«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf - Dienstags nur bei Quotenmeter.de!

13.04.2010 00:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/41295