Domian, der Engel der Nacht
Der Nighttalker geht ins 15. Sendejahr. Was ist an der Sendung so faszinierend?
Kaum zu glauben, aber wahr: Der kleine nächtliche Telefontalk des WDR-Fernsehens feiert in diesem Jahr seinen 15. Geburtstag. Seit April 1995 geht Jürgen Domian nun schon regelmäßig fünfmal die Woche auf Sendung. Wohl niemand hätte damals gedacht, dass sich das Format zu einer echten Institution entwickeln würde. Domians damaliger Unterhaltungschef konnte das Potential auch nicht abschätzen, und gab der Sendung gerade mal eine Woche. Doch schon in der ersten Sendewoche schlug das Format richtig ein und hatte allem Anschein nach den Nerv der Zuschauer getroffen. Auch quotenmäßig kann es für «Domian» gar nicht besser laufen, denn rund 100.000 Zuschauer sind aktuell jede Nacht dabei, die für Marktanteile sorgen, die weit über dem Senderschnitt des WDR liegen.
Was also bewegt Menschen dazu, sich nachts eine Sendung anzuschauen, die aus einer einzigen Kameraeinstellung besteht, die den Moderator Jürgen Domian zeigt, wie er 60 Minuten lang Telefongespräche mit unbekannten Menschen führt? Jeder Marktforscher würde normalerweise vor so einem Konzept energisch warnen, weil es doch für die Zuschauer viel zu unspektakulär sei. Falsch gedacht, denn genau das ist das Erfolgsgeheimnis dieser Sendung. Es gibt im Fernsehen kein vergleichbares Format, bei dem die Zuschauer und die Anrufer das Gefühl haben, dass man sich wirklich für ihre Bedürfnisse und Probleme interessiert, abseits von Eigennutz und jeglicher Schadenfreude und Vorführung. Das ist es, was «Domian» von all den sogenannten Helpshows unterscheidet. Seine Sendung ist im Grunde die einzig wahre Reality-Show. Hier ist nichts inszeniert oder gefaked. In der Live-Call-In-Show darf jeder seine Meinung äußern, es darf über alles gesprochen und diskutiert werden, ohne falsche Scheu und Zensur. In der Sendung lernt man Menschen und ihre Geschichten kennen, die man sich zuvor hätte nie träumen lassen. Eine absolute Ausnahme in der Fernsehwelt, die üblicherweise von allerhand Profitgier, Zielvorgaben und Einschränkungen bestimmt ist.
Nicht zuletzt lebt die Sendung aber von ihrem Moderator Jürgen Domian. Wenn man beobachtet, mit welcher Eloquenz und Einfühlungsvermögen er mit all seinen Anrufern spricht, merkt man rasch, dass ihm die Geschichten wirklich zu Herzen gehen und er ein echtes Bedürfnis hat, ihnen seinen guten Rat mit auf den Weg zu geben. Er besitzt eine sehr sympathische Ausstrahlung, die jedoch nicht gespielt erscheint. Domian scheut allerdings nicht davor zurück, seine eigene Meinung zu vertreten, wenn es sein muss auch vehement. Er ist keine neutrale Moderationsmarionette und seine Anrufer schätzen das sehr. Sie reden mit ihm, als wäre er ein guter Freund. Dies ist besonders wichtig für Menschen, die in ihrem Umfeld eben leider keinen solchen Freund haben. Domian ist kein ausgebildeter Psychologe, aber allein sein Zuhören ist für viele einsame Menschen bereits ein großer Trost. Für seine Arbeit hat der Gummersbacher im Jahr 2002 das Bundesverdienstkreuz bekommen und es bleibt zu hoffen, dass uns Domian mit seiner bedeutsamen Sendung noch viele Jahre lang erhalten bleibt.