Fußballspiele der deutschen Elf laufen ausschließlich bei ARD oder ZDF. Doch warum muss das sein? Haben nicht auch Privatsender ein Recht auf diese Übertragungen?
Pro von Timo Niemeier:
Fußball-Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft bei Privatsendern? Wieso eigentlich nicht? Muss man sich in Deutschland derart auf ARD und ZDF versteifen, nur weil diese beiden öffentlich-rechtlichen Sender in der Vergangenheit immer die Spiele gezeigt haben? Ich denke nicht. Spiele der Nationalmannschaft bei den Privaten wären eine enorme Chance, beispielsweise um die Rahmenberichterstattung zu revolutionieren. ARD und ZDF waren bislang eher als sachlich und distanziert bekannt. RTL zeigte sich bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft nah an den Fans und brachte so eine Menge Stimmung ins Fernsehen. Privatsender wie Sat.1 oder RTL müssten bei möglichen Spielen ein ganz eigenes Gesicht entwickeln, schlichtes kopieren ist nicht drin. Aber auch die Qualität darf nicht vernachlässigt werden. Natürlich wagte auch das ZDF bei der Europameisterschaft 2008 viel Neues, als man mit Johannes B. Kerner, Jürgen Klopp und Urs Meier auf eine Seebühne zog und von dort aus das Spielgeschehen kommentierte. 2006 war man schon ins Sony Center am Potsdamer Platz gezogen und veranstaltete dort ein Public Viewing samt WM-Berichterstattung. Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn sendeten in diesem Jahr dann aber wieder aus dem Studio.
Klopp wechselte inzwischen auch zum Konkurrenten RTL. Und von dort aus schickte er nach der WM gleich einen Gruß zurück nach Mainz: "Die Arbeit hat mir mit diesem Team einen Riesenspaß gemacht. Hier waren nur Arbeitstiere am Werk. Ich habe schon erlebt, dass von viel mehr Menschen als von diesem klitzekleinen Team die gleiche Arbeit bewerkstelligt wurde", so der Trainer von Borussia Dortmund. Gemeint sind wohl die Scharen von Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Sender. Diese schickten zur Weltmeisterschaft in Südafrika mehrere hundert Männer und Frauen, Sky kam mit einem Team aus 70 Personen aus. Auch bei RTL reichte ein deutlich kleineres Team. Das Ergebnis war stets gleich: Eine technisch einwandfreie Übertragung der Fußballspiele. Wieso müssen aber ARD und ZDF die Gebührengelder derart verschwenden und so viele Mitarbeiter direkt aus Südafrika senden lassen.
Das Argument, dass bei Privatsendern während den Fußballspielen zu viel Werbung laufe, kann ich nicht gelten lassen. Natürlich läuft dort Werbung. Natürlich MUSS dort Werbung laufen. Fußballrechte sind derart teuer, dass Privatsender gar keine andere Möglichkeit haben, als einen Teil dieser Kosten über Werbung wieder hinein zu holen. Ganz gedeckt werden können diese Kosten ohnehin nicht. Anders bei ARD und ZDF. Hier spielt Geld dank der überschäumenden Gebühreneinnahmen fast keine Rolle. Dass aber ein privater Medienkonzern, der sich am Ende eines Jahres vor seinen Aktionären rechtfertigen muss, auch ein wenig die finanzielle Seite im Auge haben muss, ist klar.
Und würde bei den Mitarbeitern von RTL oder Sat.1 nicht auch die Motivation extrem steigen, wenn sie reelle Chancen auf Deutschlandspiele bei wichtigen Turnieren hätten? Ich denke ja. Bei Sat.1 konnte man sich in diesem Jahr schon über tolle Spiele in der Champions League freuen, RTL musste sich dagegen bei der WM mit dem ein oder anderen Grottenkick begnügen. Entsprechend hoch bzw. niedrig fällt die Motivation bei den einzelnen Mitarbeitern aus. Und zufriedene Menschen in einem Unternehmen liefern bekanntlich auch bessere Arbeit ab. Vielleicht dann sogar bis weit über ein Fußballturnier hinaus. Der ProSiebenSat.1-Gruppe würden positive Nachrichten und gutgelaunte Mitarbeiter jedenfalls gut tun. Fußballspiele der deutschen Nationalmannschaft bei Privatsendern, ein Versuch wäre es durchaus wert.
Contra von Manuel Nunez Sanchez:
Wünschen Sie sich auch nichts sehnlicher herbei als Werbeunterbrechungen en masse vor und nach, insbesondere aber während eines Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft? In diesem Falle muss ich meinem Vorredner zustimmen, dass Länderspiele auch im deutschen Privatfernsehen gesendet werden müssen, anderenfalls aber muss ich dem strikt widersprechen. RTL hatte bei dieser Weltmeisterschaft erneut die Chance, gegen die öffentlich-rechtlichen Sender zu überzeugen und konnte sie wie schon vor vier Jahren nicht nutzen. Es ist schlicht und einfach störend, wenn die Spielanalysen kontinuierlich von Werbepausen unterbrochen werden oder im schlimmsten Falle sogar der Kommentator während eines Spiels mehrfach dazu gezwungen wird, den Zuschauer auf Gewinnspiele oder Programmhinweise aufmerksam zu machen. Nicht nur, dass dadurch schnell aufkommende Stimmung gedämpft werden kann, es offenbart sich auch eine gewisse Unprofessionalität im Umgang mit dem Premiumprodukt Fußball.
Auch die redaktionelle Qualität hat sich in der jüngeren Vergangenheit bei Privatsendern im Sportbereich immer wieder als mangelhaft herausgestellt. Während man bei ARD und ZDF recht umfassend über die Mannschaften und die betreffenden Nationen informiert wird, beschränkte man sich bei den privaten Anstalten auf das Allernötigste und füllte die Teile der Berichterstattung, bei denen sich nicht genügend Werbepartner fanden, mit belanglosen und boulevardesken Themen wie Berichten von Fanpartys oder dem Leben der Spielerfrauen, während man gleichzeitig bei den Öffentlich-Rechtlichen bereits vor Spielbeginn zumeist fachkundige Analysen geboten bekommt.
Da private Sendeanstalten ohnehin aus Kostengründen keine derart große und kompetente Sportredaktionen vorweisen können wie die von den Gebühren finanzierten Sender, welche alleine schon aufgrund ihrer zahlreichen Übertragungen außerhalb des Fußballs deutlich bessere Möglichkeiten und höhere Kapazitäten haben, sind in der Regel wichtige Posten zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Übertragung bei privaten Sendestationen un- bzw. unterbesetzt. An dieser Stelle muss Sat.1 genannt werden, das jahrelang mit Kai Pflaume einen Mann europäische Spitzenspiele hat moderieren lassen, den man mit vielem verband, jedoch nicht mit Fußball. Aktuell darf eine Andrea Kaiser Weltklassespieler, -trainer und -manager interviewen und brachte mit ihrer chronischen Unwissenheit nicht nur BVB-Trainer Jürgen Klopp in Verlegenheit. Auch ein Günther Jauch oder Florian König auf RTL haben sicherlich bereits Erfahrungen sammeln können, dennoch ist auch bei ihnen der Fußball nicht unbedingt das Steckenpferd. Hier hat man als öffentlich-rechtlicher Sender einfach viel bessere Möglichkeiten, kompetente Reporter auszubilden.
Ganz außen vor gelassen werden kann auch die gute, alte Tradition der deutschen Zuschauer nicht, die sich einfach daran gewöhnt haben, die deutsche Nationalmannschaft auf dem ersten oder zweiten Kanal sehen zu können. Mit Sicherheit ist dies nicht das stärkste Argument, das gegen Übertragungen von Länderspielen auf privaten Kanälen spricht, aber ein gewisses Maß an Tradition sollte nach Möglichkeit und beim Fehlen besserer Alternativen doch gewahrt werden. Keine Sender sind außerdem derart frei und leicht empfangbar wie ARD und ZDF, die oftmals auch im Ausland in Hotelfernsehgeräten einprogrammiert sind.
Von der Pflicht, als von Gebühren der deutschen Bevölkerung lebende staatliche Sendestationen auch ein Programm für alle Bevölkerungsschichten machen zu müssen, einmal ganz zu schweigen. Dieser Pflicht kommen die beiden Sender schon jetzt selten genug nach, wie man an den schwachen Einschaltquoten bei den jüngeren Zuschauern sehen kann. Bis auf Fußball und «Wetten, dass...?» gibt es mittlerweile nur noch ganz wenige Sendungen, die wirklich alle Bevölkerungsschichten erreichen können, weshalb Länderspiele ein wichtiger Bestandteil zur Legitimation der Rundfunkgebühren sind. Schon deshalb sollte es den großen öffentlich-rechtlichen Sendern ein Anliegen sein, diese Events von nationaler Bedeutung, zu welchen Fußballspiele des deutschen Teams inzwischen hochstilisiert wurden, weiterhin an sich zu binden.