«Kirschs Blüten»: Ohne Kommentar
Unser Kolumnist stellt den Sprüche-Katalog der WM-Sportkommentatoren vor und fordert mehr Emotionen.
Mit Fußballspiel-Übertragungen werden wir derzeit ja überhäuft. Tag für Tag gibt es neue Bilder live aus den Stadien von Südafrika. Am vergangen Sonntag hat die FIFA-Weltmeisterschaft beinahe ganz Deutschland in ihren Bann gezogen. Zudem sind es auch die Moderatoren und Kommentatoren der übertragenden Sender, die täglich wie das Murmeltier grüßen. Auch wenn kein Spiel dem anderen gleicht, so fallen die Analysen und Kommentare während dem Spiel doch meist ziemlich gleich aus. Wer den ganzen Tag mit dem runden Leder vor dem Bildschirm verbringt, kann die Sprüche fast schon auswendig. Dabei spielt es keine Rolle, ob Tom Bartels, Bela Rethy oder Florian König kommentieren. Denn einen Katalog für Standard-Floskeln scheint es für Sportkommentatoren zu geben. Da wird sich gerne mal wiederholt, wenn im Spiel nichts Aufregendes passiert. Den Spielstand gibt man auch gerne bekannt, obwohl er meistens oben links im Bild eingeblendet wird. Schließlich haben die Herren Sportkommentatoren in solchen Notfällen, in denen es vorkommt, dass rein gar kein Spielfluss in der Partie und auch kein Ansatz von Spannung aufkommen, auch stets ein paar Weisheiten parat. Je länger das Spiel dauert desto weniger Zeit bleibt oder wenn sie kein Tor mehr schießen, werden sie verlieren – gut, dass die Kommentatoren dem Zuschauer dies stets vor Augen halten, denn die Fußballregeln sind wahrlich nicht einfach. Solange es aber keine Fußball-Kommentatorinnen gibt, die versuchen während dem Spiel das Abseits zu erklären, wollen wir uns hier nicht beschweren. Manchmal wissen die Kommentatoren aber auch selbst nicht, was die da sagen: Da gehört der Oberarm zur Hand oder die Stille ist mit Händen zu greifen. Okay, wir wissen, was gemeint sein könnte, aber unglücklich ausgedrückt ist das schon. Naja. Nicht so tragisch.
Die Kollegen WM-Moderatoren sind da schon eher auf Galgenhumor getrimmt: „Hoffentlich kriegt England keinen Shrek“, kommentierte Gerhard Delling vor dem Deutschland-Spiel gegen die Briten einen parodistischen Einspieler. Doch ist das keine Alternative für die WM-Kommentatoren in ihren Sprecherkabinen, müssen sie doch ernst bleiben. Schließlich wollen sie auch ernst genommen werden. Gehen einmal die Informationen aus, die man dem Zuschauer zu Hause auf der Couch übermitteln möchte, so ist das einfache Nennen des Namens jenes Spielers, der gerade den Ball führt, ein weiteres bewährtes Hilfsmittel. Eine erweiterte Version davon ist das Nacherzählen von Spielsituationen wie ein Radioreporter – mit dem feinen Unterschied, dass der Fernsehzuschauer ohnehin sieht, was passiert. Das A und O eines jeden Sportkommentators sollte natürlich das Googlen nach interessanten, am Besten verrückten Anekdoten über Spieler, Trainer oder die beiden Mannschaften, die gegeneinander antreten. Noch vor dem Spiel. Zuvor ausgedruckt lassen sie sich schön dem Zuschauer vorlesen. Das füllt immerhin langweilige Spielphasen, auch wenn den Fußballfan die Geschichten aus vergangenen Tagen womöglich ebenfalls langweilen. Weitaus schlimmer wird es vor allem für den mit seiner Mannschaft mitfiebernden Fan aber, wenn aus den Anekdoten die unterschiedlichsten Statistiken und Bilanzen werden, die eigentlich nur Zahlen-Fanatiker interessieren dürften. Zumindest sind sie in einer Phase des Mitfiebern einfach nur unpassend, wenn nicht gar nervtötend. Dem neutralen Zuschauer mag es nicht weiter stören, doch merken wird er sich die ihm entgegen geschmetterten Zahlen auch nicht.
Doch um es mal festzuhalten: Wir haben unsere WM-Kommentatoren und –Moderatoren doch gern, sind wir doch froh, dass sie die Spiele für uns begleiten und Informationen bereithalten. Und mal ehrlich: Was soll man dem Zuschauer denn auch 90 Minuten erzählen, wenn eine Partie gähnend langweilig ist und sowieso torlos endet?! Nein? Das sehen Sie anders? Dann ist vielleicht ein Blick ins Ausland ganz wertvoll. Denn dort sind die Kommentatoren – vielleicht auch einfach wegen des anderen Temperaments – sehr emotional bei der Sache. Selbst bei Deutschland-Spielen jubeln die Kommentatoren aus unseren Nachbarländern enthusiastisch mit als würde ihr eigenes Teama auf dem Feld stehen. Während Bartels, König, Rethy & Co. die Tore von Brasilien, Italien oder Spanien eher trocken vermelden. Man freut sich eigentlich schon, wenn ein wenig vom Kommentator ins Spiel hineingerufen wird. Das passiert häufig dann, wenn eine gute Chance vergeben wurde. Sie müssen zwar neutral sein, die WM-Kommentatoren, das heißt aber nicht, dass sie emotionslos sein müssen. Trotzdem: Der Kommentar gehört zu einer Fußball-Übertragung irgendwie dazu und manchmal ist man als Zuschauer vor dem Fernseher, der mit der Mannschaft von Südkorea, Japan oder Ghana wenig anfangen kann, dankbar, dass es die WM-Kommentatoren gibt, die bestens über alle Spieler informiert sind oder es zumindest sein sollten. Ansonsten ist es eh nur noch eine Frage der Zeit, bis es nach der Tonoption „ohne Vuvuzela“ auch die Tonoption „ohne Kommentar“ geben wird. Und in ein paar Jahren kann man wahlweise Wasserfall-Rauschen in den Hintergrund odern oder einen Kommentar als Jamba-Abo erwerben. Dann doch lieber Fußball-Weisheiten wie: Der Ball ist rund.
«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf – jeden Dienstag! Nur bei Quotenmeter.de!