Popcorn und Rollenwechsel: Schlaue Erfolge
Der Blockbustersommer steht an. Zeit der erfolgreichen Kinofilme. Zeit der hohlen Unterhaltung. Denkste! Unser Filmkolumnist erinnert daran, dass Anspruch kein Kassengift sein muss.
Im “Rolling Stones”-Magazin wurde vergangene Woche die erste Filmkritik zum neuen Film von Christopher Nolan veröffentlicht. Der Regisseur der von Filmkritikern gefeierten Filmen wie «Memento» und «The Dark Knight» wird die Kinos ab dem 29. Juli mit dem kontemporären Sci-Fi-Thriller «Inception» unsicher machen, sehr zur Freude ungezählter Filmfans, die enorme Erwartungen in das Geheimnis umwobene Projekt stecken. Laut des “Rolling Stones”-Magazins dürften diese Erwartungen erfüllt werden. Allerdings befürchtet der Filmkritiker Peter Travers, dass «Inception» zu anspruchsvoll für das durchschnittliche Kinopublikum sein wird, und sich deshalb zu einem Flopp entwickeln werde.
Es ist leicht, solchen Aussagen zuzustimmen. Schließlich besteht die Blockbuster-Saison tatsächlich vornehmlich aus oberflächlicher, leicht verdaulicher Unterhaltung. Allerdings suggerieren solche generalisierenden Bemerkungen, dass der typische Kinogänger fast schon allergisch auf sie intellektuell fordernde Stoffe reagieren. Und das möchte ich nicht gänzlich ohne Widerrede so stehen lassen. Denn immer wieder schafften es Filme, die nicht in die Schublade für hohle Blockbusterunterhaltung passen, große Zuschauerzahlen ins Kino zu locken.
Allein schon im mittlerweile sechs Filme umfassenden Milliardärsclub lassen sich «Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs», «Pirates of the Caribbean - Fluch der Karibik 2» und «The Dark Knight» finden. Zwar allesamt keine archetypischen Kandidaten für das Arthouse-Kino, doch definitiv durchdachter und vielschichtiger als der klassische Actionblockbuster. Im Falle von «Pirates of the Caribbean» hängten sich einige negative Filmkritiken sogar daran auf, dass der Film zu kompliziert und verwirrend wäre (eine Beschwerde, die sicherlich einige Kinobesucher über «Inception» tätigen werden), was ganz nebenbei gesagt äußerst amüsant ist, da es aufzeigt, dass manche Filmkritiker nie zufrieden sind. Im Kinosommer ist die meist getätigte Beschwerde, dass die Filme zu dumm seien. Dann kommt ein Piraten-Fantasyabenteuer an, das ganz klar den Anschein erweckt, nicht anders gelagert zu sein, und das wird dann für seine dezent mosaikartige Erzählweise, seinen komplexen moralischen Kompass und verwirrenden Handlungsfäden in der Luft zerrissen.
Selbstverständlich haben es komplexere und nachdenklichere Filme schwerer, sich zu einem Kassenschlager zu entwickeln. Darüber muss man wohl nicht diskutieren. Allerdings schaffen es immer wieder ein paar glückliche Filme mit verwirrender Dramaturgie, schwermütiger und nachdenklicher Stimmung oder anspruchsvollen Themen, eine breite Masse anzusprechen. Diese erfreulichen Ausreißer von der Norm, zu denen auch Kassenschlager wie «Schindlers Liste», «The Sixth Sense» oder «Inglourious Basterds» gehören, bewiesen immer wieder, das Filme nicht strohdumm sein müssen, um Blockbusterstatus zu erreichen. Mit der Hilfe eines prominenten Regisseurs, eines stattlichen Ensembles und/oder gelungener Werbung können solche Überraschungserfolge zu Stande kommen. «Inception» wäre also für einen weiteren Siegeszug des schlauen Kinos prädestiniert. Er muss ja nicht gleich «The Dark Knight» schlagen. Dafür fehlen «Inception» die bereits etablierten Figuren, und nachvollziehbarer dürfte dieser sicherlich auch sein. Aber wenn ein Film wie «Inception» mehr als eine halbe Milliarde Dollar einspielt, ist doch schon viel für den Ruf des Sommerkinoprogramms getan.