«Schlüter sieht's»: Wird Ihre Serie abgesetzt?
Anlässlich der kommenden Upfronts überlegt Jan Schlüter, welche US-Serien auf den TV-Friedhof wandern könnten.
Wenn in der kommenden Woche die sogenannten Upfronts anstehen, dann zittern Fernsehfans und –macher zugleich. Denn in ihren Pressekonferenzen werden die fünf großen US-Networks NBC, ABC, CBS, FOX und The CW ihr Programm für die kommende TV-Saison vorstellen, die im September 2010 beginnt. Diesmal fällt das alljährliche Medienspektakel allerdings nicht ganz so spannend aus wie sonst, weil viele Serien schon vorzeitig verlängert wurden. Dazu zählen beispielsweise die auch in Deutschland beliebten Programme «Fringe» (FOX) und «Smallville» (The CW). Wie steht es aber um die Chancen der anderen Formate? Wie es generell um die Sender bestellt ist und welche neuen Serien sie entwickeln, lesen Sie ab Donnerstagmorgen in unserem großen Ausblick auf die Upfronts 2010.
Der Sender ABC hat ein turbulentes Fernsehjahr hinter sich. Vor einigen Jahren noch war der Fernsehkanal des Disney-Konzerns der Shooting-Star unter den Networks: Mitte der 2000er hievten die Serien «Lost», «Desperate Housewives» und «Grey’s Anatomy» ABC fast im Alleingang auf die Spitzenposition. Doch gerade diese Serien schwächeln mittlerweile nach langer Fernsehpräsenz. «Lost» – das immer noch erfolgreichste ABC-Programm dieses Jahres – wird mit der aktuellen Staffel eingestellt und endet planmäßig. Einer der größten Quotenverlierer der Saison sind die verzweifelten Hausfrauen, die mit der aktuellen Staffel ihre schlechtesten Reichweiten aller Zeiten einfahren; aktuell hagelt es fast wöchentlich neue Negativrekorde. Dennoch reichen die Zahlen locker, um eine Verlängerung zu garantieren. Erschreckend ähnlich das Bild bei «Grey’s Anatomy», das ebenfalls unter massivem Quotenschwund leidet. Eine weitere Season wird dennoch bestellt werden, auch wenn Hauptdarstellerin Katherine Heigl das sinkende Schiff verlassen hat.
Definitiv verlängert wurden schon die Serien «Brothers & Sisters» sowie «Castle». Gut sieht es auch für «Private Practice» aus, das sich hierzulande quotenmäßig ebenfalls relativ ordentlich schlägt. ProSieben muss sich allerdings nach einer neuen Mystery-Serie umsehen, denn die Chancen für eine Verlängerung von «FlashForward» tendieren gegen null. Etwas besser sieht es für das Remake von «V» aus, das in Deutschland noch nicht gezeigt wird. Die Alien-Serie war im Herbst bei ABC ein Quotenrenner, kam aber mit den restlichen Episoden, die aktuell gezeigt werden, unter den Senderschnitt. Die Chancen für eine zweite Staffel – und damit auch für eine deutsche Ausstrahlung – stehen zwar nicht gut, aber ausgeschlossen werden kann nichts. Hier kommt es auch darauf an, ob ABC viele interessante und erfolgsversprechende neue Serienkonzepte für den Herbst in der Pipeline hat. Definitiv eingestellt wird dagegen «Scrubs», das eine erfolgreiche Serienära unrühmlich enden lässt.
Bei CBS bereitet das «CSI»-Franchise leichte Sorgen, denn das Original in Las Vegas sowie der Ableger «CSI: Miami» verloren mit der aktuellen Staffel teils massiv Zuschauer. Alle drei Serien erreichen mittlerweile ähnliche Reichweiten; zwischen 13 und 14 Millionen US-Bürger schalten regelmäßig ein. Dennoch ist ziemlich sicher, dass das Network alle drei Formate verlängert. Möglicherweise gibt es aber einige Verschiebungen beim Sendeplatz, so könnte «CSI» auf den ungeliebten Freitags-Slot verfrachtet werden, wo es sich ursprünglich zum Quotenhit entwickelt hat. Dies wäre ein kleines Anzeichen dafür, dass «CSI» möglicherweise nach der kommenden Staffel eingestellt wird. Hervorragend sieht es dagegen für die Sat.1-Quotenrenner «NCIS», «Criminal Minds» und «The Mentalist» aus, die mit einer Verlängerung rechnen dürfen. Im Voraus wurden schon neue Staffeln für «NCIS: Los Angeles», «The Big Bang Theory» und «Two and a Half Men» bestellt. Die beiden letztgenannten Sitcoms sind die erfolgreichsten CBS-Formate; besonders «Big Bang Theory» hat sich in seiner aktuell dritten Staffel vom mäßigen Unterhaltungsformat zum riesigen Zuschauerhit entwickelt.
Bei «Two and a Half Men» ist die nächste Staffel trotz der medialen Unkenrufe um einen Abgang von Charlie Sheen so gut wie sicher: Sheen droht mit Ausstieg aus der Serie und hat hohe Gehaltsforderungen. Dies ist das übliche Pokern, das normale Geplänkel vor millionenschweren Fernsehdeals – am Ende werden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beide Seiten einigen und das Kultformat weiterführen, vielleicht erst in der Nacht vor der Upfronts-Pressekonferenz. Zwei andere CBS-Sitcoms stehen allerdings auf der Kippe: Die neue Serie «Accidentially on Purpose» wird ziemlich sicher eingestellt, «The News Adventures of Old Christine» hat eine 50/50-Chance auf eine weitere Season. Hier dürfte auch ausschlaggebend sein, ob CBS mit neuen halbstündigen Serien plant, die das Programmschema ergänzen.
Schlecht sieht es für die CBS-Serien aus, die freitags gezeigt werden. Von den drei Sendungen «Ghost Whisperer», «Medium» und «Numb3rs» wird mindestens eine eingestellt. «Numb3rs» hat dabei mit Abstand die schlechtesten Karten, obwohl man Zuschauer gewinnen konnte. Eine der großen Aufgaben von CBS ist es aber, dass man den Freitagabend wieder zum erfolgreichen Fernsehtag machen will. Zuletzt entwickelte sich dieser Tag fast zu einem zweiten Samstag, wo die Zielgruppe (die 18- bis 49-Jährigen) fast nicht mehr einschaltet. Diesem Trend will das Network mit neuen, attraktiven Programmen entgegensteuern. «Numb3rs9» und vielleicht auch «Medium» spielen da wohl keine Rolle mehr. Fans von Jennifer Love Hewitts «Ghost Whisperer» können sich dagegen berechtigte Hoffnungen auf eine weitere Staffel machen. Auch bei den Krimi-Klassikern stehen Veränderungen an. Im vergangenen Jahr traf es schon «Without A Trace», während «Cold Case» gerettet wurde. Nun hat die Serie um Detective Lilly Morris schlechte Chancen, weil die Durchschnittsreichweiten erstmals unter zehn Millionen Zuschauer fielen und die Zielgruppe fernbleibt.
FOX hat um sein Herbstprogramm keine Geheimnisse gemacht. Die meisten Serien, wie der komplette Zeichentrick-Block um «Die Simpsons», «Family Guy», «The Cleveland Show» und «American Dad» wurde vorzeitig verlängert. Ebenso dürfen sich Fans von «Glee» (der wohl überraschendste Quotenhit der Saison), «Bones», «Fringe» und «House» auf neue Episoden freuen. Lediglich zwei Formate stehen zur Debatte: Der aktuelle VOX-Überflieger «Lie to Me» und die Comicadaption «Human Target». Letztere erreichte nur mäßige Werte, die im Laufe der kurzen Staffel noch fielen – eine zweite Season könnte dennoch realisiert werden, weil die Reaktionen auf die Serie positiv waren und ein großes Potenzial besonders bei den Werberelevanten vorhanden ist. Realistisch ist auch eine erneut kurze Midseason-Staffel mit 13 Episoden. «Lie to Me» performt im Anschluss an den Quotenhit «House» nur mäßig, weshalb FOX hier mehr erwartet. Die Zukunft von «Lie to Me» dürfte eine der spannendsten Entscheidungen in der kommenden Woche werden – diese könnte sich allerdings auch noch hinziehen, wenn das Network bis noch die Quoten der kommenden Folgen abwarten will. Die aktuellen Zuschauerzahlen sind zwar konstant, liegen aber auch deutlich unter jenen der ersten Staffel.
Beim arg gebeutelten NBC stehen im Herbst große Veränderungen an. Schon im Vorfeld wurde publik, dass man mit vielen neuen Serien, auch im Drama-Genre, plant. Dies ist angesichts erneut zahlreicher Quotenflops nicht überraschend. Der weiterhin sehr beliebte Comedy-Block um «30 Rock» und «The Office» wurde schon verlängert. Letztere Serie könnte eine finale Staffel bekommen, wenn Hauptdarsteller Steve Carell seine Ankündigung wahr macht, nach der kommenden Season auszusteigen. Andererseits sind die Quoten so gut, dass NBC mit aller Macht versuchen wird, das Format zu retten – wohl auf Kosten der Qualität. Schon die aktuelle Staffel wurde von Fans verrissen. Relativ gut sieht es auch für das «Law & Order»-Franchise aus, das im vergangenen Jahr noch totgesagt wurde. Da besonders das Original auf seinem neuen Freitags-Sendeplatz ordentlich läuft, dürfte es hier eine weitere Staffel geben.
Unsicherheit gibt es lediglich bei den beiden Serien «Chuck» und «Heroes», die jeweils eine große Fanbase haben, aber beim normalen US-Publikum nicht mehr besonders gut ankommen. Für «Chuck» stehen die Chancen allerdings nicht schlecht – die jüngsten Spekulationen um eine Order für 13 weitere Episoden (mit der Möglichkeit, neun bei Erfolg nachzuordern) dürften am Ende zutreffen, da auch NBC zuletzt signalisiert hat, das Format fortführen zu wollen. Um «Heroes» sah es sehr lange sehr schlecht aus, weil die Quoten abermals abgesackt sind. Die Serie stirbt seit Jahren einen vermeintlich langsamen Tod, denn jedes Mal steht sie im Mai auf der Abschussliste, wird verlängert und verliert mit der neuen Staffel Zuschauer. Auch diesmal könnte es so kommen, weil NBC sie mit einer finalen Season beenden könnte und außerdem davon profitiert, dass «Heroes» eigenproduziert ist. Dennoch wäre es keine Überraschung, wenn das Superhelden-Drama eben auch angesichts der vielen neuen Serien in der kommenden Woche nicht auf der Verlängerungsliste steht. Die Chancen für eine letzte Staffel stehen also eher schlecht als gut.
Ziemlich klare Verhältnisse herrschen beim Network The CW, das sich in dieser TV-Saison noch stärker auf Teenie-Dramen und die ganz junge Zielgruppe spezialisiert und längst aufgegeben hat, ein Massenpublikum anzusprechen. Die wichtigsten Formate auch für deutsche Zuschauer sind schon für eine weitere Staffel gesichert: «Gossip Girl», «90210», «Supernatural» und «Vampire Diaries», das in seiner ersten Staffel zum Quotenhit avanciert ist. «Melrose Place» ist dagegen so gut wie sicher abgesetzt. Zittern müssen Fans von «One Tree Hill»: Man musste zwar in dieser Staffel die schlechtesten Reichweiten aller sieben Staffeln hinnehmen, ist aber immer noch erfolgreicher als «Gossip Girl» und «90210», die schließlich auch verlängert wurden. Gestiegene Produktions- und Darstellerkosten lassen The CW aber überlegen, «One Tree Hill» abzusetzen. Da das Format allerdings ein Aushängeschild des Senders ist, könnte eine Einstellung auch negative Effekte auf die anderen Serien haben, die ähnliche Zielgruppen ansprechen. Möglich ist auch eine Order für eine kurze Staffel. Insgesamt aber sind neue Episoden für «One Tree Hill» deutlich wahrscheinlicher als dessen Absetzung.
Viele spannende Entscheidungen haben die Networks in diesem Jahr schon vorweg genommen, sodass die Frage über die Verlängerung oder Einstellung einer Lieblingsserie – besonders bei deutschen Fans – wohl schon vor der Upfronts-Woche geklärt ist. Deutlich interessanter ist es daher, die neuen Serien und Konzepte unter die Lupe zu nehmen, die von den Sendern in den kommenden Tagen vorgestellt werden. Am Ende wollen wir Zuschauer doch immer wieder nur dasselbe: Gute Unterhaltung, lustige Comedy und spannende Dramen. Liebe Sender, enttäuscht uns nicht!
Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.