Vier Jahre war Karma ein Teil der amerikanischen Fernsehlandschaft. Earl, seine Liste begangener Sünden und die restliche Bevölkerung Camden Countys begeisterten Kritiker und Zuschauer. Hierzulande bot sich indes ein gänzlich anderes Bild – die Serie fristet bis heute ein Schattendasein.
Kennen Sie vielleicht auch solche Typen, die immer nur Mist bauen und sich dann fragen, wieso ihr Leben beschissen läuft? Tja, genauso einer war ich auch. Immer wenn mir mal was Gutes passierte, ließ das böse Ende nicht lange auf sich warten. Karma. Da wurde mir klar, dass ich mich ändern musste. Also hab' ich eine Liste mit all meinen üblen Gaunereien aufgestellt, um sie dann, eine nach der anderen wieder gut zu machen. Ich versuche nur ein besserer Mensch zu sein. Mein Name ist Earl.
Die weisen Worte eines weniger weiseren Mannes. Von einer aufschlussreichen Bilderfolge begleitet, formen sie die amüsante Ouvertüre der Comedyserie «My Name is Earl», die in den Vereinigten Staaten vier Jahre lang am Donnerstagabend auf dem Network NBC zu sehen war. Die ersten zehn Episoden flimmerten im damals allmählich ausklingenden Jahre 2005 allerdings noch dienstags über die Bildschirme, bevor das Format erst einen vierwöchigen Hiatus einlegen und anschließend den künftigen Stammplatz belegen sollte. Markus Pfeiffer, der der von Jason Lee verkörperten Titelfigur Earl Hickey hierzulande seine Stimme leiht, hatte aber wie dieser auch nur wenige Male das Vergnügen, die eigens eingesprochene Einleitung zu hören. Nachdem sie, einmal abgesehen vom Piloten selbst, immerhin jeder Episode der ersten Staffel voran ging, wurde innerhalb der Pre-Produktion der Darauffolgenden konform ihr Ende beschlossen. Lediglich einige Anspielungen darauf würde es in ausgewählten Episoden noch geben, bevor die Serie vier Tage nach der Ausstrahlung des Staffelfinales von Season vier seitens der Senderverantwortlichen offiziell abgesetzt wurde.
Als sich «My Name is Earl» 2005 in seinem jüngsten Anfangsstadium, also den kreativen Gedanken des Serienvaters Greg García befand, war Hauptdarsteller Lee prinzipiell noch immer professioneller Skateboardfahrer – zumindest im Herzen. Seine filmische Karriere begann demnach auch mit einer Annährerung der Materie: «Video Days» (1991) wurde im Auftrag der Marke 'Blind Skateboards' von Regisseur Spike Jonze («Being John Malkovich») in Szene gesetzt. Bis er also das Lead in «My Name is Earl» übernehmen sollte, war der heute 40-Jährige vornehmlich mit kleineren Rollen in Independent-Streifen, vornehmlich den Filmen von Kevin Smith vertreten. Einer Tradition, der er im Übrigen auch 2010, nach dem Ende der Serie mit «Cop Out» wieder nachkam. Lee, der inzwischen in «Memphis Beat», einem Krimiformat des Kabelsenders TNT erneut als Serienheld in Erscheinung tritt, lehnte das Rollenangebot von García, dessen klare Wunschbesetzung er war, zweimal ab, bevor er schlussendlich von seinem Agenten doch zum Engagement überredet werden konnte.
Wie im Prolog bereits deutlich wird, dreht sich die Serie um den selbstreflektierenden Earl, dessen schäbiges Dasein vor seiner Läuterung zügig umrissen werden kann. Mithilfe seines leicht zurückgebliebenden Bruders Randy und gemeinsamen Freunden verdient sich Earl den Lebensunterhalt mit mal mehr, mal minder schwerwiegenden Verbrechen. In stark alkoholisierem Zustand ehelicht Earl eines Tages die hochschwangere Joy, deren direkte und harsche Art er bis zu dem Tage erträgt, an dem sie sein eigenes Kind austragen soll. Die dunkle Hautfarbe des Babys lässt Earl seine betrügerische Frau endlich verlassen, die daraufhin mit ihrem Seitensprung, also dem mutmaßlichen Vater des Zweitgeborenen zusammenzieht. Dieser ist allerdings auch weiterhin ein Freund des gutmütigen Earl, der sich nun mit Randy ein Hotelzimmer teilt. Den glücklichen Wendepunkt in Earls Leben stellt ein Rubbellos dar, das ihm exakt 100.000 Dollar verspricht. Ein Autounfall lässt ihn das Los jedoch nur Sekunden später wieder verlieren und seinen lädierten Körper im Krankenhaus landen. Dort überzeugt ihn die Late Night Show des Talkmasters Carson Daly von Karma, einem religösen System, das jede schlechte Tat mit einer ähnlich miserablen Konsequenz quittiert.
Earl erkennt das Muster in seiner Vergangenheit und beschließt sein Leben von Grund auf zu ändern. Bereits sein erster guter Akt, nämlich den Müll zu sortieren, führt das verlorene Los der 100.000 zu ihm zurück. Eher Bequemheit als Bescheidenheit lässt Earl und Randy auch weiterhin im Hotel wohnen, das zudem den Luxus der hinreißenden Reinigungskraft Catalina birgt. Durch die Unterstützung dieser beiden sowie der skurillen Bewohner des fiktiven Camden Countys beginnt Earl die aufgestellte Liste seiner Sünden nach und nach abzuarbeiten. Die Serie scheint dabei ein indirektes Schema zu besitzen. Während Staffel eins allein der Liste untersteht und so im 'Fall der Woche'-Rhythmus einen einzelnen Punkt angeht und dem Zuschauer auf diese Weise einerseits das perfekt harmonierende Ensemble der Comedy und ihre Verbindungen untereinander sowie andererseits durch Flashbacks ihre Vergangenheit näherbringt, zieht sich durch die zweite Season bereits ein roter Faden. Dabei handelt es sich um ein Vergehen Joys, in dessen Rahmen sie aus Rache einen Firmentruck gestohlen hat, der im Laderaum einen Angestellten beherbergte. Immer wieder kommen die Autoren auf dieses Gerüst zurück und fertigen daraus auch einzelne Aufgaben für Earl, die somit nur indirekt seine Liste betreffen.
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Vier Jahre war Karma ein Teil der amerikanischen Fernsehlandschaft. Earl, seine Liste begangener Sünden und die restliche Bevölkerung Camden Countys begeisterten Kritiker und Zuschauer. Hierzulande bot sich indes ein gänzlich anderes Bild - man kam bis heute nicht über die erste Staffel hinaus.
Ganz anders sieht es in Staffel drei aus, die quasi zwei Themenblöcke behandelt. Die ersten 12 Folgen haben die Vollzugsanstalt Camden Countys zum primären Szenenstandort, in der Earl nun ohne Liste ums Überleben kämpft. Während Randy sich als Aufseher bewirbt und Joy weiterhin kleine Nebenstorys erhält, erkennt der Direktor des Gefängnisses Earls Talent für Problemlösungen. So entsteht eine Art neue Liste, deren stetige Abarbeitung seine Inhaftierungszeit mehr und mehr verringert. Obgleich die eigentliche Liste so in Vergessenheit gerät und der Locationwechsel fast wie ein Gamechanger fungiert, schadet dies der Serie keineswegs. Im Gegenteil, der frische Wind bringt neue Charaktere, Verwicklungen und Möglichkeiten mit sich. Im Kontrast dazu steht der zweite Teil der Staffel, mit dem der große Anteil von Earl-Geschichten offensichtlich kompensiert werden wollte. Nach seiner Entlassung hofft Earl endlich mit Billie, verkörpert von Alyssa Milano («Charmed»), zusammen zu kommen. Stattdessen setzt ein Déjà-Vu ein und Earl wird erneut von einem Auto angefahren, nur dass diesmal nicht Karma, sondern Koma daraus resultiert. Während immer wieder Traumsequenzen Earls zwischengeschnitten werden, in denen er eine perfekte Sitcomwelt sein Eigen nennt, bestreitet man die Episoden selbst nun mit Geschichten um Randy, Joy und Darnell. Charaktere, die man zwar lieb gewonnen hat, die ohne Earl aber weitaus weniger Spielraum genießen.
Die vierte und letzte Staffel kehrt mit ihren 27 Episoden zurück zum Ausgangspunkt, also Stand-Alone-Folgen, und schließt so den begonnenen Kreis. «My Name is Earl», das in seiner ersten Runde mit durchschnittlich 10,9 Millionen Zuschauern der erfolgreichste Comedyneustart der Saison war, musste sich den kontinuierlich fallenden Einschaltquoten 2009 letztlich geschlagen geben. Nur 6,6 Millionen Amerikaner bildeten die goldene Mitte der vierten Staffel – zu wenig für NBC. Da die Absetzung aber ebenso unverhofft im produzierenden Studio, als auch bei den Anhängern der Serie eintraf, wurde natürlich kein zufriedenstellendes Finaldrehbuch geschrieben - stattdessen endete die Folge 'Dodge's Dad' gar mit den Worten „To be continued...“. 20th Century Fox Television bemühte sich daraufhin einen anderen Abnehmer zu finden und machte sowohl den Networks ABC und FOX, als auch Bezahlsendern TNT und TBS Angebote, die Serie zu übernehmen. Ohne die „künstlerische Integrität der Serie nicht ernshaft zu untergraben“ sei dies allerdings nicht möglich gewesen. Dabei hatte man vor allem Hoffnung in TBS gesetzt, das «My Name is Earl» auch trotz vier fehlenden Episoden hin zur magischen Syndicationmarke in sein Wiederholungsprogramm aufnahm. Doch auch hier scheiterte man.
«My Name is Earl» war während seiner gesamten Laufzeit ein Liebling von Kritikern und wurde auch mit nicht wenigen Preisen bedacht. Greg García, der das Drehbuch zum Pilotfilm noch während seiner Arbeit an der Sitcom «Yes Dear» verfasste, gewann 2005 für eben jenes den Emmy. Auch Marc Buckland, Regisseur der ersten Episode, durfte eine der begehrten Trophäen mit nach Hause nehmen. In deutschen Gefilden war die Serie im Gegensatz dazu kein Erfolg und fristete stets ein Schattendasein. Bereits im Oktober 2006, als in Übersse also gerade die zweite Staffel zu sehen war, wurde bekannt, dass sich RTL die Rechte an der Comedy gesichert hatte, ein Ausstrahlungstermin aber noch nicht feststünde. Erst eineinhalb Jahre später, im Juli 2008, verkündete man, «My Name is Earl» freitags um 23.30 Uhr zu zeigen.
Nach nur sechs Episoden, die im Durchschnitt lediglich 0,66 Millionen 14- bis 49-Jährige begeisterte und somit schwache 10 Prozent Marktanteil einstrichen, zog der Kölner Sender den Stecker. Wiederum rund ein Jahr später sollte das Format Teil einer neuer Serienoffensive am Samstagnachmittag werden und neben den Produktionen «Merlin» und «Knight Rider» laufen. Doch die Entscheidung wurde nur kurz darauf revidiert – stattdessen verschob man Earl und seine 'List Items' in die späte Nacht von Freitag auf Samstag. Dort konnten ebenfalls nur schlechte Werte verzeichnet werden, weshalb nach wenigen Erstausstrahlungen erneut das Aus besiegelt war. Anschließend wanderte die Serie ins samstägliche Nachtprogramm – derzeit befindet man sich allerdings in einer Sommerpause. Am 21. August wird die dritte Staffel in Doppelfolgen fortgesetzt. Dank der inzwischen zügig voranschreitenden DVD-Veröffentlichung, können Fans und Intressierte auch auf andere Weise in den Genuss der herrlich überspitzten Mischung aus Charakterstudie und satter Comedy kommen, die im Originalton ohnehin weitaus mehr geschätzt wird.
You know the kind of guy who does nothing but bad things and then wonders why his life sucks? Well, that was me. Every time something good happened to me, something bad was waiting right round the corner. Karma. That’s when I realized that I had to change. So I made a list of everything bad I’ve ever done and one by one I’m gonna make up for all my mistakes. I’m just trying to be a better person. My Name is Earl.